Woher die Namen der Kohlenwasserstoffe stammen

Heiner Schönemann*)

Die Namen der ersten vier Kohlenwasserstoffe sind - etymologisch gesehen - ein "harter Brocken". Vom fünften Kohlenwasserstoff an wird's dann leichter.


Methan
Der Name Methan hängt mit Methylalkohol zusammen: Die bei der trockenen Destillation von Holz (1661 von Robert Boyle veröffentlicht) gewonnene Flüssigkeit enthält als Hauptbestandteil ca. 10 % Essigsäure, ferner 1,5-3 % Methanol, geringe Mengen Aceton und viele andere organische Produkte. Dieses sauer reagierende Destillat nannte man damals Holzessig, der Alkohol war dann Holzgeist. 1834 erkannten die französischen Chemiker Jean Baptiste Andre Dumas (1800-1884) und Eugène Melchior Peligot (1811-1890), dass dieser Holzgeist dem Weingeist (heute: Ethanol) sehr ähnlich sei, aber (pro Molekül) nur eine CH2-Gruppe habe (formuliert als "CH2 + H20"). Diese CH2-Gruppe nannten sie Methylen (methylène), abgeleitet von den griechischen Wörtern methy, Wein (verwandt mit dem deutschen Wort "Meth") und (h)yle, Holz, Stoff, Material. Angedeutet werden sollte, dass diese Gruppe beim Aufbau einer Substanz beteiligt ist, die zwar weinähnliche Eigenschaften hat, also die des Spiritus (C2H5OH), aber nicht aus Wein, sondern aus Holz gewonnen wird. Berzelius [1] hielt zwar nichts von dieser Wortschöpfung ("... eine Wortverbindung, welche missbilligt werden muss ..."), rang sich aber dazu durch, die zugehörende CH3-Gruppe Methyl(-Gruppe) zu nennen. Außerdem erkannte er, dass im gewöhnlichen Alkohol, dem "Weinalkohol", doppelt so viele CH2-Gruppen pro Molekül enthalten sind wie im "Holzalkohol".

(Das oben erwähnte Wort methy, Wein, ist auch im Amethyst enthalten, zusammen mit der Vorsilbe a- (un-, ohne): "Dem Vorgeben nach soll er der Trunckenheit wehren, wenn er am Finger getragen wird. Allein diese Krafft bestehet nur in der Einbildung." [2])


Ethan
In derselben Veröffentlichung [1] schlug Berzelius vor, die C2H5-Gruppe Aethyl(-Gruppe) zu nennen, abgeleitet vom Namen Aether. Dieser Begriff geht zurück auf das griechische aither, obere heiße Himmelsluft, heiterer Himmel. Der Name wurde in der Chemie zunächst für alle leicht verdampfbaren Flüssigkeiten verwendet. Später galt er dann nur für den heutigen Ether mit seinen zwei "Aethyl"-Gruppen. Dem Wort aither liegt das Verb aithein, (ver)brennen, zugrunde. Kombiniert man es mit dem griechischen Wortstamm ops- für "Sehen" (vgl. Optik), dann erhält man aithi-ops: verbrannt aussehend, dunkelhäutig (-> Äthiopier). Die untere dicke Luftschicht hieß aer. Auch das Wort lebt heute noch fort: Aerodynamik, (aus an-, ohne; aer, Luft; bios, Leben), Malaria (lat. malus, schlecht; eine durch schlechte Luft hervorgerufene Krankheit; mit dem 'etymologischen Gegenteil' Buenos Aires (bonus, gut) usw.).

Die Endung -yl (abgeleitet von (h)yle, Stoff Materie) für die Reste der organischen Verbindungen ("Radikale") wurde schon 1832 von Justus Liebig und Friedrich Wöhler vorgeschlagen. Damit meinten sie organische Reste, die bei nacheinander ablaufenden Reaktionen ihre Zusammensetzung beibehalten, also praktisch so reagieren wie Elemente in der Anorganischen Chemie, z. B. die Benzoyl-Gruppe C6H5-CO- (im Benzoylchlorid C6H5-CO-Cl, Benzoylcyanid C6H5-CO-CN usw.).


