Oszillierende Reaktionen: Am Anfang stand die Citronensäure

Experimente:
Versuch: Oszillierende Reaktion der Citronensäure
Versuch: Oszillierende Reaktion der Malonsäure mit Bromat und Cer
Versuch: Oszillierende Reaktion der Malonsäure mit Iodat und Mangan
Versuch: Die oszillierende Reaktion des Ascorbinsäure/Cer/Bromat-Systems
Versuch: Oszillierende Reaktion des Oxalsäure/Cer/Bromat-Systems

Bild 1: Iodat-Uhr (Foto: Daggi)
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Von großer Bedeutung für die chemische Forschung sind die oszillierenden oder periodischen Reaktionen. Einige waren schon vorher bekannt. Die heute diskutierten Reaktionen mit organischen Verbindungen entdeckte 1958 der russische Chemiker B. Belousov. Er befasste sich mit der Bromierung von Citronensäure. Dazu setzte er Kaliumbromat in schwefelsaurer Lösung ein. Als Katalysator diente Cersulfat. Beim Verfolgen der Reaktion beobachtete er, dass die Reaktionsmischung ständig ihre Farbe zwischen Farblos/Weiß und Dunkelgelb wechselte. Außerdem schwankt analog zu den Farben das Redox-Potential (-> Versuch). Die erste leicht reproduzierbare oszillierende Reaktion war entdeckt. Der Physikochemiker A. M. Zhabotinskii befasste sich mit den ersten Versuchen zur Erklärung dieses Phänomens. Heute spricht man von Belousov-Zhabotinskii-Reaktionen.
In der Schule kennt man vor allem die Reaktionsmischung mit Malonsäure anstelle von Citronensäure. Zur Verfolgung der Redox-Lage gibt man gern den Redox-Indikator Ferroin zu (-> Versuch).
Bekannt ist auch die Reaktionsmischung aus Kalium-Iodat, Malonsäure, Wasserstoffperoxid, Perchlorsäure und Mangan (Briggs-Rauscher-Reaktion, -> Versuch).
Oszillationen beobachtet man auch bei der Oxidation von Ascorbinsäure.

Bild 2 (Quelle: Rita Weßel [23])


Was läuft bei oszillierenden Reaktionen ab?
Es handelt sich um die katalytische Oxidation des organischen Substrats. Die Reaktion beginnt im Allgemeinen mit einer Bromierung. Besonders bei der Malonsäure beobachtet man eine Decarboxylierung, erkennbar an der starken CO2-Entwicklung. Die Oxidationsmittel sind Bromat- und Iodat-Ionen sowie Wasserstoffperoxid.
Diese Reaktionssysteme sind ausgesprochen komplex und ihre Abläufe für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen. Sie bestehen aus ca. 10, sich untereinander stark beeinflussenden Elementarreaktionen. Eine große Rolle spielen Autokatalysen, die ab einem bestimmten Konzentrations-Niveau auf andere Reaktionen einwirken. Die Ergebnisse dieser Teilreaktionen bewirken rückkoppelnd (selbstregulierend) den Start von anderen Reaktionen, wobei Hemmschwellen wie z. B. eine bestimmte Lage des Redox-Potentials oder die Konzentrationswerte verschiedener Reaktanden überwunden werden müssen. Das hat die Periodizität in Farbigkeit und Redox-Spannung zur Folge. Insgesamt befindet sich das Reaktionssystem weit weg vom Gleichgewichtszustand. Diesen erreicht es erst, wenn die Konzentration eines Reaktanden nicht mehr für die Überwindung der angesprochenen Hemmschwellen ausreicht. Dann hört die Oszillation auf.


Oszillierende Reaktionen sind wichtige Modellreaktionen für biologische Abläufe
Auch biologische Systeme bewegen sich weit weg vom Gleichgewichtszustand. Denn der Zustand eines offenen Systems, den wir Leben nennen, hat ein sich selbst regulierendes Fließgleichgewicht und deshalb große Potentialunterschiede zur Voraussetzung. Ohne diesen Spannungszustand gäbe es kein Leben; der spannungslose Zustand ist der eines toten Lebewesens. Wir beobachten folglich auch bei biologischen Systemen Oszillationen. Das beginnt schon auf der Ebene von biochemischen Reaktionsketten (wie der Atmungskette oder der Glykolyse), setzt sich fort in individuellen Biorhythmen und führt weiter zu großen Ökosystemen.
Aus diesem Grunde ist das Studium der Belousov-Zhabotinskii-Reaktion wichtig, vor allem wenn es um die mathematische Modellbildung solcher Systeme geht. Interessant ist, dass diese Reaktionen in geeigneten Gefäßen auch räumliche Verteilungen zeigen. Diese Kompartimentierungen sind wichtig zur Simulation größerer biologischer Systeme.


Oszillierende Reaktionen gibt es auch mit anderen Reduktionsmitteln
Beispiele sind die Reaktionen mit Ascorbinsäure und mit Oxalsäure als Substrate.


Zur Chemie mit Wasserstoffperoxid haben wir eine große Webseitengruppe.


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Literatur


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Letzte Überarbeitung: 29. April 2010, Dagmar Wiechoczek