Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 339
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1851
F1: In einer Versuchsbeschreibung des Landolt-Versuches werden Salicylsäure und Ethanol verwendet. Wozu braucht man diese Reagenzien? Die Reaktionen Iodat zu Iodid und Iodid zu Iod sowie Iod wieder zu Iodid benötigen doch eigentlich nur saures Milieu, das durch die Zugabe der konz. Schwefelsäure gewährleistet ist.


A: Die Reaktion funktioniert am besten mit dieser Mischung. Es gibt aber auch Rezepte ohne Salicylsäure. Meines Wissens nach hat Landolt selbst sogar ohne diese Zusätze gearbeitet. Zum Sinn der Zugabe von Salicylsäure und Ethanol: Ich meine, dass der Effekt zunächst einmal die Gewährleistung eines besonderen Redoxpotentials ist. Es ist außerdem möglich, dass sich z. B. iodierte oder sulfonierte Zwischenverbindungen bilden, denn an der Reaktion sind Radikale beteiligt. So baut sich langsam ein Pool von Verbindungen auf, aus dem heraus ab einer bestimmten Konzentration (das heißt Redox-Level) schlagartig Iod freigesetzt wird. Durch Salicylsäure und Ethanol wird der Reaktionsverlauf quasi „abgepuffert“ und besser steuerbar. Zugegeben: Da ist viel Alchemie und Zufall bei.

In diesem Zusammenhang erinnere ich an die ähnlichen oszillierenden Reaktionen, die letztlich ein oszillierender Landolteffekt sind. Formal handelt es sich um die durch Cer katalysierte Bromierung sowie oxidative Decarboxylierung der Citronensäure. Nach langen Untersuchungen hat man herausbekommen, dass man zur Beschreibung der Reaktion in Wirklichkeit von mindestens 15 verschiedenen, teilweise radikalischen Unterreaktionen ausgehen muss, die z. T. auch noch autokatalytisch sind.

Außerdem gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Rezepten für die oszillierenden Reaktionen, bei denen mit ganz anderen Verbindungen als in der klassischen Belousov-Zhabotinskii-Reaktion gearbeitet wird.


F2: Herzlichen Dank für die schnelle und umfassende Antwort. Der Versuch funktionierte wunderbar und die Auswertung wird mir somit erleichtert.


1852
F: Salze lösen sich in Wasser, da Salze aus Ionen bestehen und Wasser ein polares Lösungsmittel ist. Einige Salze wie z. B. Silbernitrat (2150 g/l) lösen sich sehr gut in Wasser, andere Salze wie z. B. Silberchlorid (1,9 mg/l) lösen sich sehr, sehr schlecht in Wasser. Gibt es eine Erklärung für diese unterschiedliche Löslichkeit der Salze?


A: Lösen von Salzen bedeutet, dass geladene Ionen von Wasserdipolen aus dem Kristallgitter gelöst werden.

Zur Beurteilung der Löslichkeit eines Salzes müssen Sie die Wechselwirkung zweier Kräfte bzw. Energien berücksichtigen und gegeneinander aufwiegen:
1. Elektrostatische Anziehung zwischen den unterschiedlich geladenen Ionen, was zur Stabilität des Gitters beiträgt. (Man spricht von Gitterenergie bzw. Gitterenthalpie.)
2. Elektrostatische Dipol/Ion-Wechselwirkung zwischen den Wassermolekülen und den Ionen.

Wenn die erstere kleiner ist als die zweite, lösen sich die Salze.
Wenn erstere größer ist als die zweite, lösen sich die Salze nicht oder kaum.
Dazwischen gibt es alle möglichen Übergänge.

Man kann nun noch weitere Effekte diskutieren, die den einen oder anderen Punkt verstärken.

  1. Nicht zu geringe Wassermenge
  2. Ladungszahl der beteiligten Ionen
  3. Ionengröße
  4. Polarisierbarkeit, also Verformbarkeit der Ionen im elektrischen Feld…
  5. Temperatureffekt

Und so weiter.

Beim Lösen von anderen, nicht-ionischen Stoffen wie Zucker kommt es ebenfalls auf die Wechselwirkung zwischen den Molekülen im Molekülgitter (hier Wasserstoffbrücken und van der Waals-Kräfte) und zwischen dem freien Zucker-Molekül und den es einhüllenden Wassermolekülen an.


1853
F: In unserer Schule (einem Schweizer Gymnasium) machen meine Freundin und ich eine Versuchsreihe zum Thema Milch. Die Herstellung von Milchpulver würde uns sehr interessieren, jedoch scheinen die Methoden der Trocknung (Walzentrocknung, Sprühtrocknung) eher aufwendig zu sein.

Gibt es die Möglichkeit, Milchpulver herzustellen im schulischen Rahmen? Wenn ja, wie?


