Reaktionen und Stabilität von Komplexen. Der Ligandenaustausch

Experimente:
Versuch: Ligandenaustausch von thiocyanato durch fluoro
Versuch: Ligandenaustausch von aqua durch ammin
Versuch: Modellversuch zur unterschiedlichen Stabilität von Eisen(III)-Komplexen
Versuch: Elektrochemische Bestimmung der Stabilitätskonstante von Diamminsilber(I)


Komplexverbindungen zeigen andere Reaktionen als die freien Liganden oder Zentralteilchen allein. Im Allgemeinen tritt der Komplex als funktionale chemische Einheit auf. Solche Reaktionen beobachtet man zum Beispiel, wenn man Lösungen von Eisen(III)-Ionen und von Gelbem Blutlaugensalz zusammengibt. Es bildet sich dann Berliner Blau. Niederschläge dieser Art gibt es auch mit Kupfer(II)-Ionen; das Kupfer(II)-hexacyanoferrat(II) ist allerdings rotbraun gefärbt.

Manche Reaktionen greifen in die Komplex-Einheit direkt ein. Dabei zeigt sich, dass Komplexe nicht so stabil sind, wie man im Allgemeinen annimmt. So lassen sich in gewissem Umfang die Liganden von dem Zentralteilchen ablösen oder gegen andere austauschen.


1 Dissoziation von Komplex-Einheiten
Liganden und Zentralteilchen stehen mit der Komplex-Einheit im chemischen Gleichgewicht der Dissoziation. Diese Reaktion ist im Allgemeinen seltener, da die Dissoziation meistens mit einem Ligandenaustausch verbunden ist. Löst man zum Beispiel die Komplexverbindung in Wasser, so bilden sich die Aquakomplexe.
Statt der Dissoziationskonstante wird meistens ihr Kehrwert angegeben und dann als Stabilitätskonstante oder Komplexbildungskonstante bezeichnet. Sie gibt Aufschluss über die Stabilität des jeweiligen Komplexes.
Einige Komplexe wie die Hexacyanoferrat-Anionen sind so stabil, dass sie fast keine Cyanid-Ionen freigeben und deshalb ungiftig sind.
Die Stabilitätskonstante von Komplexen ermittelt man durch Konzentrationsbestimmung der freien Liganden oder Zentralteilchen. Das kann zum Beispiel elektrochemisch geschehen (-> Versuch).


2 Ligandenaustausch
Liganden können auch ausgetauscht werden. In welche Richtung der Austausch stattfindet, entscheidet die Stabilität der jeweiligen Bindungen bzw. der Komplexe. Auch hierbei bilden sich chemische Gleichgewichte aus, die man auch verschieben kann.

Gibt man zu einer wässrigen Eisen(III)-Lösung Chloroliganden, so entsteht der stabilere gelbe Chlorokomplex.
Fügt man daraufhin in gleicher Konzentration an Thiocyanatoliganden hinzu, wird sich der rote Thiocyanatkomplex bilden.
Durch eine weitere Zugabe von der gleichen Menge an Fluorid-Ionen wird diese Lösung aber entfärbt. Der farblose Fluorokomplex bildet sich (-> Versuch).

[Fe(H2O)6]3+ + Cl- [FeCl(H2O)5]2+ + H2O
      braun                                   gelb

[FeCl(H2O)5]2+ + SCN- [FeSCN(H2O)5]2+ + Cl-
      gelb                                            rot

[FeSCN(H2O)5]2+ + F- [FeF(H2O)5]2+ + SCN-
      rot                                            farblos

Im Allgemeinen erfolgt der Austausch der Liganden schrittweise.

Ob ein Ligandenaustausch erfolgt, hängt also auch sehr von der Art des Liganden ab. D. h. einige Liganden binden sich stärker an das jeweilige Zentralteilchen als andere. Somit sind einige Komplexe stabiler als andere.
In einer Lösung, wo verschiedene Liganden in gleicher Konzentration vorliegen, wird sich unter normalen Bedingungen deshalb immer der stabilere Komplex bilden.
Damit ergibt sich eine Reihe relativer Stabilität dieser verschiedenen Eisen(III)-Komplex-Ionen:

[Fe(H2O)6]3+ < [FeCl(H2O)5]2+ < [FeSCN(H2O)5]2+ < [FeF(H2O)5]2+

Bild 1: Die verschiedenen Eisen(III)-Komplexe in der Reihenfolge ihrer steigenden Stabilität
(Foto: Sandra)


Ein anderes Beispiel ist der Austausch von Aqua- durch Amminliganden:

Gibt man zu einer Kupfer(II)-sulfatlösung etwas Ammoniaklösung, fällt zunächst ein Kupfer(II)hydroxid-Niederschlag aus. Nach weiterer Ammoniakzugabe löst sich der Niederschlag wieder auf, und die zuvor hellblaue Lösung färbt sich tiefviolett (-> Versuch). Aus dem hellblauen Hexaaquakupfer(II)-Komplex entsteht so der violette Tetraamminkupfer(II)-Komplex.

[Cu(H2O)6]2+ + 4 NH3 [Cu(NH3)4]2+ + 6 H2O
       blau                                         violett

Bild 2: Lösung mit Hexaaquakupfer(II)-Komplex und mit Tetraamminkupfer(II)-Komplex
(Foto: Sandra)


Auch hier erfolgt der Austausch schrittweise.

Beim Ligandenaustausch handelt es sich im Allgemeinen um reversible Reaktionen. Es bilden sich chemische Gleichgewichtszustände aus, die verschoben werden können. Lies hierzu die Webseite.


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Letzte Überarbeitung: 21. Oktober 2002, Dagmar Wiechoczek