Asbest in der Milch?

Eine Lehrerin schrieb mir, dass in einigen Milchprodukten Asbest enthalten sei. Das stände sogar auf einer Stoff-Inhaltsliste. Das hat mich natürlich nicht wenig überrascht. Ich habe mich deshalb auf den Weg in den nächsten Supermarkt gemacht und Käsezusammensetzungen studiert. Bei einer griechischen Käsepackung wurde ich fündig. Ich entdeckte tatsächlich die folgende Beschreibung des Inhalts:

(Foto: Blume)


Es handelt sich um eine Bilingue, also eine zweisprachige Inschrift, die Sprachgelehrte entzücken könnte. Zum Deuten muss man allerdings etwas Griechisch lesen können. Dabei lernt man noch etwas über die Entwicklung unserer Wissenschaftssprache…

Fangen wir unten an: Da steht, dass Fett auf Griechisch irgendetwas mit lipara zu tun haben muss. Wir erinnern uns, woher unser wissenschaftlicher Ausdruck für Fette Lipide stammt - vom griechischen lipos. Mit lipara (übersetzt: fettig) beschreibt man somit den Fettgehalt.

Noch schöner ist die griechische Übersetzung von Milcheiweiß: Proteïnes. Wer denkt da nicht gleich an die Proteine?

Aber wie ist das beim Calcium? Auf der Liste steht als griechische Bezeichnung asbestio. Hat die Lehrerin also Recht gehabt? Nein: Denn man muss wissen, dass die Griechen gebrannten, ungelöschten Kalk auch heute noch mit asbestos bezeichnen. Der hat bekanntlich die Formel CaO. Das davon abgeleitete Wort asbestio ist tatsächlich das griechische Wort für Calcium.

Der klassische Asbest heißt im Griechischen übrigens amiantos.

Wenn ich der Käsehersteller wäre, würde ich die griechische Liste der Zusammensetzung zumindest für deutschsprachige Kunden schnell ändern…

Wie wäre es mit Ca statt asbestos? Vorsicht aber: Ca ist für manche Leute das in Kliniken gern verwendete Kürzel für Krebs (lat. cancer).


Literatur:
Kluge: Etymologisches Wörterbuch. De Gruyter. Berlin-New York. 1995


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Letzte Überarbeitung: 04. November 2012, Dagmar Wiechoczek