Ammoniaksynthese und Ammoniakverbrennung

Experimente:
Versuch: Ammoniaksynthese
Versuch: Ammoniakverbrennung


Die Zunahme der Bevölkerung steigerte die Nachfrage nach Stickstoffdüngern. Der Bedarf konnte aus den bisherigen Quellen nicht mehr gedeckt werden. Andererseits bestehen 78 % unserer Atmosphäre aus diesem Element. Deshalb wurde schon im letzten Jahrhundert versucht, Stickstoffverbindungen mit Wasserstoff und Sauerstoff direkt aus den Elementen zu synthetisieren. Das Problem ist: Stickstoff ist chemisch äußerst inert. Zur Herstellung von Verbindungen mit anderen Elementen sind hohe Reaktions- oder Aktivierungsenergien notwendig.


Stickstoff ist inert
Das Stickstoffmolekül ist äußerst stabil. Seine Dissoziationswärme beträgt 942 kJ/mol. Damit benötigt man zum Aufbrechen der Bindungen mindestens 1000 °C.
Bei der so genannten Luftverbrennung erhitzt man Luft im Lichtbogen. Hier ahmt man die Natur nach: Bei Gewittern laufen ähnliche Vorgänge ab. Die Lage dieses endothermen Bildungsgleichgewichts ist sehr ungünstig. Bei 2000 °C enthält das Gleichgewichtsgemisch nur 1 % NO. Danach sinkt der Anteil wieder, weil die Aktivierungsenergie der Rückreaktion überschritten ist und letztere begünstigt wird.

Eleganter ist es, das Dreifachbindungssystem des Stickstoffs durch Wechselwirkung mit einem anderen Stoff zu lockern und damit einen Umsatz einzuleiten. Dies geschieht an den Oberflächen von heterogenen Katalysatoren wie Eisen. Damit wird die Aktivierungsenergie herabgesetzt und der Stickstoff in die Lage versetzt, auch unter annehmbaren Bedingungen mit anderen Elementen zu reagieren.

Ein Beispiel hierfür ist die Ammoniaksynthese von Haber und Bosch (-> Versuch).


Herstellung der Reaktionsgase
Stickstoff erhält man durch Luftverflüssigung nach dem Lindeverfahren und fraktionierter Destillation. Den Wasserstoff stellte man durch Reformieren petrochemischer Produkte wie Erdgas oder anderer, auch langkettiger Kohlenwasserstoffe bei Temperaturen zwischen 700-900 °C her. Katalysator ist Nickel.

CH4 + H2O ———> CO + 3 H2

Das Kohlenmonoxid ist ein Katalysatorengift, das leicht mit Eisen, dem Katalysator bei der Ammoniaksynthese, reagiert. Es muss entfernt werden. Das geschieht wiederum unter Wasserverbrauch, diesmal aber an einem Eisen/Kupfer-Kontakt.

CO + H2O ———> CO2 + H2


Das Ammoniaksynthese-Gleichgewicht
Chemische Gleichgewichte lassen sich verschieben. Als Veränderliche kommen Druck, Temperatur und stoffliche Zusammensetzung in Frage.

Da Gase beteiligt sind, ist das Gleichgewicht zunächst druckabhängig. Je größer der Druck ist, desto mehr sollte sich das Gleichgewicht in Richtung auf die Bildung von NH3 verschieben. Dies hat technische Grenzen: Die Reaktoren sind aus Stahl, einer Eisenlegierung mit Kohlenstoff. Stahl wird unter Einwirkung von Wasserstoff entkohlt, es bildet sich Methan. Weicheisen bleibt zurück. Irgendwann muss der Reaktor platzen. Deshalb konstruierte Bosch Durchfluss-Reaktoren aus kohlenstofffreiem Weicheisen, die mit Stahltrossen umwickelt werden und 200 atm Druck aushalten (sog. Wickelöfen).

Zur Temperatur als nächstem Parameter: Die Bildung von Ammoniak ist exotherm, also sollte Abkühlung die Reaktion fördern. Die Reaktion muss aber auch aktiviert werden. Die Aktivierungsenergie liegt bei 220 kJoule/mol NH3, ist also viel größer als die freiwerdende Energie der gesamten Reaktion. Damit wäre die Rückreaktion begünstigt. Aktivierungsenergien senkt man mit Katalysatoren, hier mit Eisen. Es senkt die Dissoziationsenergie des Stickstoffmoleküls auf etwa 100 °C. Damit kann die Reaktion schon bei Temperaturen um 250-400 °C ablaufen.
Die Katalysatormasse ist zunächst oxidisches Eisen mit Promotoren wie Aluminiumoxid sowie Oxide von Ca, Mg und K. Bei Beginn der Reaktion wird das Eisenoxid reduziert; es bildet sich eine poröse Eisenkristallmasse, die (dotiert mit den Oxiden der o. a. Promotoren) die katalytische Wirkung ausübt.
Die Katalyse stellt man sich als Chemisorption vor, wobei schrittweise N2 und 3 H2 in 2 NH3 überführt werden.

