Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 224
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F: In der E-Mail-Antwort 1191 begründen Sie die Wasserunlöslichkeit des Amylopektins mit der großen Monomerenzahl und den Verzweigungen.
Warum ist dann aber Glykogen, das noch mehr Monomere enthält und noch stärker verzweigt ist, wasserlöslich? So steht es wenigstens im Schulbuch Löwe Biochemie, C.C.Buchner.


A: Glykogen ("tierische Stärke") ist nicht wasserlöslich im Sinne einer molekulardispersen Lösung. Es ist aber quellfähig und bildet bei entsprechender feiner Verteilung kolloidale Lösungen - sogar mehr als Moleküle des Amylopektins. (Die Größe dieser Kolloide ist eine Frage der Temperatur und der Lösungszubereitung - z. B. mit Ultraschall.)
Löslichkeiten hängen zunächst von der Wechselwirkung der zu lösenden Moleküle untereinander ab. Dann kommt noch die Wechselwirkung mit Wassermolekülen hinzu, die das Gitter aufbrechen müssen. Die wird u. a. auch von der Temperatur bestimmt.
Dabei werden die Unterschiede in der Löslichkeit von Sacchariden von sterischen Bedingungen bestimmt. Man denke nur an die unterschiedliche Löslichkeiten von Anomeren wie a- und b-Glucose. Oder a- und b-Lactose.
Bekanntestes Beispiel für Polysaccharide: Die Löslichkeit der linearen Stärkemoleküle unterschiedet sich gravierend von der der linearen Cellulosemoleküle - nur weil eine a- durch eine b-Konfiguration ersetzt wird.
So wirkt sich auch die [1,6]-Bindung der verzweigten Polysaccharide so aus, dass mehr Wassermoleküle gebunden werden können. Da Glykogen mehr dieser Bindungen hat als Amylopektin, ist es besser löslich (genauer: kolloidal löslich!)
Zu genaueren Hintergründen befragen Sie bitte die Fachliteratur. Zur Stärke und zum Amylopektin sowie zur Cellulose finden Sie eine gute Darstellung in dem Buch
H.-D. Belitz, W. Grosch, P. Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie, 5. Auflage, Springer-Verlag, Berlin 2001 (ein empfehlenswertes Buch für Lehrer!)
Übrigens ist das Ganze auch eine Frage der Wahl des Lösmittels. In DMF z. B. ist Stärke auch molekulardispers löslich.


1277
F: Betreff: Ist Homöopathie wirksam?
Man hört viel von Homöopathie und einige Krankenkassen erstatten dafür sogar die Kosten.
Ein großer Teil der Ärzte und ihrer Patienten ist ja von der Homöopathie überzeugt. Soweit ich weiß, beruht diese Behandlungsmethode auf extremer Verdünnung bestimmter z.T. sehr merkwürdiger Substanzen. In diesem Zusammenhang wird ein "Gedächtnis" des Wassers vermutet.
Sind Behandlungserfolge nicht einfach mit dem Placebo-Effekt zu erklären? Zumindest im ökologischen Landbau werden manchmal auch Tiere nach der Methode behandelt. Diese dürften, falls Placebo-Effekt, nicht dadurch geheilt werden können, oder?
Was halten Sie, vom chemischen Standpunkt gesehen, davon?


