Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 362
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1966
F: Können Sie mir möglichst einfach für Anfänger den Unterschied zwischen Anorganischer und Organischer Chemie nennen?


A: Diese Frage kann man auf verschiedenen Erkenntnis-Ebenen beantworten. Am einfachsten kann man das anhand einer Stoffeigenschaft machen:

Natürlich vorkommende anorganische Stoffe brennen bis auf wenige Ausnahmen (wie Schwefel) nicht, natürlich vorkommende organische Stoffe lassen sich dagegen alle verbrennen.

Früher sagte man, dass sich die Organische Chemie ausschließlich mit den Eigenschaften und Reaktionen von Kohlenstoffverbindungen (außer denen der Oxidationsstufe +IV) befasst, die Anorganische Chemie mit den Eigenschaften und Reaktionen der restlichen Elemente. Heute muss man feststellen, dass die Übergänge fließend sind. Das wird ganz besonders deutlich bei der Komplexchemie, der Katalysechemie sowie bei der Biochemie.


1967
F: Wir haben in unserem Garten zu groß geratene Lebensbäume gefällt. Das Holz wollen wir in unserem Kaminofen verfeuern. Nun hat uns jemand gesagt, dass das Holz ein bis zwei Jahre ablagern muss. Sonst nähme der Ofen Schaden. Wieso?


A: Frisches Holz enthält erst einmal viel Wasser. Das verhindert, dass viele Inhaltsstoffe des Holzes vollständig verbrennen, sich also zu CO2 und Wasser umsetzen. Vielmehr trägt der Wasserdampf diese Inhaltsstoffe aus dem Brennbereich hinaus. Alles zusammen erzeugt den bekannten Rauch von brennendem Frischholz. Rauch besteht nicht nur aus Wasserdampf, sondern enthält Aerosole aus schädlichen Bestandteile, die man zu den Feinstäuben zählt.

Problematisch ist vor allem das Harz bei frisch gefälltem Koniferenholz (dazu gehören auch die Lebensbäume und die Eiben). In lebendem und frischem Holz sind Vorläuferbestandteile des Harzes in Wasser suspendiert. Das ist die Flüssigkeit, die frisch geschlagenes Koniferenholz „ausschwitzt“.

Harzaustritt bei frisch gefällter Fichte
(Foto: Blume)


Diese Suspension kann - wenn man sie an die Hände bekommt - noch gut abgespült werden. Das bekannt klebrige Harz dagegen bildet sich erst langsamer. Dahinter stecken Polymerisationsprozesse, die u. a. auch durch Sauerstoff und durch Lichteinstrahlung gefördert werden. Dieses zunächst klebrige, zähflüssige Harz verändert sich beim längeren Lagern zu einer glasartigen Masse, dem eigentlichen Harz.

Beim Verbrennen von Frischholz werden die Bestandteile der Suspension mit dem Wasserdampf extrahiert. Sie schlagen sich an den kälteren Stellen des Ofens (in den so genannten „Zügen“) nieder, wo sie rasch beginnen, auszuhärten. Dadurch kommt es zur Störung von Zu- und Abluft des Ofens und zu gefährlichen Bränden. Betroffen ist vor allem auch der Schornstein, der auf diese Weise mit einer glänzenden Polymeren-Schicht regelrecht ausgekleidet sein kann. (Das Gleiche beobachtet man übrigens auch, wenn man verbotenerweise Kunststoffe im Ofen verbrennt.)

Hartes Harz brennt dagegen gut ab. Zur Förderung der Polymerisations- und Härtungsprozesse muss man also dafür sorgen, dass das Holz möglichst rasch zerkleinert wird und längere Zeit an frischer Luft (im Wind) und vor Regen geschützt ablagert. Fachleute sprechen von mindestens zwei Jahren Dauer.


1968
F1: Um zu zeigen dass kleine Änderungen in einem Molekül große Wirkungen haben können, lasse ich meine Schüler immer ein wenig D-Glucose und D-Galactose probieren und den Geschmack vergleichen.
Nun kam die Nachfrage: Wenn die unterschiedlich schmecken - wie sieht es dann mit L-Glucose aus? Schmeckt die auch anders? Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung! Meines Wissens sind auch Zitronen- und Orangenaroma jeweils nur Enantiomere voneinander, es wäre also nicht unplausibel zu vermuten, dass auch L-Glucose und D-Glucose unterschiedlich schmecken.

