5 Warum die Behandlung naturwissenschaftlicher Experimente
sinnvoll in der Grundschule ist
Der Entwicklungspsychologe Erik H. Erikson schreibt in seinem Aufsatz über das Wachstum der gesunden Persönlichkeit
über das epigenetische Prinzip, nach dem sich die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen in unterschiedliche Krisen
vollzieht [7].
Erikson zufolge befinden sich Kinder im Vor- und Grundschulalter in einer Identitätskrise, die er als "Werksinn
gegen Minderwertigkeitsgefühl" bezeichnet. Dem Wortlaut nach ist diese Krise durch einen starken Tatendrang des Kindes
gekennzeichnet. Kinder in dem Alter wollen demnach ihre Welt erkunden und stoßen dabei auf viele Naturphänomene, die
ihnen Fragen aufgeben.
Hierbei kann die Grundschule einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung solcher Alltagserscheinungen aus der
Erfahrungswelt der Kinder mit Hilfe von Experimenten leisten.
Der Frage, ob eine Behandlung naturwissenschaftlicher Experimente bereits in der Grundschule sinnvoll ist, soll
im Folgenden nachgegangen werden.
Ein experimentell orientierter Unterricht bietet den Schülern viele Vorteile. So ermöglicht er den Kindern nicht
nur Abwechslung und Spannung bei der Vermittlung von Lehrinhalten, sondern er kommt auch dem natürlichen Bewegungsdrang
der Kinder zugute.
Nach Kornelia Möller werden Kinder durch ein handlungsintensives Lernen, wie es bei der Durchführung von
naturwissenschaftlichen Experimenten der Fall ist, motorisch gefordert [6]. Zusätzlich wird von ihnen ein hohes
Maß an Eigenaktivität verlangt. Dadurch wird eine momentane Aktivierung sowie die Motivation der Schüler erreicht.
"Die hohe Motivation und die dadurch auch erhöhte allgemeine physiologische Aktivierung fördern das langfristige
Behalten der mit dem Handeln verbundenen Inhalte" (Kornelia Möller 1983, S. 178 ff.). Hierbei ist die subjektive
Bedeutsamkeit des Lerngegenstandes für die Kinder von großer Wichtigkeit.
Aus pädagogischer Sicht sind naturwissenschaftliche Experimente in der Grundschule nicht nur in Hinsicht auf die
Selbständigkeit der Schüler sinnvoll, sondern auch in Bezug auf das Zusammentreffen der Kinder aus unterschiedlichsten
Kultur- und Religionskreisen.
Denn es wird bei der Durchführung von Experimenten in Partner- oder Gruppenarbeit neben der Kooperationsfähigkeit
und Teamfähigkeit der Schüler auch das Zusammengehörigkeitsgefühl der Kinder untereinander gefördert.
Die tägliche Begegnung der Kinder mit chemischen Stoffen oder Reaktionen wie sie z. B. im Haushalt in Form von
Haushaltsreinigern oder bei der Zubereitung von Speisen (Backen eines Kuchens) vorkommen, spricht zusätzlich für
eine experimentelle Auseinandersetzung mit diesen Inhalten im Grundschulalter.
Durch chemische Experimente werden die Kinder bereits zu Beginn ihrer Schullaufbahn an eine wichtige
wissenschaftliche Arbeitsmethode herangeführt und lernen dabei die Einhaltung von Sicherheitsregeln sowie
das Beobachten, Untersuchen, Deuten und Argumentieren der Versuche bzw. der Versuchsergebnisse.
Bei der Auswahl von Experimenten in der Grundschule sollte darauf geachtet werden, dass die Versuche an die
Lebenswirklichkeit der Kinder anknüpfen bzw. sie einen Bezug zu ihrer Erfahrungswelt darstellen, um somit ein
Interesse an naturwissenschaftlichen Themen möglichst schon im Kindesalter zu fördern.
Durch gelungene Experimente gewinnen die Schüler ein positives Bild von der Chemie als Naturwissenschaft,
welches sich dann eventuell auch auf die weitere Schullaufbahn auswirken könnte.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass durch die Behandlung naturwissenschaftlicher Experimente in der Grundschule die sinnliche Erfahrung von Schülern sowie deren soziale und sprachliche Kompetenzen gefördert werden. Trotz des erhöhten Arbeits- und Materialaufwands für den Lehrer sollten Experimente aufgrund ihrer positiven Einflussnahme auf die Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes zu einem festen Bestandteil eines jeden Sachunterrichts werden.