A: Ich halte nichts davon, auch wenn mich jetzt erfahrungsgemäß Homöopathie-Fans mit Protestschreiben überschütten werden. Es gibt meines Wissens nach keine ernstzunehmende wissenschaftliche Studie, die dieser Behandlungsmethode positive Wirkung bescheinigt. Wenn ich mich erinnere, soll diesen anthroposophischen Mittelchen auch der Medizinstatus entzogen werden. Wer aber daran glaubt, soll es versuchen...
Ich habe schon einmal eine entsprechende "Behandlung" mitgemacht: Meine "Ärztin" (in Bielefeld als die Fachfrau für derlei Schnickschnack berühmt) pendelte mich erst ab, entdeckte dabei, dass ich Rückenprobleme haben müsse (deswegen war ich auf Empfehlung meines damaligen Hausarztes (!) ja gekommen, und das war wegen meiner Operationsnarben auch nicht zu übersehen...), dann ging sie mit dem Pendel zu einem Schrank mit vielleicht Hundert Chemikalienfläschen, pendelte dort wieder, nahm diejenige Flasche heraus, bei der ihr Pendel heftig ausschlug, und schrieb mir eine Verordnung - mit dem verschämten Hinweis, dass ich das wohl selber zahlen müsse. Darauf stand Calcium fluoratum - also Calciumfluorid - in einer Verdünnung, bei der auch der ausgefuchsteste Chemiker nichts wiedergefunden hätte. In einer ganz normalen Apotheke (!) wurde ohne mit den Wimpern zu zucken im Hinterzimmer das Gebräu (wahrscheinlich unter vielen Simsalabims) hergestellt und mir für etwa DM 10.- übergeben. Die hätten mir auch destilliertes Wasser einfüllen können - bei der Verdünnung (das haben die wohl auch getan...). Mich ärgert heute noch, dass ich stattdessen nicht einen meiner schönen Flussspatkristalle abgeleckt habe...
Neben der von der Ärztin ausgewählten Flasche stand übrigens eine mit einer Arsenverbindung. Nachträglich bin ich aber froh, dass das Pendel vorher ausschlug. Stellen Sie sich vor, wenn sich die Apothekerin beim Arsen mal mit der Verdünnung vertut!

Was die Angelegenheit mit der bleibenden Wasserstruktur ("Gedächtnis des Wassers") angeht: Das ist Schwachsinn. Vielleicht war das der Stand der Wissenschaft zur Zeit des Herrn Hahnemann (so - glaube ich - hieß der Begründer der H.). Die Wassermoleküle sind derartig in Bewegung, dass sich da nicht Stabiles ausbilden würde.

Und zum ökologischen Landbau: Ich traue spätestens nach dem PFT-Skandal mit dem Biodünger, bei dem Biobauern mit finanzieller Nachhilfe der Herstellerfirma auf ihren Feldern Industriemüll entsorgt haben, obwohl der nachweislich stank, dem Etikett "Bio" überhaupt nicht mehr... Da können die Biobauern ihre Hühner auch mit homöopathischen Mittelchen voll pumpen, soviel sie wollen.


1278
F: Betreff: Wachstumslösung von NaCl-Kristallen

Ich bin Chemielehrerin an einer Hauptschule. Vielen Dank für Ihre vielen Informationen.
Nun habe ich schön längere Zeit ein Problem, und finde keinen Fehler bei meinen Experimenten. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir helfen würden.
Meine Schüler/innen haben ihre NaCl-Impfkristalle an einen Zwirnfaden gebunden. Ich persönlich habe die Wachstumslösung hergestellt. Dazu habe ich mir viel Zeit genommen und den Kolben längere Zeit mit verschlossenem Stopfen stehen lassen. Ich habe den Kolben gedreht und sogar (nach mehreren Fehlversuchen) etwas Bodensatz im Kolben gelassen, damit ich auch wirklich eine gesättigte Lösung habe. Alle Impfkristalle lösen sich jedoch auf. Nach einem Tag baumelt der Faden mit Schlinge im Kolben. Ich gehe gedanklich von vielen Seiten an das Problem. Ich finde keine Lösung und habe schon viel Zeit investiert.Die Klasse ist mit Begeisterung dabei. Daher bitte ich Sie, mir zu helfen, obwohl mir bewusst ist, dass Ihre Seite von leidigen Zeitgenossen böse missbraucht wurde.


A: Erstens wachsen NaCl-Kristalle ausgesprochen schlecht. Nehmen Sie stattdessen Alaun.
Zweitens sagen Sie, dass Sie "den Kolben längere Zeit mit verschlossenem Stopfen stehen lassen". Dann kann sich natürlich keine gesättigte Lösung einstellen. Also: Eine filtrierte Salzlösung in einem offenen Gefäß eindampfen lassen. Was dann als Lösung über den sich bildenden Kristallen steht, ist gesättigt.
Gehen Sie also genau so vor, wie wir es in unseren Webseiten zur Kristallchemie oder zu Experimenten in der Grundschule beschreiben.
Beachten Sie dabei vor allem auch die Hinweise zur Temperaturkonstanz: Kristalle können Sie am besten in Lösungen züchten, die im Kühlschrank stehen.