Wissen Sie da zufällig mehr? Oder kennen Sie eine Quelle für L-Glucose? Ich würde mich über eine Antwort sehr freuen und nutze die Gelegenheit um mich für Ihr tolles Medienangebot zu bedanken!


A1: Das ist eine gute Frage. Man kann das nicht so generell sagen, denn das ist eine Frage der geometrischen Konfiguration von Geschmacksrezeptoren. Z. B. schmeckt D-Asparagin süß, das L-Isomere ist dagegen ohne Geschmack. Letzteres passt nicht in den Rezeptor für die D-Form.

Bei der Glucose dagegen schmecken beide Isomere gleich süß, weil beide Formen in den gleichen Rezeptor passen.

Wenn Sie dazu etwas nachlesen wollen:

H.-D. Belitz, W. Grosch, P. Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie; Springer-Verlag, 6. Auflage, Berlin Heidelberg New York 2008.

Kapitel: 4.2.3 Sensorische Eigenschaften (S.262 ff).

Eine Quelle für L-Glucose kenne ich auf die Schnelle nicht.


F2: Vielen Dank für die Antwort. Das genannte Buch werde ich ausfindig machen!


A2: Das Buch gehört eigentlich in jede Schulbibliothek!


1969
F: Ich habe noch Goldzähne vom Opa herumliegen. Jetzt will ich das Gold verkaufen und glaube, dass die Zähne daran die Wägung erschweren. Wie bekomme ich die Zähne klein? Zerschlagen kann ich die ja wohl nicht, weil sie viel härter sind als das Gold.


A: Reines Gold ist zu weich, deshalb verwendet man zum Zähnereparieren kein reines Gold, sondern Goldlegierungen.
Gold ist aber chemisch stabil gegen den Angriff von gängigen Säuren. Das gilt aber nicht für den Zahnschmelz. Den können Sie z. B. mit Citronensäure zersetzen. Legen Sie die Zähne dazu einige Tage lang in 20-30%ige Citronensäure. Die gibt es fertig als Lösung zu kaufen oder rein als Feststoff in der Apotheke.

Was dabei chemisch abläuft, erklären wir hier.


1970
F: Bei uns werden in der Nachbarschaft Wiesen gemäht. Jetzt duftet es wieder tagelang süßlich. Wie entsteht die Vanille?

Heuernte (Foto: Blume)


A: Es handelt sich nicht um Vanille. Der süße Duft wird in diesem Fall von einem anderen Stoff verursacht: Cumarin. Das ist bekannt als Duftstoff von Waldmeister. Nun gibt es auf der Wiese keinen Waldmeister. Cumarin kommt aber auch in anderen Wiesen-Pflanzen vor, z. B. in Klee.

Cumarin liegt zunächst als nicht sonderlich duftende Verbindung mit einem Zucker als so genanntes Glykosid vor. Duftendes Cumarin wird erst freigesetzt, wenn die Pflanzen verletzt werden. Es handelt sich um eine durch spezielle Pflanzen-Enzyme (Hydrolasen) katalysierte Reaktion, so dass sich der Duft nicht augenblicklich, sondern relativ langsam einstellt. Da Cumarin ein Feststoff ist (Schmelzpunkt 70 °C), der nur langsam sublimiert, bleibt der Duft der Heuernte einige Tage erhalten.

Wenn das Cumarin-haltige Heu nicht trocknet, sondern feucht bleibt, kann es zu gären beginnen. Dabei bilden Bakterien aus zwei Molekülen Cumarin eine neue Verbindung, Dicumarol.

Dicumarol ist als Antagonist von Vitamin K ein Blutgerinnungshemmer und sorgt bei den Tieren, die das Heu fressen, für starke innere Blutungen. Deshalb verwendet man es auch als Rattengift.

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Letzte Überarbeitung: 09. November 2012, Dagmar Wiechoczek