Wie Indigo auf der Faser haftet

Indigo hat abgesehen von seiner schönen Farbe viele Nachteile und ist eigentlich gar kein idealer Farbstoff.

Zum einen lässt sich Indigo nur schwer auf die Faser bringen. Deshalb muss man ja zur aufwendigen Küpenfärbung greifen. Dann haftet einmal fixiertes Indigo nur schlecht auf der Faser und wird bei häufigen Waschen ausgespült. Auch mechanische Beanspruchung bekommt ihm nicht gut. Man sagt, dass er nicht abriebfest ist. Last but not least ist er empfindlich gegen Umwelteinflüsse, z. B. gegen Ozon oder Hydroxylradikale.

Es ist erstaunlich, dass ein derartig komplexes und dazu noch völlig planares Molekül wie das des Indigos nicht besonders gut haftet. Denn wenn wir uns das Molekül ansehen, könnten wir uns durchaus Bindungsmöglichkeiten vorstellen.


Vorneweg sei gesagt: Indigo nimmt man vor allem zum Färben von Baumwolle, also von Cellulose.

Als mögliche Ursache der Fixierung des Farbstoffs auf der Faser sind einmal Wasserstoffbrücken zwischen den Molekülen des Indigos und den OH-Gruppen der Glucosereste der Cellulose zu nennen. Die Indigomoleküle sind jedoch nicht polar genug, um ausreichend Wasserstoffbrücken auszubilden.

Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die Wasserstoffbrücken sind wegen der Bindungen zwischen den Carbonylgruppen (CO) und Iminogruppen (NH) intramolekular abgesättigt.

Hinzukommt, dass die als H-Brücken-Rezeptoren wirkenden freien (nichtbindenden) Elektronenpaare an O und N quasi anders beschäftigt sind, nämlich durch die Mesomerie des Chromophors, an der sie mehr oder weniger direkt beteiligt sind.

Des Weiteren bilden die Indigo-Moleküle sofort zusätzlich H-Brücken zu anderen Indigomolekülen aus, wenn sie beim Verhängen oxidiert werden. Sie bilden deshalb quasi „in statu nascendi“ rasch Kristalle. Sie ziehen deshalb nicht molekulardispers auf die Faser auf, sondern legen sich mikrokristallin, also quasi wie schlecht haftender Feinstaub zwischen die Molekülketten der Cellulose.

Als weitere wichtige Bindungskräfte zwischen Farbstoff und Faser kommen noch die unpolaren van der Waals-Wechselwirkungen infrage. Darauf beruhen Bindungen zwischen den planaren Gerüsten der Indigomoleküle und den mehr oder weniger flachen unpolaren C-Gerüsten der Glucosereste der Cellulose. Van der Waals-Bindungen sind jedoch ausgesprochene Nahordnungskräfte und sind deswegen nicht sonderlich stabil.

Das alles macht Indigo zu einem Farbstoff, der nicht abriebfest ist.

Was eigentlich ein Nachteil ist, ist heute modisch begehrt. Man bevorzugt gegenwärtig abgetragene Kleidung, weil damit das Flair ausstrahlt, ein aktiver Mensch zu sein. Weil das bekanntlich für die meisten Menschen nicht zutrifft, hilft man thermisch und mechanisch nach.

So wäscht man die Kleidung zusammen mit Steinen und erhält auf diese Weise das Muster einer rundherum abgetragenen, eben „stone-washed“ Klamotte. Man sieht aber auch Hosen, bei denen nur Flecken heller sind, z. B. auf den Knien oder Oberschenkeln. Dieses gezielte Ausbleichen erreicht man, indem man die frisch gefärbte Klamotte an den entsprechenden Stellen mit Sandstrahlgebläsen traktiert. Dazu werden mit speziellen Messern die Fasern aufgeraut und künstlich beschädigt.


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Letzte Überarbeitung: 09. April 2014, Dagmar Wiechoczek