A: Zur Herstellung von Milchpulver trocknet man Milch zunächst über Dünnschichtverdampferanlagen auf 30-55 % Trockenmasse vor. Dann wird die Masse auf eine auf 100-130 °C beheizte Walze aufgetragen (Walzentrocknung) oder in einem Sprühturm in strömender heißer Luft bei 150-250 °C versprüht (Sprühtrocknung). Dabei beträgt die Kontaktdauer nur wenige Sekunden, da es sonst zur chemischen Veränderung der Milchbestandteile kommt. Stichwort: Maillard-Reaktionen.

Ich muss Sie also enttäuschen: Ich kann Ihnen keinen Tipp geben. Vor allem ist die präzise Einstellung und Konstanthaltung eines sehr engen Temperatur- und Druckfensters wichtig. Das ist im Schul/Uni-Labor ohne großen Aufwand nicht zu schaffen.

Sie werden wohl nur angebrannte Milch herstellen.


1854
F1: Zuerst auch von meiner Seite ein großes Lob an Sie für den Betrieb Ihrer tollen Website. Mein Chemielehrer hat mir diese für mein bald anstehendes Referat empfohlen und ich werde sie sicher auch in Zukunft besuchen. Vielen Dank.

Nun habe ich noch eine Frage an Sie. Wie zuvor erwähnt, halte ich bald (genauer gesagt am kommenden Mittwoch) ein Referat über die Denaturierung von Proteinen. Das Thema möchte (und soll) ich meinen Mitschülern anhand Ihres Versuchs "Fällung von Proteinen durch verschiedene Einflüsse" nahe bringen.
Ich muss leider zugeben, dass Chemie nicht zu meinen Stärken gehört, daher wird es eine Herausforderung für mich, den Versuch zu erklären.
Mein Lehrer möchte Genaueres zum Kupfersulfat hören, aber ich weiß nicht, was genau das Kupfersulfat bewirkt oder welche Rolle es in dem Versuch spielt, bzw. was zu beobachten ist. Auch zur Ammoniumsulfat-Lösung habe ich bisher nicht viel gefunden. Ich habe mir die Hintergründe zum Versuch auf Ihrer Seite durchgelesen, war mir aber nicht sicher, ob ich damit den Versuch erklären kann.

Können Sie mir genaueres zu diesem Versuch berichten oder kennen Sie eine Seite, auf der ich fündig werde, denn ich finde allgemein nicht viele Informationen zu diesem Versuch.


A1: (Hinweis: Wegen des allgemeinen Interesses haben wir hierzu die Webseite „Zu den Mechanismen der Proteinfällung“ gemacht. Klicke hier.)


F2: Vielen, vielen Dank für die schnelle und ausführliche, informative Antwort. Jetzt wird mir einiges klar.


1855
F: Ich unterrichte das Fach Mathematik-Naturwissenschaften an einer Realschule und habe im Unterricht die Abhängigkeit der chemischen Reaktion von der Außentemperatur untersucht (RGT-Regel).
Dabei habe ich Magnesium zu verdünnter Schwefelsäure gegeben und das Reagenzglas jeweils in ein Wasserbad mit
a) Eis
b) Raumtemperatur
c) 70 ° C erwärmtes Wasser
gegeben.

Man sollte vermuten, das die chem. Rkt. im warmen Wasser schneller abläuft. Aber bei allen 8 Gruppen verlief die Reaktion im Wasserbad mit Eis oder bei RT schneller und ziemlich genau mit fast der gleichen Zeit!
Wo liegt hier das Problem, dass ich die RGT-Regel hier nicht beweisen konnte?


A: RGT steht für Reaktions-Geschwindigkeit und Temperatur.

Zu Ihrem Versuchsergebnis gibt es Verschiedenes zu überlegen.

1. Waren die Gläschen samt der darin enthaltenen Schwefelsäure wirklich auf die richtige Temperatur gebracht worden, bevor die Schüler das Mg eingeworfen haben? (Messung der T im Gläschen und nicht im Wasserbad.)
2. Waren die Mg-Mengen immer gleich?
3. Die Reaktion ist stark exotherm. Wie haben Sie verhindert, dass sich die Lösungen nicht alle auf eine ähnliche Temperatur aufheizen?
4. Die deutliche Demonstration der RGT-Regel setzt voraus, dass der Q10-Faktor (das heißt der Faktor, um den die Reaktionsgeschwindigkeit sich bei einer T-Steigerung um 10 °C oder 10 K erhöht) weit weg ist von 1. Bei der von Ihnen gewählten Temperatur ist das nicht anzunehmen. Die Reaktion zwischen Mg und H2SO4 ist so heftig, dass sich eine T-Änderung nicht allzu stark auf eine Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit auswirken sollte.

Vielleicht nehmen Sie statt Magnesium grobes Zink (Granalien) oder entfettetes grobes Eisen (z. B. einen Billignagel in verdünnte Schwefelsäure (c = 0,1 mol/L) stellen).

Zu überlegen wäre auch die Zersetzung von 3%igem H2O2 mit einem "müden" Katalysator wie Kalium-iodid, Kupfer(II)-sulfat oder Eisen(III)-chlorid.

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Letzte Überarbeitung: 11. November 2012, Dagmar Wiechoczek