Historisch-Etymologisches zum Begriff "Katalysator"

Heiner Schönemann

Schaust du in ein Lexikon, um zu erfahren, woher der Begriff Katalyse stammt, so erfährst du von seinem griechischen Ursprung: Dort bedeutet es etwa "Auflösung".

In der chemischen Literatur taucht der Begriff Catalysis erstmalig vor etwa 400 Jahren auf, und zwar in der 1597 erschienenen Alchemia des Andreas Libavius (1550 - 1616).
Dort wird er in der klassisch-griechischen Bedeutung im Sinne von Auflösung verwendet: "... Catalysis, wobei ein Ganzes in seine in sich geschlossenen Bestandteile (partes integrales) aufgelöst wird, aus denen es zusammengesetzt war". [1]

Der Begriff verschwindet dann aus der Fachsprache und wird erst 1835/36 von dem Schweden Jöns Jacob Berzelius (1779 - 1848) wieder eingeführt, und zwar in der heutigen Bedeutung und ohne Bezug auf Libavius. Berzelius wollte dabei eine Reihe von Experimenten deuten, die zu der Zeit gerade Furore machten:
- Die Zündung eines Wasserstoff-Luft-Gemisches in Anwesenheit von Platin (Döbereiner-Feuerzeug, 1823).
- Die durch Platin bewirkte Verbrennung von Alkohol- oder Etherdämpfen.
- Die durch konzentrierte Schwefelsäure bewirkte "Verätherung von Alkohol" (Ether aus Ethanol), die sein Schüler E. Mitscherlich (1794 - 1863) 1834 entdeckt hatte.

Dabei geht Berzelius von einer "neuen Kraft" aus, die diese Reaktionen bewirkt. Hier ein Zitat aus seiner Arbeit [2]:

"Es ist also erwiesen, dass viele, sowohl einfache als zusammengesetzte Körper (also Elemente oder Verbindungen), sowohl in fester als in aufgelöster Form, die Eigenschaft besitzen, auf zusammengesetzte Körper einen, von der gewöhnlichen chemischen Verwandtschaft ganz verschiedenen Einfluss auszuüben, indem sie dabei in dem Körper eine Umsetzung der Bestandteile in anderen Verhältnissen bewirken, ohne dass sie dabei mit ihren Bestandteilen notwendig selbst Theil nehmen, wenn dieß auch mitunter der Fall sein kann. ...
Ich werde sie daher, um mich einer in der Chemie wohlbekannten Ableitung zu bedienen, die katalytische Kraft
(auch im Original kursiv gesetzt) der Körper und die Zersetzung durch dieselbe Katalyse nennen, gleichwie wir mit dem Wort Analyse die Trennung der Bestandteile der Körper, vermöge der gewöhnlichen chemischen Verwandtschaft, verstehen. Die katalytische Kraft scheint eigentlich darin zu bestehen, dass Körper durch ihre bloße Gegenwart, und nicht durch ihre Verwandtschaft, die bei dieser Temperatur schlummernden Verwandtschaften zu erwecken vermögen, so dass zufolge derselben in einem zusammengesetzten Körper die Elemente sich in solchen anderen Verhältnissen ordnen, ... Sie wirken dabei im Ganzen in derselben Art, wie die Wärme, ...".

Der damalige Ausdruck Verwandtschaft entspricht der heutigen Reaktionsfähigkeit. Er lebt in seiner lateinischen Variante (Affinität) noch im Begriff Paraffin: lat.: parum, wenig; affinis, verwandt (hier gemeint: reaktionsfähig).

Woher kommt nun der Begriff Katalyse? Was hat sich Berzelius wohl dabei gedacht, dass er ausgerechnet Katalyse sagte? Berzelius hat das Wort in Analogie zur Analyse gewählt. Analyse und Katalyse bedeuten beide eigentlich Auflösung. Was unterscheidet sie also?

