Fossile Spiralen

Wenn wir uns umsehen, stellen wir fest, dass es überall Spiralen gibt. Wir meinen hier nicht die technischen Spiralen, sondern die der Natur. Aber schon beim Vergleich zwischen einer Uhrfeder oder der Feder im Kugelschreiber erkennen wir, dass es grundsätzlich zwei Formen gibt: Die flachen, zweidimensionalen und die in den Raum ragenden, dreidimensionalen Spiralen.


Zweidimensionale Spiralen
Das sind z. B. die Frühlingstriebe der Farne.

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Bild 1: Adlerfarn
(Foto: Blume)


Solche Flachspiralen haben keine bestimmte Richtung. Je nachdem, von welcher Seite aus man sie betrachtet, sieht man eine Rechts- oder eine Linksspirale. Die Spiralen des Farns sehen übrigens schon aus wie kleine Ammoniten!


Dreidimensionale Spiralen
Wenn aufgrund einer genetischen Veränderung die zweidimensionale Spirale nach außen wächst, gibt es zwei Möglichkeiten - eine Linksspirale oder eine Rechtsspirale. Typisch ist das für Kletterpflanzen. Hier ist das Bild der Rechtsspirale eines Haftorgans der Passionsblume.

Bild 2: Spiraliges Haftorgan einer Passionsblume
(Foto: Blume)


Den Drehsinn der Spirale legt man fest, indem man der Wachstumsrichtung folgt. Bei der Pflanze ist das die Richtung auf die Wachstumsspitze. Bei einer Schnecke gilt das Entgegengesetzte. Hier geht das Wachstum in Richtung auf die Mündung.


Das alles trifft auch auf die Fossilien zu
Die berühmtesten Spiralen sind wohl die Schalen der Ammoniten. Der Normalbürger kennt nur die zweidimensional angeordneten Ammonitenschalen.

Bild 3: Ein und derselbe Ammonit mit seinen beiden Spiralseiten (7 cm) (Arietites vermiformis, Lias Alpha)
(Fotos: Blume)


Von jeder Seite betrachtet haben diese Ammonitenspiralen eine andere Drehrichtung: Gegen den Uhrzeigersinn (linksdrehend; im Bild 3 links) oder mit dem Uhrzeigersinn (rechtsdrehend; im Bild 3 rechts).

In der Kreidezeit gab es so genannte aberrante Ammoniten (lat. aberrare, abirren). Die lösten ihre geschlossene Spirale auf. Zunächst gab es flache, zweidimensionale Schalenformen, die auch „Bischofsstäbe“ genannt werden.

Bild 4: Aberranter Ammonit (Länge 24 cm) (Audouliceras; Kreide)
(Foto: Blume)


Dann verließen die Schalen aufgrund genetischer Veränderungen die Ebene und wanderten in den Raum.

Bild 5: Aberranter Ammonit (Länge 16 cm) (Turrilites; Kreide)
(Foto: Blume)


Dieser Ammonit sieht bereits wie eine rechtsdrehende Turmschnecke aus. Wie kann man ihn von einer Turmschnecke unterscheiden? Ganz einfach: Wenn man ihn vorsichtig zerlegt, kommen seine Kammerwände zu Tage - typische Kennzeichen von Ammoniten.

Schließlich lösen sich die Windungen auch in der dritten Dimension voneinander. Es entstehen Ammonitenformen, die man auch „Korkenzieher“ nennt.

Bild 6: Aberranter Ammonit (Länge 12 cm) (Hyphantoceras; Kreide) (Foto: Blume)


Hier erkennt man, dass es offenbar auch hier zwei Drehrichtungen gibt. So ist der linke Ammonit rechtsdrehend, der rechte linksdrehend. Solche Stücke findet man jeweils in gleichen Mengen.

Das erinnert uns an Turmschnecken wie die Weinbergschnecke. Bei der ist allerdings die Rechtsdrehung deutlich vorherrschend. Nur einmal unter 20.000 gibt es einen Ausreißer mit linksdrehender Schale („Linkser“), den so genannten „Schneckenkönig“.

Aber es gibt auch Schneckenarten, bei denen alle Individuen Linkser sind. Dazu muss man aber genau hinschauen. Bild 7 zeigt eine Ansammlung von fossilen Turmschnecken. Die kleinen Schnecken sehen aus, als seien sie alle linksdrehend.

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Bild 7: Ansammlung von Schnecken-Steinkernen (Länge der Stufe 12 cm) (Oberkreide)
(Foto: Blume)

Aber das stimmt nicht: Man muss zur Bestimmung des Drehsinns in Richtung des Wachstums, also auf die Spitze des Schneckenhauses schauen. Dann erweisen sich auch die kleinen Schneckenkerne als brave „Rechtser“.

Es gibt noch mehr Organismen mit spiralig angeordneten Schalen. Hier ist eine Muschel, bei der die beiden Klappen spiegelbildlich aufgebaut sind. Sie verhalten sich wie die linke Hand zur rechten. Wir sprechen von „Chiralität“ (griechisch chiros, Hand).

Bild 8: Muschel (Breite 7 cm) (Diceras; Weißjura Alpha)
(Foto: Blume)


Weitere Spiralen
Spiralen kennen wir aus allen Bereichen der Natur und deshalb auch in allen Naturwissenschaften, so aus der Astronomie - z. B. die Struktur von Galaxien. Erinnert sei auch an die linksdrehenden Spiralen, die Tiefs auf die Wetterkarten zaubern. Die Spiralität von Molekülen und vor allem deren Chiralität spielen besonders in der Chemie eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang sei an die Linksspirale der DNA erinnert. Wer mehr wissen will, klicke hier.

Interessant sind auch die mathematischen Hintergründe der Spiralen. Um dies zu verstehen, muss man sich etwas in der Mathematik der Polarkoordinaten auskennen. Zu den verschiedenen Spiraltypen gibt es ein empfehlenswertes Buch, in dem die allgemeinen Prinzipien der Strukturbildung in der Natur besprochen werden:

F. Ellenbracht, B. Langenbruch: Architektur des Lebens. Cornelsen - Volk und Wissen, Berlin 2003.


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Letzte Überarbeitung: 27. August 2012, Dagmar Wiechoczek