Zu den Mechanismen der Proteinfällung

Experimente:
Versuch: Was Eiweiß gerinnen lässt
Versuch: Fällung von Proteinen durch verschiedene Einflüsse


Proteine sind Polyaminosäuren mit einer Molmasse über 10.000 u. Über ihren Aufbau berichten wir in einer besonderen Webseite.

Proteine sind Poly-Elektrolyte, also Ionen mit vielen positiv und negativ geladenen Gruppen wie -NH3+ sowie -COO-, die untereinander salzartig wechselwirken. Außerdem tragen Proteine weitere stickstoffhaltige und schwefelhaltige Reste. Hinzu kommen viele polare Gruppen, die das Proteinmolekül nach außen hin hydrophil erscheinen lassen. Proteine werden deshalb in Lösung gehalten, indem ihre polaren, nach außen zeigenden Reste mit Wassermolekülen Wasserstoffbrücken ausbilden. Wasserabweisende (das heißt fettfreundliche) Gruppen im Protein weisen nach innen und sättigen sich durch van der Waals-Bindungen ab.

Proteinmoleküle liegen jedoch nicht als Zufallsknäuel vor, sondern jede Proteinart bildet genau definierte äußere Formen mit präzisen räumlichen Anordnungen des Peptidkettengerüsts (Faltblatt oder Spirale) und der Aminosäurereste, also des äußeren Polaritätsmusters. Daraus resultiert eine Oberfläche, die für jedes Protein typisch und reproduzierbar ist. Dazu muss man wissen, dass die Faltung von Proteinen nach der Synthese nicht spontan erfolgt, also nicht dem Zufall überlassen bleibt, sondern ein enzymatisch gesteuerter Vorgang ist.

Hinzu kommt noch, dass die Molekülstruktur und -form durch Disulfid-Brücken stabilisiert wird.

Alle diese Effekte sind in ihrer Wirkung untereinander so perfekt ausgesteuert, dass das Protein in Form und damit in Lösung bleibt. Geringste Störungen etwa der Ladungsmuster, der Oberflächen-Polaritäten oder des Peptidkettengerüsts können zu einer Formveränderung des gesamten Proteinmoleküls und damit zu einer veränderten Löslichkeit, also zum Ausflocken („Koagulieren“) führen.

Wegen der unterschiedlichen Strukturen, Formen und Oberflächenmuster wirken sich die einzelnen Fällungsmethoden bei den einzelnen Proteinarten auch unterschiedlich aus. So kann man Lösungen mancher Enzyme kochen oder man kann sie mit Aceton behandeln, ohne dass sie ihre katalytische Wirksamkeit verlieren. Das gilt z. B. für die sagenhaft stabile RNAse, ein Enzym, das RNA-Moleküle spaltet.


Chemische Fällungsreagenzien
Die Fällungsreagenzien reagieren mit den angesprochenen Gruppen oder beeinflussen sie in ihrer Bindungsfähigkeit. Hier besprechen wir die wichtigsten.

Da sind zunächst die Änderungen des pH-Werts.
Säuren wie die Salzsäure sorgen mit ihren Protonen für die Umladung der Proteine und lösen dabei Wasserstoffbrücken, so dass es zur meistens irreversiblen Ausflockung (Denaturierung) kommt.
Auch Laugen können Ausflockung bewirken. Das liegt unter anderem auch daran, dass Laugen die Peptidbindungen chemisch angreifen, die Proteine also zersetzen.

Schwermetalle wie Kupfersulfat reagieren mit Schwefelresten zu schwerlöslichen Kupferschwefelverbindungen, die zum Kupfersulfid analog sind. Hinzu kommt Komplexbildung mit stickstoffhaltigen Resten und Carboxylgruppen. Auch das beeinflusst die Struktur der Proteine. Da die Bindungen zwischen Kupfer-Ionen und Protein sehr stabil sind, ist die Fällung meistens nicht umkehrbar.

Lösemittel wie Ethanol bindet sich als polares Molekül an die fettfreundlichen Gruppen im Innern der Proteine und krempelt dabei die Proteinmoleküle quasi um. Außerdem schnappt es dem Eiweißmolekül Wasser für die Wasserstoffbrücken weg. Dadurch wird das Protein unlöslich. Ähnlich wirken auch andere, weniger polare Lösemittel wie Aceton oder Benzin.

