Die Konzentrations-Zeit-Kurven der Annäherung von Reaktionsgemischen an das chemische Gleichgewicht

Auf dem Wege zum Gleichgewicht laufen deutlich sichtbar chemische Reaktionen ab. Betrachten wir einmal das einfachste Gleichgewicht. In unserem einfachen Beispiel laufen in jeder Richtung nur Reaktionen erster Ordnung ab.

kH und kR sind die Geschwindigkeitskonstanten der Hin- bzw. der Rückreaktion.

Haben wir zu Beginn zum Beispiel nur den reinen Stoff A vorliegen und setzen wir ihn den die Reaktion auslösenden Faktoren (Erwärmung, Bestrahlung usw.) aus, so bildet sich daraus B. Gleichzeitig bildet sich aus B aber auch wieder A. Irgendwann erreichen die Konzentrationen der beiden Reaktanden ihre Gleichgewichtswerte. Unser Plan für diese Webseite: Wir wollen die Kinetik der Reaktionen auf dem Weg zum Gleichgewicht untersuchen und den Algorithmus der Konzentrations-Zeitkurve erstellen. Durch Extrapolation des Werts von t gegen Unendlich muss sich daraus die Gleichgewichtsbedingung ergeben.

Bei dem von uns gewählten Gleichgewicht legen wir den Stoff A vor. Stoff A nimmt ab, indem sich B bildet. Gleichzeitig nimmt A auch in dem Maße zu, wie das gerade gebildete B zurückreagiert. Die Geschwindigkeit der von außen beobachtbaren Reaktionen bei der Annäherung an das chemische Gleichgewicht ist für den Stoff A:

Dabei sind [A]t und [B]t die Konzentrationen der Stoffe A und B zur beliebigen Zeit t.

Es gilt die Randbedingung

(3)   [A]t + [B]t = [A]o

[A]0 ist die Gesamtkonzentration.

Damit wird die Reaktionsgeschwindigkeit

und nach Variablentrennung:

Dieses Gesetz erster Ordnung wird integriert. Für den, der es versuchen will: Man setzt zur Vereinfachung den Ausdruck

und differenziert ihn. Dann kann man das Differential dA durch du ersetzen und erhält einen einfachen Ausdruck, den man problemlos integrieren kann.
Das Integral über du/u ergibt ln u. Anschließend wird u wieder entsprechend (6) mit [A] ersetzt. Nach Einsetzen der Grenzen von t = 0....t und [A]t = [A]0.....[A]t und Delogarithmieren erhält man das Konzentrations-Zeit-Gesetz für den Stoff A bei Annäherung an das spezielle Gleichgewicht (1).

Das analoge Gesetz für den Stoff B ergibt sich aus der Randbedingung (3).

Setzen wir in der Gleichung (7) t = 0, so werden [A]t = [A]o und [B]t = 0. Zumindest in dieser Hinsicht stimmt die Gleichung (7).

Wie sieht es aus, wenn sich das chemische Gleichgewicht einstellt?
Dazu lassen wir t gegen Unendlich (Symbol ¥) gehen. Die Gleichgewichtskonzentration des Stoffs A ist dann

und von B

Zur Kontrolle:

Wenn man außerdem Gleichung (8) durch (9) dividiert, erhält man den bekannten Ausdruck des Massenwirkungsgesetzes.

(Das Massenwirkungsgesetz erhalten wir auch, wenn wir in Gleichung (2) die Reaktionsgeschwindigkeit dA/dt gleich Null setzen. Lies dazu die Webseite.)

Zur Kontrolle und zur Veranschaulichung variieren wir kH und kR
Anfänger seien vorneweg noch einmal daran erinnert: Die beiden Konzentrations/Zeit (c/t)-Kurven für die Stoffe A und B müssen zu jedem Zeitpunkt die Gesamtkonzentration [A]o ergeben, entsprechend der oben angeführten Randbedingung

(3)   [A]t + [B]t = [A]o

Trotzdem: Fordert man Studierende auf, die c/t- Kurven von chemischen Gleichgewichtssystemen für ein gegebenen Wert der Gleichgewichtskonstanten K zu entwerfen, dann zeichnen sie die Kurven immer so, dass diese zum Schluss immer auf einer Linie zusammenlaufen - wie beim Ausnahmefall kH = kR. Also aufpassen!

Zunächst sei kH = 2 kR. Das setzen wir in Gl. (8) und (9) ein. [A]t wird dann 1/3 [A]o, [B]t wird dann 2/3 [A]o. Das ist auch in sich stimmig: Wenn A schneller wegreagiert als B, ist sein Gleichgewichtswert natürlich geringer; K = 2.


Gleichgewichtseinstellung mit kH = 2 kR ; Vorlage Stoff A

Ist dagegen kH = 1/2 kR, so wird [A]t gleich 2/3 [A]o, [B]t wird dann 1/3 [A]o. Diesmal baut sich A langsamer ab, dagegen zersetzt sich B schneller; K = 0,5.


Gleichgewichtseinstellung mit kH = 1/2 kR ; Vorlage Stoff A

Was ist, wenn kH = kR ist? [A]t wird dann 1/2 [A]o, [B]t ebenfalls. Das ist auch in sich stimmig: Wenn A und B gleich schnell reagieren, sind die Gleichgewichtswerte natürlich gleich; K = 1. Nur dann laufen die Kurven in eine Gerade ein.


Gleichgewichtseinstellung mit kH = kR ; Vorlage Stoff A

Ein Hinweis: Wenn wir statt mit dem Stoff A die Reaktion mit B beginnen, erhalten wir natürlich die gleichen Gesetze. Nur sind dann die Konzentrations-Terme der Stoffe A und B sowie die Geschwindigkeitskonstanten vertauscht. Das gilt auch für die Geschwindigkeitskonstanten kH und kR. Damit verändern sich weiterhin auch die Abbildungen!

Als konkretes Beispiel für solche Berechnungen und Gleichgewichtskurven bringen wir die Mutarotation.


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Letzte Überarbeitung: 03. März 2009, Dagmar Wiechoczek