Propan
Der Name Propan geht über die Propyl-Gruppe auf die Propionsäure zurück (griechisch: pro, vor; pion, Fett). Übersetzt bedeutet das, dass die Propionsäure in der Reihe der Carbonsäuren die Säure vor der Reihe der eigentlichen Fettsäuren ist, die mit der Buttersäure beginnt.


Butan
In ähnlicher Weise hängen Butan und Buttersäure zusammen: boutyron (grie.) heißt Butter (beide Wörter sind miteinander verwandt). Der Aldehyd der Buttersäure ist dann Butyraldehyd. Dieser Stoff kann durch Oxidation des Butylalkohols (1-Butanol) erhalten werden.


Ab Pentan nur noch Zahlen...
Die Namen der dann folgenden Kohlenwasserstoffe werden abgeleitet von den griechischen Zahlwörtern, die jeweils die Zahl der Kohlenstoff-Atome im Molekül angeben: Pentan (pente, fünf), Hexan ((h)ex, sechs), Octan (okto, acht) usw.

Allerdings gibt es auch hier Unregelmäßigkeiten: So wird statt des griechischen k ein c geschrieben (Octan; Decan, grie. deka, zehn; ...). Der Name Undecan (C11H22) ist zumindest etymologisch unsinnig, denn Elf heißt auf Griechisch '(h)endeka' und auf Lateinisch undecim; Nonan kommt aus dem Lateinischen (nonus, der Neunte).


Begriff der Paraffine
Diese bislang bekannten gesättigten Kohlenwasserstoffe wurden zunächst Methylwasserstoff, Aethylwasserstoff usw. genannt. Dabei bedeutete "gesättigt", dass ihre Aufnahmefähigkeit für Wasserstoff erreicht war: Sie hatten, bezogen auf die jeweilige Zahl der Kohlenstoff-Atome im Molekül, den maximalen Gehalt an Wasserstoff-Atomen.

Der Liebig-Schüler August Wilhelm von Hofmann (1818-1892) schlug dann 1865/66 vor, an den Stamm des jeweiligen Namens die Endung -an zu hängen (Methan, Aethan, ...) und für die ungesättigten die Endungen -en bzw. -in zu verwenden.

1830 wurde von dem Fabrikanten Karl Ludwig Freiherr von Reichenbach (1788-1869) in seiner Holzverkohlungsanlage bei der Destillation von Buchenholz ein merkwürdiger, wachsartiger, bei 44 °C schmelzender Feststoff entdeckt, der außerordentlich resistent war gegen chemisch sehr aggressive Stoffe. Er nannte ihn Paraffin. Dieses Wort kommt aus dem Lateinischen: parum, wenig; affinis, (von ad finem, an der Grenze), benachbart, verwandt; in der Chemie: reaktionsfähig.

Der Bedeutungswandel von "verwandt" nach "reaktionsfähig" lässt sich aus der Chemie des 18. Jahrhunderts erklären: In ihr war die Lehre von den Affinitäten (Verwandtschaften) ein geläufiger Fachausdruck, mit dem erklärt wurde, warum einige Stoffe miteinander reagieren und andere nicht. Es gab damals "einfache und doppelte Verwandtschaften", "Wahlverwandtschaften" usw. Goethe griff mit seinem Roman-Titel "Wahlverwandtschaften" bewusst auf einen Ausdruck der damaligen Chemie zurück. (In dem Roman geht es um eine Beziehung zweier Paare, die - modern gesagt - eine eheliche Austauschreaktion vollziehen: AB + CD —> AD + BC.)

Reichenbachs "Paraffin" wurde kurz darauf in Liebigs Labor von Jules Gay-Lussac (dem Sohn des bekannten Physikers) analysiert und als ein "CH2" erkannt, das isomer zu dem schon bekannten ölbildenden Gas (Olefin) C2H4 war. Die Elementaranalyse gibt bekanntlich lediglich das Atomzahlverhältnis wieder; sie kommt den heutigen Werten aber sehr nahe, denn die Formel eines Kerzenwachsparaffins beträgt z. B. C30H62. Die Bezeichnung "Paraffine" wurde dann später auf die ganze Stoffgruppe der Alkane übertragen.


