Was sind überhaupt Salze?

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Bild 1: Selbstgezüchtete Salzkristalle (Foto: Daggi)


Die meisten Menschen, die im Chemieunterricht nicht aufgepasst haben, stellen sich unter Salz nur eines vor: Kochsalz. Alle kennen es aus der Küche, nennen seinen Geschmack "salzig", und so ist es seit langem und wird wohl auch so bleiben.


Was sind Salze?
Jeder Chemielehrer kennt die Schwierigkeit bei der Einführung des Salzbegriffs: Da ist die Diskrepanz zwischen dem Salzbegriff aus der häuslichen Umgebung und dem aus dem chemischen Labor. Sie ist nur noch zu vergleichen mit den Schwierigkeiten um den Stoff-Begriff im Anfangsunterricht der Chemie.

Salze sind für Schüler "salzig, rieselig, ungiftig, kristallin würfelförmig, farblos, gut löslich...".

Und dann die Erkenntnis: Einige Salze schmecken seifig (Soda), andere sauer wie Lakritz (Ammoniumchlorid), andere süß (Bleiacetat oder Mangan(II)-sulfat), bitter (Magnesiumsulfat) oder sind ohne Geschmack. Viele Salze sind farbig, die Löslichkeit schwankt zwischen leicht bis schwerlöslich, und man beobachtet Kristalle aus allen Kristallsystemen.

Salz ist also viel mehr als nur Kochsalz: Chemiker nennen alle ionisch aufgebauten, festen Verbindungen Salze. Man kennt von diesen "zusammengesetzten Körpern" nahezu unbegrenzt viele, was sich schlicht aus der Möglichkeit von Kombinationen von negativen und positiv geladenen Ionen ergibt.

Die Vielfalt dieser Stoffklasse ist erstaunlich. Man kann aber versuchen, sie zumindest in Gruppen einzuteilen. (Das gibt Diskussionsstoff für einen lebendigen Chemieunterricht!)

Da gibt es Salze, deren Kationen Metall-Ionen sind und deren Anionen nur Nichtmetallatome enthalten: Natriumchlorid NaCl, Pyrit FeS2 oder Kalkstein CaCO3. Es gibt aber auch Salze mit Metallatomen in ihren Anionen: Kaliumchromat Na2CrO4 und Kaliumpermanganat KMnO4. Andere Salze enthalten überhaupt keine Metallatome: Ammoniumchlorid NH4Cl oder Ammoniumacetat CH3COONH4.

Dazu kommen noch Salze, die in ihren Kristallen stöchiometrische Wassermengen eingelagert haben, die Hydrate: Glaubersalz Na2SO4 · 10 H2O oder Bittersalz MgSO4 · 7 H2O. Dann gibt es noch Komplexsalze wie das Silber-diammin-nitrat [Ag(NH3)2]NO3. Und wenn man noch die Salze der organischen Verbindungen einbezieht, wird es völlig unübersichtlich...

Man kann die Salze auch nach ihrer Wechselwirkung mit dem Lösemittel Wasser einteilen. Viele Salze verändern nicht das Milieu ihrer Umgebung, wenn sie gelöst werden. Das sind die Neutral- oder Inert-Salze, mit denen man Ionenkonzentrationen ("Ionenstärken") in der Elektrochemie oder Biochemie steuert. Beispiele sind Chloride, Sulfate und Nitrate der Alkalimetalle.

Andere Salze reagieren mit Wasser im Sinne einer Säure/Base-Reaktion. Das sind saure Salze wie Kaliumhydrogensulfat KHSO4 oder basische Salze wie Natriumcarbonat Na2CO3.

Zu den Salzen gehören streng genommen auch die Metalloxide (wie auch die entsprechenden Sulfide, Carbide und Nitride).


Wie entstehen Salze?
Salze bilden sich durch verschiedenste Reaktionen, die allesamt von großer Bedeutung sind. Hier bringen wir einige Beispiele:

- Neutralisationsreaktion:

NaOH (aq) + HCl (aq) ———> NaCl (aq) + H2O    /exotherm

- Addition von Säureanhydriden an Basen:

Ca(OH)2 (aq) + CO2 (gasf.) ———> CaCO3 (fest) + H2O    /exotherm

- Addition von Säureanhydriden an Metalloxide:

- Redoxreaktion zwischen Metall und Säure:

Fe (fest) + 2 HCl (aq) ———> FeCl2 (aq) + H2 (gasf.)    /exotherm

- Redoxreaktion zwischen Metall und Nichtmetall:

2 Na (fest) + Cl2 (gasf.) ———> 2 NaCl (fest)    /exotherm

- Austausch der Anionen:

AgNO3 (aq) + KCl (aq) ———> AgCl (fest) + KNO3 (aq)    /exotherm

- Einwirkung von Säuren auf Metalloxide:

TiO2 (fest) + 2 H2SO4 (aq) ———> Ti(SO4)2 (aq) + 2 H2O    /exotherm

- Brönstedsche Säure/Base-Reaktion ohne Wasserbeteiligung:

Reaktionen wie die Neutralisation, bei denen Lösungen der Salze entstehen, erfordern zur eigentlichen Salzbildung eine abschließende Kristallisation.


Wie Salze aufgebaut sind: Die ionische Bindung
Salze bestehen aus positiv und negativ geladenen Ionen. Deshalb leiten ihre Schmelzen und wässrigen Lösungen den elektrischen Strom.

Im Kristallgitter werden die Ionen durch elektrostatische Wechselwirkungen (Coulombsche Bindungskräfte) zusammengehalten. Die Ionen ordnen sich so an, dass sie anschließend eine minimale potentielle Energie besitzen. Das führt zu dem hohen Ordnungszustand, den wir beim Aufbau der Salzkristalle so bewundern.
Je nach der relativen Größe von am jeweiligen Salz beteiligten Kationen und Anionen gibt es unterschiedliche Gittertypen.

Die Coulombschen Bindungskräfte sind ungerichtet, aber sehr effektiv. Deshalb haben Salze im Vergleich zu den Molekülgittern im Allgemeinen einen hohen Schmelzpunkt, so Natriumchlorid bei 801 °C.

Der Aufbau des Ionengitters erklärt auch, warum Salzkristalle (verglichen mit Metallkristallen) so ausgesprochen spröde sind: Gleiten beim plötzlichen Deformieren gleichgeladene Schichten aneinander vorbei, so stoßen sie sich in ihrer Gesamtheit ab; der Kristall bricht. Länger anhaltender, starker Druck jedoch kann sehr wohl zur Deformation führen.


Der Streit um die Ionen
Die Hypothese, dass Salze aus Ionen bestehen, die beim Kontakt mit Wasser in Lösung gehen oder sich beim Schmelzen voneinander lösen, geht auf Arbeiten von Arrhenius in den Jahren 1884-1887 zurück. Er führte auch den Ionenbegriff ein und sprach erstmals von "elektrolytischer Dissoziation". