Kohleverflüssigung - Ein Programm nicht nur für Notzeiten

Es gibt ein allgemein bekanntes Problem
Wir benötigen Benzin und Dieselöl, also Kohlenwasserstoffe. Die gewinnt man aus Erdöl und Erdgas. Die gehen zur Neige. Trotz großer Mengen an Vorkommen von Kerogen, der Vorstufe von Erdöl, dazu Erdölsanden… Wir verfügen aber noch über große Mengen an Kohle.

Kohle ist kein Kohlenstoff, sondern ein Kohlenwasserstoff. (Klicke hier.) Allerdings besteht die Kohle aus riesigen vernetzten aromatischen Molekülen, die man nicht als Treibstoff nutzen kann. Die durchschnittliche Molmasse soll 1200 Dalton betragen.

Zur Verflüssigung der Kohle muss man diese Makromoleküle auf chemischem Wege zerschlagen. Da Kohle aber ein an Wasserstoff armer Kohlenwasserstoff ist, muss man dazu Wasserstoff hinzugeben, da sich sonst zuviel echter Kohlenstoff und Ruß (letztlich fein verteilter Graphit) bildet. Außerdem sind hoher Druck und hohe Temperaturen notwendig. Darauf beruhen die Verfahren zur Kohleverflüssigung.

Es gibt viele Verfahren, die in Deutschland vor allem zu Kriegszeiten entwickelt wurden. Die zwei wichtigsten sind:


1. Kohlehydrierung (Bergius-Verfahren 1913)
Junge Kohlarten oder Braunkohlen werden mit Schweröl zu einem Brei angeteigt. Dann werden schwefelstabile Katalysatoren zugegeben (z. B. Sulfide von Fe, Pb und Sn). Die Mischung setzt man in großen Reaktoren bei 200-700 bar Druck und 480 °C mit Wasserstoff aus Kohle um. Es bildet sich ein Gemisch von Kohlenwasserstoffen. Das Produkt wird wie Erdöl weiterbehandelt, destilliert, veredelt (usw.).

Aus 1,5-2 t Kohle gewinnt man auf diese Weise etwa 1 t Benzin.

Großtechnische Anlagen zum Bergius-Verfahren liefen bis 1944. Dieses Verfahren wurde später in der an Braunkohle reichen DDR erneut aufgegriffen.

Nachteil: Man benötigt Schweröl, das wiederum nur bei der Verarbeitung von sowieso schon schwer zu beschaffendem Erdöl herzustellen ist.


2. Kohlenoxidhydrierung (Fischer-Tropsch-Synthese 1925)
Bei diesem Verfahren (auch FT-Verfahren genannt) kommt man ohne den Zusatz von Schweröl aus.

Zunächst werden die Kohlemoleküle vollständig abgebaut. Dazu leitet man Wasserdampf über glühende Kohle. Es entstehen Kohlenmonoxid und Wasserstoff:

Diese Mischung heißt Synthesegas. Die darin enthaltenen Gase Kohlenmonoxid und Wasserstoff werden bei hohen Temperaturen und mäßigem Druck katalytisch zu Kohlenwasserstoffen umgesetzt:

Der Katalysator ist beispielsweise eine Mischung aus Nickel, Cobalt, Thoriumoxid ThO2 und Magnesiumoxid auf Kieselgur. Er ist sehr schwefelempfindlich. Die Kohle muss deshalb zuvor entschwefelt werden (beispielsweise durch Druckhydrierung oder Flotation).

Das Produkt heißt auch Kogasin - ein Kunstwort aus Kohle-Gas-Benzin. Daneben bilden sich als geschätzte Koppelprodukte auch Alkohole, Aldehyde und Ketone.
Je nach Art der Katalysatoren sowie durch gleichzeitige Variation von p und T kann man die Zusammensetzung des Produktgemischs steuern. Dazu gehört auch das Mengenverhältnis von Kohlenmonoxid zu Wasserstoff.

Wählt man zum Beispiel andere Katalysatoren wie etwa Zinkoxid/Chrom(III)-oxid sowie hohe Temperaturen und hohen Druck, so erhält man mehr Alkohole, Aldehyde und Ketone.

Großtechnisch wurde das FT-Verfahren in Deutschland 1934-1945 angewendet; die Produktion lag bei 0,6 Jahrestonnen (jato). Die letzte Anlage lief übrigens bis 1962…

Aber zu den Akten gelegt hat man das Verfahren noch lange nicht: Gegenwärtig beruht ein großer Teil der Benzinversorgung von Südafrika auf der FT-Technologie. Grund: Südafrika ist arm an Erdöl, aber reich an Kohle.


Weitere langfristige Vorhaben zur Treibstoffgewinnung

1. Mikrobiologischer Abbau von tief liegender und nicht abbaufähiger Kohle führt zu Methan, also Erdgas. (Klicke hier.) Daraus kann ebenfalls mit Hilfe spezieller Katalysatoren chemisch Benzin gemacht werden.

2. Neuerdings hat man Verfahren zur FT-Synthese mit frischer Biomasse bzw. Müll statt Kohle entwickelt.

3. Alkohole ersetzen oder ergänzen Benzin
Vorteil: Alkohole haben eine hohe Antiklopfwirkung. Alkohole sind auch als direkte Reduktionsmittel in Brennstoffzellen zu verwerten.
Als eine mögliche Rohstoffquelle für Alkohole dient Kohle (FT-Technologie). Daneben werden biotechnologische Verfahren zur Gewinnung von „Bioethanol“ aus Rohstoffquellen wie Cellulose, Zuckerrohr oder anderen Abfällen entwickelt.

4. Weitere Nachwachsende Rohstoffe
Man kann zum Beispiel Terpene und deren Derivate hydrierend cracken. Diese kommen z. B. in Holzabfällen (als Lignin, Harzstoffe und Terpentinöle) vor, aber auch in der Milch von Löwenzahn oder von Wolfsmilchgewächsen (z. B. in der Euphorbia lathyris). (Klicke hier.)


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Letzte Überarbeitung: 06. Juni 2010, Dagmar Wiechoczek