Ähnlich wirken Detergentien (Tenside), die als stark polare Substanzen die Makromoleküle auffalten.

Aber auch inerte Salze wirken entsprechend. Zur Auftrennung von Proteingemischen benutzt man gern Ammoniumsulfat, das als Salz bekanntlich aus Ionen aufgebaut ist. Es kommt zu einer Konkurrenz mit dem Poly-Elektrolyt Protein um Wasserstoffbrücken. Hinzu kommt die Hydrolyse der Ammonium-Ionen, die zu einer (wenn auch schwachen) Ansäuerung führt. Damit flockt das Protein aus. Da sich die Ionen von Ammoniumsulfat nicht allzu fest ans Protein binden, können die Ionen durch überschüssiges Wasser wieder ausgespült werden; diese Art der Proteinfällung ist deshalb reversibel.

Ähnlich wirkt Harnstoff. Diese extrem gut wasserlösliche Substanz konkurriert mit dem Proteinmolekül um Wasserstoffbrücken.

Bei der Reaktion mit Schwefelverbindungen R-SH wie Schwefelwasserstoff oder Thioglykolsäure kommt es zur Spaltung von Disulfidbrücken, die eigentlich die Struktur von kompliziert aufgebauten Proteinmolekülen stabilisieren sollen:

R-S-S-R' + H2S ———> R-SH + HS-S-R'

Dadurch wird die Geometrie des Proteinmoleküls stark verändert; das so geschädigte Protein wird denaturiert und kann auch ausflocken.

Physikalische Fällungsmechanismen
Durch Erhöhung der Temperatur kann man ebenfalls Proteine ausfällen. Dabei werden Bereiche des Proteinmoleküls durch die Wärmebewegung in Schwingungen versetzt; die fein ausgesteuerten Wechselwirkungen entfallen. Beim Abkühlen kann sich die ursprüngliche Struktur nicht wieder zurückbilden.

Aber auch durch langsames Einfrieren bei tiefen Temperaturen kann es zur Ausfällung kommen. Einmal werden durch den Abzug des Lösungswassers die Wasserstoffbrücken gestört. Hinzu kommen die spitzen Wassereiskristalle, die die räumliche Struktur der Proteinmoleküle mechanisch zerstören. Das gilt nicht für das schonende Schockgefrieren, das man als Grundlage der Gefriertrocknung von Proteinen durch Sublimation von Eis unter vermindertem Druck benutzt.

Beim Schlagen („Aufschlagen“) zur Herstellung von Eischnee wird Luft unter das Eiklar gemengt. Es bildet sich sofort etwas noch instabiler Schaum. Wegen der starken Vergrößerung der Grenzflächen zur Luft kommt es zu einer Störung des diffizilen Gleichgewichts zwischen den Molekülen. Die Folge ist zunehmend einsetzende Koagulation; die Eiweiße kleben immer mehr zusammen und bilden feste Oberflächen, mit denen sie Luftbläschen einschließen. Ursache für diese Ausfällung ist nicht so sehr die mechanische Wirkung des Schneebesens, sondern die sich aufbauende hohe chemische Energie an Grenzflächen.

Das Schäumen von Blut durch Schütteln oder Rühren gehört in diese Rubrik. Hinzu kommt aber eine Kaskade von enzymatischen Abläufen, die zur vollständigen Ausflockung von Bluteiweiß („Gerinnung“) führt.

Anstelle des Schlagens, Rührens oder Schüttelns kann man auch Ultraschall einsetzen. Dieser „rüttelt“ die Proteinstruktur so durcheinander, dass sich die Moleküle verformen und auf diese Weise zusammenballen können.

Bei der Ausfällung durch Bestrahlung kommen unterschiedliche Mechanismen zum Tragen. IR-Strahlung bewirkt starke Schwingungen der Moleküle, so dass ihre Strukturen - wie beim Erhitzen - irreversible zerlegt werden.
UV-Strahlung regt Bindungselektronen im Proteinmolekül an, was zum Aufbrechen vieler Bindungen mit der Folge der Zerstörung der molekularen Ordnung führt.


Weitere Texte zum Thema „Milch“


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 28. Juni 2010, Dagmar Wiechoczek