Begriff der Olefine
Das eben erwähnte, damals schon bekannte Gas Ethen verdankt seinen Namen "Olefin" der Reaktion mit Chlor; bei ihr entsteht aus dem Gas eine ölartige, wasserunlösliche Flüssigkeit.

C2H4 + Cl2 ———> C2H4Cl2

Diese Reaktion wurde 1795 von holländischen Chemikern entdeckt, das Produkt wurde in Französisch benannt: gaz oléfiant, ölbildendes Gas. Aber auch dieser Name ist letztlich älteren Ursprungs: lat. oleum, Öl; facere, machen - auch wenn die alten Lateiner das ölbildende Gas noch nicht kannten. Es handelt sich hier - wie bei vielen Begriffen der Wissenschaftssprache - um sprachliche Konstruktionen aus Latein und Griechisch. Vom oleum leitet sich im Übrigen die Endsilbe -ol ab.


Begriff der Aliphaten
Die bisher genannten Kohlenwasserstoffe (Alkane, Alkene, Alkine) werden auch aliphatische Kohlenwasserstoffe genannt, abgeleitet vom griechischen Wort aleipha, Fett, da sie - über die Fettsäuren - beim Bau der Fette beteiligt sind. Für Fett gab es im Griechischen noch ein zweites Wort: lipos (vgl. lipo-phil; philos, freundlich, liebend). Es ist mit aleipha verwandt. Das deutsche Wort "bleiben" hängt damit ebenfalls zusammen: Es bedeutet ursprünglich „klebrig sein, haften“. Auch der "Leim" gehört in diese Wortfamilie.


Begriff der Aromaten
Der Name aromatische Kohlenwasserstoffe leitet sich von dem 'aromatischen' Geruch einiger aus der Natur isolierter Benzol­derivate wie dem Benzaldehyd ab: aroma (grie.) bedeutet ursprünglich Gewürz, dann wohlriechendes Kraut.


Zu guter Letzt: Der Name "ARAL"
Im Jahr 1924 entwickelte der Benzol-Verband (Bochum) den ersten Motortreibstoff mit erhöhter Klopffestigkeit; dabei handelte es sich um ein Benzin-Benzol-Gemisch. Man suchte nach einem zündenden Namen für dieses Produkt und schrieb einen internen Wettbewerb aus: Den Preis gewann der Chemiker Walter Ostwald (1886-1953) für den Namen Aral (Kunstwort aus: Aromaten und Aliphaten). Heute werden für das Erfinden von Markennamen Millionenbeträge an speziell dafür tätige Fremdfirmen ausgegeben, damals betrug der Preis drei Flaschen Wein [3]. Der Sohn des Preisträgers, der Physiker Fritz Ostwald, hat später übrigens die Sicherheit in den Autos erhöht: Er hat das Anti-Blockier-System (ABS) erfunden. Der Vater des Preisträgers war ein sehr prominenter Chemiker: Wilhelm Ostwald (1853-1932), erster Inhaber eines Lehrstuhls für Physikalische Chemie, Nobelpreisträger für Chemie 1909 (Prinzipien der Katalyse). Er hat u. a. das nach ihm benannte Ostwald'sche Verdünnungsgesetz gefunden. Einer seiner Assistenten war der später bedeutende Physikochemiker Walther Nernst (1864-1941, Nobelpreis 1920).


Literatur:
[1] Berzelius, Jahresber. 15, 330 (1836).

[2] V. Kräutermann (Pseudonym für Chr. v. Hellwig) Historisch-Medicinisches Regnum Minerale oder Metallen- und Mineralienreich, Arnstadt 1747, 157.

[3] Aral informiert intern, 15.01.90, 3.


*) Adresse des Autors:
StD. Dipl.-Chem. Dr. Heinrich Schönemann, Haarbeckstr. 26, 47506 Neukirchen-Vluyn.
Schuladresse: Gymnasium Adolfinum, Wilhelm-Schroeder-Str. 4, 47441 Moers.


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