Mit Analyse meinte Berzelius hier nicht die Analyse im heutigen - und auch schon damals schon gebrauchten - Sinn (Ermittlung der Zusammensetzung eines Stoffs), sondern dessen Zerlegung in seine Bestandteile unter Einfluss eines Reaktionspartners. Dieser wird dabei ebenfalls umgruppiert, wobei neue Stoffe entstehen. Triebkraft dieser Reaktionen ist dann die schon erwähnte und damals intensiv untersuchte Verwandtschaft (worüber auch Goethe schrieb...).
Neu ist jetzt der Gedanke, dass offenbar Reaktionen ablaufen, ohne dass ein dabei beteiligter Stoff selbst verändert wird. Die dahinterstehende, noch unbekannte und ominöse Kraft nennt er in Anlehnung an Ana-lyse Katalyse.

Fassen wir zunächst zusammen: Bei der Analyse erfolgt die Trennung der Bestandteile auf Grund der "gewöhnlichen" Reaktionsfähigkeit (Verwandtschaft), während bei der Katalyse diese Trennung eben durch eine unbekannte "katalytische" Kraft bewirkt wird. Das versucht Berzelius auszudrücken, indem er zwei Vorsilben verwendet, die zwar letztlich das gleiche bedeuten, aber eben verschieden lauten.

Nun noch etwas zur Ethymologie:
Die Begriffe Analyse und Katalyse kommen aus dem Griechischen. Ihr gemeinsamer Wortstamm ist lyein. (Damit hängen auch die Wörter luere (lateinisch) und lösen (deutsch) zusammen.) Die griechische Präposition ana- steht für hinauf, zurück. Die Vorsilbe kata- bedeutet herunter.
Aus dem Verb wird im Griechischen durch die Endsilbe -sis eine Tätigkeit. Ana-lysis heißt damit Auflösung. Kata-lysis ist dann ebenfalls Auflösung.

Wusstest du, dass ein Begriff in der Bibel auftaucht, der den gleichen Stamm hat wie Katalyse? Durch die Endsilbe -ma wird aus dem Verb das Ergebnis dieser Tätigkeit bzw. eine Ortsangabe, also katalyma.
Dieser Ausdruck bedeutet im Griechischen Ablösestation für Pferde, übertragen Herberge. Diese tritt in der wohl bekanntesten Geschichte überhaupt auf: "... dihoti ouk än autois topos en to katalymati", "... weil ihnen kein Platz in der Herberge war." [3]

Berzelius dachte eigentlich schon recht modern. Er beschreibt sogar schon heterogene und homogene Katalyse. Im letzten Satz seines Zitats klingt zum ersten Male der energetische Aspekt der Katalyse an (Aktivierungsenergie!).
Was jedoch im Vergleich zur modernen Definition auffällt: Es fehlt der Hinweis auf die durch den Katalysator bedingte Veränderung der Reaktionsgeschwindigkeit.
Dies wurde erst vor ca. 100 Jahren (1894) von Wilhelm Ostwald (1853 - 1932) berücksichtigt, der die noch heute gültige "moderne" Definition des Katalysators formulierte: Ein Katalysator verändert die Geschwindigkeit der Reaktion, ohne als Produkt aufzutauchen. [4]

Literatur:
[1] A. Libavius: Alchemia, Frankfurt 1597, 204. Die hier zitierte deutsche Übersetzung aus: Die Alchemie des Andreas Libavius. Herausgegeben von F. Rex, Verlag Chemie, Weinheim/Bergstraße 1964, 277.
[2] J. J. Berzelius, Jahresber. Chem. 15, 242 - 244, Tübingen 1836 (übersetzt von Fr. Wöhler).
[3] Weihnachtsgeschichte (Lukas 2, 7).
[4] W. Ostwald, Z. Physik. Chem. 15, 706, 1894.
[5] Eine hervorragende Zusammenstellung der historischen und sachlichen Hintergründe zum Thema 'Katalyse' findet man in:
A. Mittasch u. E. Theis: Von Davy und Döbereiner bis Deacon. Ein halbes Jahrhundert Grenzflächenkatalyse. Verlag Chemie, Berlin 1932.

Verfasser:
StD. Dr. H. Schönemann, Dipl.-Chem.,
Haarbeckstr. 26, 47506 Neukirchen-Vluyn, Tel. 02845-3688