Legenden und Sagen um die Fossilien

In früheren Zeiten konnten die Menschen mit den Versteinerungen, die sie fanden, nichts anfangen. Sie schienen ihnen eher unheimlich zu sein.

Zwar fand man manche Fossilien hübsch - so weiß man, dass bereits die Neandertaler Ketten mit Pyritammoniten als Schmuck trugen.

Aber insgesamt waren die aus der Erde stammenden Teile doch eher unheimlich. Deshalb ist es verständlich, dass die Bevölkerung nach Erklärungen suchte. Die waren aber teilweise abenteuerlich und passten in die Zeit voller Riesen, Geister, Teufel und Hexen.

Dass man Ammoniten als Reste aufgerollter Schlangen ansah, haben wir schon erzählt.

Bild 1: Schlangenköpfiger Ammonit (Dactylioceras: Lias Epsilon). Durchmesser 7,5 cm
(Foto: Blume)


Die Nummuliten wurden bildlich gesprochen im Volksmund zu versteinerten Linsen. Von Linsen sollten z. B. die Israelis gelebt haben, als sie für den Pharao Pyramiden bauen mussten. Die Nummuliten, die man bei den Pyramiden findet, betrachtete man quasi als die versteinerten Speisereste der Fronarbeiter.

Bild 2: Münzen oder Linsen? Nummulitenkalk (Tertiär). Länge des größten Steins 3 cm
(Foto: Blume)


Zu diesen Fossilien gibt es aber auch noch eine andere Vorstellung. Der lateinische Name Nummuliten bedeutet übersetzt „Münzsteine“. Man dachte wohl an versteinertes Geld.

Mit dem Geld hatten es die Altvorderen sowieso immer. Die runden Scheiben, in die die Seelilienstängel zerfallen, nannte man „Hexenpfennige“. Dieser Crinoidenkalk ist typisch für Muschelkalkformationen und ist in vielen Bruchsteinen von Parks oder Botanischen Gärten anzutreffen. Der Stein verwittert und setzt dabei die aus Calcit bestehenden zentimetergroßen Scheibchen frei. Sie tragen am Rand Riffelungen – wie richtige Münzen.

Bild 3: Hexenpfennige: Seelilienreste aus dem Muschelkalk (Crinoiden). Durchmesser 1 cm
(Fotos: Blume)

Man findet oft auch Stücke von Seelilienstängeln – die sehen wie richtige Geldrollen aus.

Bild 4: Seelilienstängelreste aus dem Weißjura (Malm) von Nattheim. Länge 10 cm
(Foto: Blume)

Diese Hexenpfennige sind (wie auch die „Geldrollen“) übrigens echte Einkristalle von Calcit. Sie sind deshalb – wenn man so will – durchaus wertvoll.


Sagenumwoben waren auch die Belemniten, die man für Blitzeinschläge hielt und deshalb „Donnerkeile“ (von „Donars Keile“) nannte. Sie werden auch als „Hexenfinger“ oder gar „Teufelsfinger“ bezeichnet. Andere Bezeichnungen sind „Hexenpfeile“ oder „Albgeschoß“. Letzteres bezeichnet Geschosse, die von Feen stammen sollten. Außerdem schützten (nach Helmut Mayr) Belemniten die werdende Mutter und sorgten für guten Milchfluss. Jetzt verstehe ich auch, warum früher in vielen Familien eine Schatulle mit sieben wohlsortierten Belemniten zu den Hochzeitsgeschenken gehörte und warum diese so in Ehren gehalten wurde. Wir Kinder wenigstens durften damit nicht spielen und betrachteten die kleinen Schönheiten höchst ehrfürchtig... Dabei handelt es sich bei ihnen nur um die Spitzen des Schulps von Tintenfischen, die denen des rezenten Sepia-Tintenfischs ähnelten.

Bild 5: Donnerkeile oder Hexenfinger: Belemniten aus dem Schwarzjura. Länge bis 11 cm
(Foto: Blume)


Es gibt eine Austernart, die Gryphea, die ein wenig an einen Schuh erinnert. Man kann sie aber auch – wie der Volksmund - für des „Teufels Zehennagel“ halten.

Bild 6: Des Teufels Zehennagel: Auster (Gryphea) aus dem Schwarzjura. Länge 6 cm
(Foto: Blume)

Viele Feuersteine sind so merkwürdig geformt, dass sie die Fantasie vieler Leute anregen. Sie entdecken alles Mögliche darin - so zum Beispiel versteinerte Großtiere. Hier zeigen wir Ihnen zwei schöne Exemplare. Links steht ein Hund (meinetwegen auch ein Löwe oder Esel), zu dem sich graziös eine Seelöwin umdreht...

Bild 7: Scheinfossilien im Feuerstein. Länge des „Seehunds“ 8 cm
(Foto Daggi)

Gerade diese so genannten Motivsteine waren jahrelang Gegenstand wissenschaftlicher Erörterungen. Berüchtigt sind die gefälschten Würzburger Lügensteine, mit denen neidische Kollegen und von denen angeheuerte Studenten einen ihrer auf Paläontologie versessenen Professoren verulkten. Der arme Kerl hat darüber sogar gelehrte Abhandlungen und Bücher verfasst, die mit herrlichen Stichen versehen waren.


Und dann erst die Saurierreste! Die hielt man zuerst für Knochen eines ausgerotteten menschlichen Riesengeschlechts. Später mutierten sie zu Resten richtiger Drachen! Heute weiß man, dass das die Dinosaurier waren und dass sie immer noch leben – in Form ihrer allernächsten Verwandten – den Vögeln.


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Letzte Überarbeitung: 24. Februar 2013, Dagmar Wiechoczek