Bild 1: Rizinuspflanze mit Früchten (Anatolien/Türkei)
(Foto: Blume)


Kunststoffe auf der Basis von nachwachsenden Rohstoffen

Experimente:
Versuch: Polyurethan auf der Basis von Kohlenhydraten
Versuch: Polyurethan auf der Basis von Lignin
Versuch: Reaktion von Huminsäuren mit Diisocyanaten
Versuch: Polyester auf der Basis von Ricinusöl
Versuch: Herstellung einer Folie aus Celluloseacetat


Diisocyanate reagieren mit hydroxylgruppenhaltigen Molekülen wie Kohlenhydraten unter Polyaddition zu Polyurethanen. Beispiele sind Stärke, Glucose und Saccharose (siehe Experimente, V 5a).

Auch mit Lignin lassen sich Polyurethane herstellen (siehe Experimente, V 5b). Überraschend ist weiter die Polyurethan-Herstellung mit Huminsäuren, die zu Schwermetall-Ionen komplexierenden Harzen führt (siehe Experimente, V 5c).

Bei der Bildung des Polyurethans läuft folgende Reaktion ab: Die Hydroxylgruppe addiert sich an das Diisocyanat. Es bildet sich eine gemischte Verbindung aus substituiertem Säureamid (Peptid) und Ester.

R-OH + O=C=N -R´-N=C=O + HO-R ———> R-O-CO-NH-R´-NH-CO-O-R

Dieses Polyaddukt ist normalerweise homogen und glasartig fest. Wenn aber eine Spur Wasser dabei ist (wie immer in der Stärke oder Glucose), wird ein Teil des Isocyanats unter Bildung von CO2 hydrolysiert. Dann schäumt der sich bildende Kunststoff auf.
Der ab und zu notwendige Katalysator 1,4-Diazabicyclo[2.2.2]octan ist nichts anderes als Triethylendiamin. Als basische Substanz katalysiert er die Reaktion, indem er die Bindungen polarisiert.

Genauere Information zur Polyaddition finden Sie auf dieser Webseite.

Bild 2: Polyurethan aus Lignin
(Foto: Daggi)


Hydroxylgruppen sind aber auch Ansatzpunkte für die Bildung der Polyester. Besonders gut gelingt dies mit dem nachwachsenden Rohstoff Ricinusöl (siehe Experimente, V 6), das aus Triglyceriden besteht, die pro Molekül durchschnittlich 2 bis 3 Hydroxygruppen enthalten. Die entsprechende Fettsäure ist die Ricinolsäure, eine Hydroxy-Ölsäure. (Ricinusöl wird aus dem Samen des Wunderbaums (lat. Name Ricinus communis L.) gewonnen. Dieser Baum wird bei uns nur ein-zwei Meter hoch und ist eher ein einjähriger Strauch; in den Tropen erreicht er leicht 13 m und dient nicht nur zur Gewinnung von Öl, sondern wird seit langem als bekannte Heilpflanze geschätzt.)

Ricinolsäure

Veresterungsmittel ist Adipinsäuredichlorid, mit dem man einen Polyester erhält, der gummiartig ist. Grund dafür ist, dass die Triglyceride aufgrund ihrer Struktur Kristallisationen verhindern und somit nicht nur als Bausteine, sondern zugleich als Weichmacher wirken. Adipinsäuredichlorid kann ebenfalls aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden, und zwar aus den Pentosanen, die als Abfall ("Hemicellulosen") bei der Cellulose-Herstellung aus Holz anfallen.

Auch aus Cellulose kann man eine Reihe Kunststoffe herstellen. Z. B. kann man den Zellstoff mit Essigsäure verestern (siehe Experimente; V 12). Diese Acetylcellulose ist als Grundstoff für Sicherheitsfilme, Kunstseide oder Lackgrundmasse bekannt.

Noch eine Anmerkung: Der scheinbare Vorteil der Kunststoffe auf der Basis nachwachsender Rohstoffe erweist sich zugleich als ihr entscheidender Nachteil: die leichte biologische Abbaubarkeit durch Pilze und Bakterien. Sie zeigen also eine geringe Persistenz. Stärkefolien sind dazu noch gegen Feuchtigkeit empfindlich. Damit scheiden diese Kunststoffe im Allgemeinen aus der technischen Nutzung aus; sie werden industriell weniger gefertigt, als es wünschenswert wäre. Man bevorzugt eher die hochpersistenten, petrostämmigen Kunststoffe.
Versucht man, die "biostämmigen" Kunststoffe durch chemische Veränderungen persistenter zu machen, so entfallen wieder viele wünschenswerte Anwendungsbereiche. Das gilt zum Beispiel für die Verwendung von Säcken aus Stärkefolie zum Transport von Gartenabfällen. Die Intention war eigentlich, diese gleich zusammen mit den Abfällen zum Kompostieren zu geben. Die Betreiber solcher Anlagen zeigten sich gar nicht glücklich darüber: Weil die Säcke persistenter gemacht wurden, störten sie den Kompostierungsvorgang.


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Letzte Überarbeitung: 25. April 2012, Dagmar Wiechoczek