Glycokonjugate – Mehr als nur Kohlenhydrate

Experimenteliste zu den Kohlenhydraten

Über die Chemie der Proteine und der Nukleinsäuren hat man lange Zeit den Blick für die Wichtigkeit der Kohlenhydrate verloren. Letztere sind mehr als nur Energiespeicher oder Strukturmaterialien.

Sie spielen darüber hinaus eine wichtige Rolle als Informationsüberträger in den Signalketten der Zellen und Organe. Regulation von Stoffwechselprozessen, Immunantwort, Blutgerinnung usw. – alles ist ohne Kohlenhydrate nicht denkbar.

Sie sorgen im wachsenden Organismus für die zeitlich und örtlich richtige Entwicklung von Zellen und Organen. Dabei zeichnen sie verantwortlich für die Erkennung und den Zusammenhalt von Zellverbänden. Wichtig ist auch ihre Rolle bei der Wundheilung.

Nun sind das nicht die freien Kohlenhydratmoleküle, die hier wirksam sind. Es handelt sich um Verbindungen mit anderen Biomolekülen wie Proteine und Lipide. Man spricht von Glycokonjugaten. Hier sind die wichtigsten:

1 Proteoglycane
bestehen aus Proteinen und aus Aminoglycanen. Letzteres sind Polysaccharide, die Aminozucker und andere Aminoverbindungen enthalten. Dabei überwiegen die Glycane mengenmäßig. Proteoglycane sitzen auf der Oberfläche von Zellen. Ihre Kohlenhydratteile ragen in die extrazelluläre Matrix hinein. Sie sorgen für den Zusammenhalt von verschiedenen Gewebearten.
Sie sind z. B. im Knorpelgewebe enthalten und sorgen aufgrund von Wasserstoffbrücken und elektrostatischen Wechselwirkungen für die Stabilität des Knorpels.

2 Glycoproteine (auch Glykoproteine oder Glykoproteide)
Dies sind Proteine, die relativ kurze, kovalent gebundene Kohlenhydratketten tragen. Diese Reste sind nicht so monoton aufgebaut wie die Ketten der Proteoglycane. Sie sind sehr variabel in der Struktur und deshalb weit verbreitete Informationsträger mit unterschiedlichsten Funktionen. Sie bilden höchstspezifische Erkennungs- und Bindungsstellen für inter- und extrazelluläre Informationsträger. Beispiele sind die Blutgruppensubstanzen, Blutgerinnungsfaktoren sowie Immunglobuline. Aber auch schleimige Sekrete von Tieren gehören dazu.

3 Glycolipide
Hierunter versteht man Membranlipide, die Oligosaccharid-Reste tragen. Sie sind die wichtigsten Erkennungsgruppen für Proteine, die selbst Glycoproteine sind.


Wird die Bildung von Glucokonjugaten aus irgendeinem Grunde - z. B. durch einen genetischen Defekt - unterbunden, so wird die Zelle von ihrer Umgebung nicht mehr erkannt. Diese Zellen haben deshalb Wachstumsvorteile gegenüber anderen, "normalen" Zellen. Das bedeutet, dass sie sich ungehemmt vermehren können; sie sind zu Krebszellen geworden. Die Folge ist Tumorentstehung. Das Krebsgeschwür kann seine Zellen überall hinschicken. Es kommt zur Bildung von Metastasen.


Literatur
David Nelson, Michael Cox: Lehninger Biochemie. Springer, Berlin 2001 (3. Auflage).


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Letzte Überarbeitung: 11. August 2009, Dagmar Wiechoczek