Historische Entwicklung der Komplexchemie

Komplexverbindungen wurden schon im Altertum in Form von Farblacken oder Naturstoffen (wie z. B. Häm-Derivate aus Tierblut) verwendet.
Die erste wissenschaftlich dokumentierte Komplexbildung entstand 1597 durch den Arzt Andreas Labavius. Bei der Einwirkung einer Lösung aus Calciumhydroxid und Ammoniumchlorid auf Bronze entstand eine Blaufärbung. Es handelte sich dabei um die Komplexverbindung Tetraamminkupfer(II) [Cu(NH3)4]2+. Labavius isolierte diese Substanz allerdings damals nicht.
1704 entdeckten die beiden Alchemisten Diesbach und Dippel erstmals durch einen Zufall das Berliner Blau Fe4[Fe(CN)6]3 und isolierten es. Es wurde daraufhin als Farbstoff für Textilien verwendet.
Im Jahre 1798 entdeckte ein gewisser Citoyen Tassaert einen orangegelben Stoff beim Stehenlassen einer ammoniakalischen Cobaltchlorid-Lösung. Er hatte allerdings keine Erklärung für die Bindungsverhältnisse dieses neu entstandenen Produkts. So stammte es doch aus zwei völlig abgesättigten Verbindungen. Man formulierte es damals als eine Additionsverbindung:

CoCl3 · 6 NH3

Es wurde später als Cobaltchlorid-Ammonikat benannt.
1858 versuchte man diese Verbindungen nach Kekule's "Strukturtheorie" zu beschreiben:
Jedes Element besitzt eine bestimmte Wertigkeit, die durch einen Bindestrich dargestellt wird, der gleichzeitig die Atome miteinander verknüpft.
Nach Blomstrand und Jorgensen schrieb man diese Verbindung dann in folgender Kettenstruktur:

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden eine ganze Reihe von Komplexverbindungen synthetisiert, die meist nach ihren Entdeckern benannt wurden.
Erst 1893 gelang der entscheidende Durchbruch in der Geschichte der Komplexchemie.
Ein junger Chemiker namens Alfred Werner begründete, praktisch über Nacht, die "Koordinationslehre" und fand damit endlich eine befriedigende Erklärung für den räumlichen Aufbau dieses zuvor unverstandenen Verbindungstyps.

Werner unterschied bei diesen Verbindungen zwischen zwei verschiedenen "Sphären". In der inneren "Sphäre" sind demzufolge eine bestimmte Anzahl von Atomen direkt an einem Zentralteilchen gebunden, d. h. das Ion besitzt neben einer charakteristischen Ladung auch eine Koordinationszahl, die nicht mit der Ladungszahl übereinstimmte.
Die äußere "Sphäre" beinhaltete (in Wasser frei bewegliche) Ionen, deren gesamte Ladung der der "inneren Sphäre" entsprach.
Werner entwickelte für das zuvor erwähnte Ammonikat CoCl3 · 6 NH3 die Formel

[Co(NH3)6]Cl3

Nachträglich wurde diese Theorie von ihm und seiner Arbeitsgruppe durch 8000 neu hergestellte Substanzen bestätigt. Werner erhielt 1913 für seine Arbeiten den Nobelpreis.


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Letzte Überarbeitung: 11. April 2007, Dagmar Wiechoczek