Bild 1 (Foto: Blume)


Wie man in heißen Ländern die Schornsteine rauchen lässt

Ein Ofen benötigt einen Schornstein, der "ziehen" muss. Der Zug entsteht dadurch, dass die bei der Verbrennung entstehende warme Luft leichter ist als kalte und deshalb einen Auftrieb hat. Sie steigt auf und entweicht so dem Schornstein. Man muss sich das wie einen unsichtbaren Heißluftballon vorstellen, der aus dem Schornstein quillt. Auf diese Weise werden die Abgase effektiv entfernt. Zusätzlich muss der entstehende Unterdruck ausgeglichen werden. Deshalb zieht der Schornstein Luft aus dem Haus nach. Damit wird dem Ofen immer Frischluft zugeführt; die Verbrennung ist vollständig, und es entsteht kein CO.
Man kann aber erfahrungsgemäß in unseren Breiten keinen Ofen betreiben, wenn es draußen sehr warm ist, vor allem dann nicht, "wenn die Sonne auf dem Schornstein steht". Grund: Weil die Außenluft zu warm ist, entwickelt die warme Schornsteinluft nicht genug Auftrieb. Die warme Ofenluft bleibt im Schornstein "stecken"; der Schornstein entwickelt deshalb keinen Zug. Weil die Abgase nicht abziehen, beginnt der Ofen, schrecklich zu qualmen. Man läuft außerdem Gefahr, sich mit Kohlenstoffmonoxid zu vergiften.

Wie machen es dann die Leute in heißen Ländern wie in Nordafrika oder Südeuropa? Die kochen doch mittags auch.

Wenn man aufmerksam durch eine Stadt in Tunesien oder durch eine (von Nordafrika beeinflusste) südportugiesische Stadt wie etwa an der Algarve wandert, erkennt man auf den Häusern hübsche Türmchen. An denen haben die Architekten ihre ganze Gestaltungsfreude ausgelassen, denn jedes Haus hat seine eigene Türmchenform. Es ist aber mitnichten architektonischer Schnickschnack, sondern es handelt sich hierbei um Schornsteine!

Bild 2: Schornsteine in Albufeira/Portugal
(Foto: Blume)


Bei aller Variationsbreite sind allen Schornsteinen feine, seitliche Öffnungen und der obere Abschluss gemeinsam. Das macht die Türmchen zu raffinierten aerodynamischen Geräten. Denn durch die seitlichen Öffnungen streicht immer ein senkrecht zur Schornsteinachse gerichteter feiner Wind. Dadurch ergibt sich im Schornstein ein kleiner Unterdruck. (Diesen Druckabfall durch Einwirkung von strömenden Gasen oder Flüssigkeiten kennen wir auch von so alltäglichen Geräten wie der Wasserstrahlpumpe oder den Vergasern in Automotoren, die nach dem Injektorprinzip funktionieren. Beschrieben hat es der Physiker Bernoulli.) Der Unterdruck wird durch aufströmende warme Abluft des Ofens ausgeglichen. So wird der Zug des Schornsteins aufrecht gehalten. Die Abluft des Ofens entweicht dem Schornstein also nicht als dicker Ballon (der in der heißen Außenluft steckenbleiben würde), sondern sie "mogelt" sich förmlich in den durchstreichenden Wind und wird so abgeführt.


Zum Schluss eine andere Geschichte
Margareta Schmidt von der TU Chemnitz hat für die Türmchen eine andere, zugegebenermaßen poetischere Erklärung. Sie schreibt:

"So sind sie die Techniker, immer müssen sie alles mit den Naturgesetzen begründen und liefern eine (meist) logische Erklärung für alle möglichen Erscheinungsformen, hier Schornsteine in Albufeira. Sicher haben sie recht, aber mir gefällt die Erläuterung unserer portugiesischen Reiseleiterin besser, und deshalb möchte ich sie Ihnen nicht vorenthalten: Die Mauren besiedelten lange Zeit den Landstrich Portugals und betrieben eine sehr tolerante Religionspolitik. Als sie vertrieben wurden, waren ihre Nachfolger nicht mehr so tolerant. Die islamische Religion wurde verboten und damit auch ihre Gebetshäuser, d. h. ihre Moscheen mit den reichverzierten Minaretten. Als Ersatz dafür hat man den Schornsteinköpfen die Form der Minarette gegeben und sie ebenso reich verziert.
Diese Erklärung ist doch auch schön, nicht wahr?"

Frau Schmidt hat mit dem letzten Satz Recht. Aber es sei daran erinnert, dass die Türmchen auf einer subtilen Naturbeobachtung beruhen und dass die Abzugstechnik damit eine hohe kulturelle Leistung der Nordafrikaner darstellt!


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Letzte Überarbeitung: 24. Januar 2012, Dagmar Wiechoczek