Bleiacetat -
ein wichtiges, aber problematisches Salz der Essigsäure

 

Experimente:
Versuch: Herstellung von Bleiacetat
Versuch: Erhitzen von Bleiacetat
Versuch: Pigmente aus Bleiacetat


Blei wird von kaltem Essig kaum merklich angegriffen. Anders ist es mit siedendem Essig (-> Versuch). Wenn man die Lösung eindampft, erhält man weiße Kristalle: Bleiacetat.

Pb(CH3COO)2

Das Salz ist anders als die meisten anderen Bleisalze leicht in Wasser löslich und wird deshalb gern im Labor genutzt. (Das ebenfalls leicht wasserlösliche Bleinitrat Pb(NO3)2 hat Nachteile, die sich aus der Chemie des Nitrat-Ions ergeben.)

Wer übrigens annimmt, dass Blei sich nicht in kaltem Essig zersetzt, wird langfristig eines Besseren belehrt, wenn er saure Speisen in bleihaltigen Gefäßen anrichtet oder gar aufbewahrt. Das müssen nicht aus metallischem Blei gefertigte Gefäße sein. Blei kommt vielfach versteckt vor: Es kann in Gefäßen aus Zinn enthalten sein. Zinn ist oftmals mit Blei verunreinigt. Schlimm sind auch bleihaltige Glasuren. Anders als stabiles Bleiglas sind Glasuren im sauren Milieu leicht angreifbar (siehe Bild) und setzen lösliche Bleiverbindungen wie Bleiacetat frei. Und die sind giftig! (Davon unten mehr.)

Durch Essig angeätzter Keramiktopf
(Foto: Blume)


In diesem Zusammenhang ist das folgende türkische Sprichwort, das ich einem netten Leser verdanke, interessant: "Keskin sirke küpüne zarar verir". Dieser Spruch heißt übersetzt "Scharfer Essig schadet dem Tonkrug".

Wenn wir Bleiacetat erhitzen, erhalten wir Blei(II)-oxid (-> Versuch). Wie können wir das erklären? Zersetzt sich etwa das Acetat-Ion?

Bleiacetat enthält noch Kristallwasser. Seine chemische Bezeichnung ist genau genommen Bleiacetat-Trihydrat. Dies ist die chemische Formel:

Pb(CH3COO)2 · 3 H2O

Beim Erhitzen dieses Salzes bilden sich Essigsäure und Wasser (die abdampfen) sowie das gelbe Blei(II)-oxid.

Pb(CH3COO)2 · 3 H2O + Energie ———> PbO + 2 CH3-COOH + 2 H2O

Zum chemischen Verhalten von Salz-Hydraten siehe folgende Webseiten:

Die Struktur von Salzhydraten: Was ist Kristallwasser?

Ockerfarbene Pigmente aus grünem Salz


Beispiele für die Nutzung von Bleiacetat (-> Versuch)
Wenn man Bleiacetat mit Natriumcarbonat versetzt oder in die Lösung CO2 einleitet, bildet sich ein weißer Niederschlag von Bleicarbonat.

Pb2+ + CO32- ———> PbCO3

Pb2+ + H2O + CO2 ———> PbCO3 + 2 H+

Bleicarbonat ist ein bei den alten Malern beliebtes Pigment. Ähnliches kann man auch mit Sulfat-Ionen erreichen. Das weiße Bleisulfat kennt man weiterhin auch aus den Reaktionen des Blei-Akkus.

Pb2+ + SO42- ———> PbSO4

Mit Iodid-Ionen gibt es wunderschönes Gelb von Blei-Iodid.

Pb2+ + 2 I- ———> PbI2

(Mit dem wunderschön kristallisierenden Blei-Iodid kann man tolle Versuche zum chemischen Gleichgewicht durchführen.)
Es gibt noch viele andere Bleipigmente, wie zum Beispiel das leuchtend gelbe Bleichromat PbCrO4.

Pb2+ + CrO42- ———> PbCrO4

Die hellfarbigen Bleipigmente hatten allesamt einen wesentlichen Nachteil: Sie dunkelten mit der Zeit nach. Das kann man an den Bildern der alten Meister studieren. Ursache dafür ist Schwefelwasserstoff, den die Menschen mit ihren Darmgasen sowie über die Atemluft abgeben.
Die Wirkung von H2S auf Bleiverbindungen können wir auch mit Bleiacetat zeigen. Dazu leiten wir in eine Lösung von Bleiacetat Schwefelwasserstoff H2S ein.

Pb2+ + H2S ———> PbS + 2 H+

Bleisulfid ist dunkelbraun bis schwarz gefärbt. Es hat sogar einen metallischen Glanz - wie sein Mineral Bleiglanz. Es gibt sogar Bleiacetat-Papier, ein allgemein gebräuchliches Indikatorpapier, mit dem wir Schwefelwasserstoff nachweisen können.

Makaber war aber die Nutzung von Bleiacetat als Lebensmittelzusatzstoff:


Die Süße von Bleizucker war eine Katastrophe
Hinzu kommt noch etwas anderes, was einem Umweltbewussten heute Schauer über den Rücken laufen lässt: Bleiacetat sieht nicht nur aus wie Zucker, sondern schmeckt dazu auch noch süß. Daher stammt der verführerische Name "Bleizucker". Das hat viele Leute dazu verführt, Bleiacetat als Zuckerersatz zu nutzen. Das darf auf keinen Fall ausprobiert werden!!

Das machten leider die Römer. Man hat in den Skeletten und Zähnen dieser Leute viele Bleirückstände gefunden. Man muss wissen, dass Blei das Hauptgebrauchsmetall Roms war. Aus Blei wurden Geschirre, Trinkbecher und Amulette hergestellt und sogar die Wasserleitungen ausgelegt. Deshalb suchen manche Forscher die Ursache für den Untergang des römischen Reichs in der Demenz, die eine hochgradige Bleivergiftung charakterisiert.

Auch später hat sich nichts geändert. Denn Süßen von Speisen war etwas, was den Reichen und Mächtigen vorbehalten blieb. Es gab eigentlich nur den Honig zum Süßen, und den zu beschaffen war auch nicht jedermanns Sache. Noch 1787 steht in einem Polizeidienstbuch zu lesen:

"Des so gefährlichen Bleyzuckers..., das in einer gewissen Menge des saueren Weines, oder auch in bloßem Weinessige, aufgelöst wird, bedienten sich die Unglücklichen, um ein ganzes Fass solches saureren unschmackhaften Saftes, in einen süßlichen Trank zu verwandeln, und so... ein wirklich langsames Gift verschlingen zu machen."

Manche sagen auch, dass Ludwig van Beethoven, der Zeit seines Lebens gerne Rotwein ("Rotsporn") trank, als 56-Jähriger qualvoll an einer Bleivergiftung gestorben ist. Dafür spricht, dass er seit Beginn seiner 20er Jahre unter schweren Leibschmerzen gelitten hatte und für seine extremen Stimmungsschwankungen bekannt war. Die Vergiftung will man mit Hilfe der Analyse von Beethovens Haarproben nachgewiesen haben. Es gibt Leute, die weisen diese Hypothese als unseriös zurück. Vielleicht ist denen die andere Todesursache, die diskutiert wird, lieber: Danach soll B. an Syphilis gestorben sein.

Zu den chemischen und physiologischen Hintergründen der Giftigkeit von Schwermetallen und insbesondere auch Blei haben wir eine besondere Webseite.


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Letzte Überarbeitung: 22. September 2005, Dagmar Wiechoczek