1279
F: Können Sie mir einen Tipp geben, wo ich Angaben über die Weltproduktion verschiedener Chemikalien finde? Ich will diese Daten in einer Examenslehrprobe nutzen, um zu verdeutlichen, dass Schwefelsäure die in den größten Mengen hergestellte Säure ist.

Ich wäre Ihnen für eine schnellstmögliche Antwort sehr dankbar. Am besten wäre eine Internetadresse oder ein bekanntes Buch.


A: Wenden Sie sich an der Verband der chemischen Industrie (VCI). Geben Sie bei Google VCI als Suchbegriff ein. Dann wird Ihnen die Kontaktadresse gegeben.


1280
F: Ich habe mal eine Frage zu einem Experiment, ich zerbreche mir schon seit Tagen darüber den Kopf und komme zu keiner Lösung. Ich bin übrigens Schüler der 8. Klasse und hatte erst 1 Jahr Chemie.
Bei dem Experiment löste ich jeweils 1 Tl. Mehl (Weizenmehl Typ 405) in 50ml Wasser lauwarm und 1 Tl. Kartoffelstärke in 50ml Wasser lauwarm und gab zu beiden ½ Tl. Backtrockenhefe. Nach 15-10 Min. fing es in der Mehl-Hefe-Lösung an zu schäumen. Nach meinen Erkenntnissen stieg CO² auf und es bildete sich Ethanol. Folglich konnte sich die Hefe von Glucose ernähren.
Bei der Kartoffelstärkemischung passierte jedoch nichts. Meine Frage lautet nun: Warum reagiert die Hefe mit Weizenmehl, obwohl dies eine Stärke und ein Polysaccharid ist, und die Kartoffelstärke, welche auch eine Stärke und ein Polysaccharid ist, nicht.
Ich würde mich über eine schnelle Antwort sehr freuen.


A: Das ist eine echt gute Frage!
Du musst wissen, dass Hefe gar keine Stärke abbauen kann, weil ihr dazu die Enzyme fehlen. Sie benötigt zu der von dir erwarteten Gärung einfache Zucker wie Glucose, Malzzucker oder Saccharose (Haushaltszucker).
Schon allein daran, dass du ein Mehl mit der Nummer 405 genommen hast, erkennst du, dass es Mehle mit unterschiedlichen Eigenschaften gibt. Nicht jedes Mehl ist zum Backen geeignet. Viele Mehle enthalten zwar viel Stärke, aber zu wenig einfache Zucker. Die müssen ihnen zuvor zugesetzt werden. Andererseits sind im Mehl aber auch noch Enzyme enthalten, die die Stärke spalten. Die arbeiten, während der Teig feucht ist.
Nur dann kann die Hefe ihr Gärungsgeschäft beginnen und das zum Aufblähen des Teigs notwendige CO2 (nebst Alkohol, der beim Backen aber abdampft) herstellen.
Kartoffelstärke (dummerweise oft mit "Mehl" tituliert) enthält herstellungsbedingt keinerlei einfachen Zucker, wird also von der Hefe nicht vergoren. Übrigens vergärt die Hefe nur Traubenzucker (Glucose); mit Haushaltszucker dauert es etwas länger, weil die Hefezellen sich daraus erst Glucose herstellen müssen. Zeitverzögernd wirkt sich dabei vor allem aus, dass sich in den Hefezellen erst die Enzyme zur Saccharosespaltung bilden müssen.

Wenn man aus Kartoffeln mit Hefe Alkohol (wie den Wodka) herstellen will, muss man aus den Kartoffeln erst eine "Maische" machen. Die frische Kartoffel wird zerstampft und in einem warmen Raum sich selbst überlassen. Dabei wirken die Enzyme der Kartoffel, die die Stärke in Malzzucker zerlegen ("Mälzen"). Erst danach kann die Hefe wirken. Beim Bierbrauen ist es ähnlich - aber mit Gerste als Stärkelieferant. Schau in unsere Webseitengruppe zum Thema "Alkohole".

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Letzte Überarbeitung: 24. Januar 2013, Dagmar Wiechoczek