Weil diese Reaktionen auch rückwärts laufen können, haben wir hier die Begründung für das Vorliegen eines chemischen Gleichgewichts.

Weiter verschiebt man das Gleichgewicht durch ständige Entfernung des Produkts. Dazu leitet man die Mischung durch kaltes Wasser, in dem sich Ammoniak hervorragend löst (700 l NH3 in 1 l Wasser bei 25 °C). Bei der Düngemittelherstellung führt man die Gase direkt in Schwefel- oder Phosphorsäure.

Bei 500 °C und 1 atm enthält die Gleichgewichtsmischung nur 0,13 Vol% NH3. Bei 500 °C und 200 atm steigt der Anteil schon auf 17,6 Vol% NH3. Dies ist auch gleichzeitig der technische Kompromiss. Der Wert reduziert sich allerdings noch auf 11 Vol%, weil die kurze Verweildauer der Gasmischung wegen der Durchflusstechnik an der Oberfläche des Katalysators nicht zur vollständigen Gleichgewichtseinstellung ausreicht.
Heute arbeitet man bei Temperaturen von 450-500 °C und einem Druck bis 350 bar. Die Ausbeute beträgt dann 20-25 Vol% Ammoniak. Das führt übrigens zu einem Energiebedarf von ca. 600 kWh/t Ammoniak.


Die biologische Stickstofffixierung
Symbiotisch lebende Wurzelknöllchenbewohner oder Bodenbakterien besitzen ein ausgefeiltes Reaktionssystem zur Stickstofffixierung, mit dem sie Ammoniak vergleichsweise günstig, umweltschonend und isotherm, d. h. ohne Abwärme synthetisieren. Dafür sorgt ein Enzymsystem, der Nitrogenasekomplex, der die Aktivierungsenergie bedeutend herabsetzt, indem er die Reaktion in viele kleine Schritte zerlegt und dabei die optimale Ausrichtung der beteiligten Moleküle bewirkt. Die Nitrogenase enthält im aktiven Zentrum übrigens Komplexe mit Molybdän oder Vanadium sowie Eisen. Haber und Bosch waren also, ohne es zu wissen, auf die gleiche Spur geraten wie die Evolution.

Die Bakterien reduzieren den Luftstickstoff bis zur Wertigkeitsstufe von Ammoniak. Als Reduktionsmittel dienen Stoffe wie NADH und NADPH, also letztlich Wasserstoff aus Verbindungen wie den Kohlehydraten, die die Bakterien von den mit ihnen in symbiotischer Gemeinschaft lebenden Pflanzen erhalten. Die Reduktionsenergie wird in der Form von ATP, der bekannten Energiewährung der Zelle, eingesetzt.


Ammoniakverbrennung und Salpetersäure
Ammoniak - also gebundenen Stickstoff - kann man wesentlich leichter als elementaren Stickstoff in seine Oxide überführen als die Elemente N und O.

2 NH3 + 5/2 O2 ———> 2 NO + 3 H2O;    D H = 453 kJ

Dies geschieht an großen Drahtnetzen, die aus Platinmetallen gefertigt werden (-> Versuch). Es entstehen Stickstoffoxide, die mit Wasser umgesetzt letztlich zu Salpetersäure reagieren.

Mit der Salpetersäure lassen sich beispielsweise Sprengstoffe herstellen.


Resumee
Die Kehrseite der Düngerchemie ist somit die Sprengstoffchemie. Haber und Bosch wurden deshalb so großzügig unterstützt, weil das deutsche Kriegsministerium, angesichts der zunehmenden Isolierung Deutschlands, sich mehr und mehr von den natürlichen Salpetervorkommen der Welt abgeschnitten sah und von der Bedeutung der Ammoniaksynthese für die Salpetersäuregewinnung überzeugt werden konnte.

Nach der großtechnischen Stickstofffixierung erfuhr die Stickstoffchemie einen großen Aufschwung, besonders in der geschätzten Farben-, Medikamenten- und Kunststoffindustrie (um nur einige Beispiele zu nennen).

Sieht man einmal von der Verwendung in Sprengstoffen ab, so waren Stickstoff und seine Verbindungen weitgehend positiv beurteilte Stoffe. (Sprengstoffe brauchte man schließlich auch beim Straßen- oder Staudammbau oder bei der Gewinnung von Baumaterial im Steinbruch.) Das hat sich heute wegen Überdüngung und Trinkwasserproblematik sowie der Stickoxide in der Atmosphäre geändert.


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Letzte Überarbeitung: 31. August 2001, Dagmar Wiechoczek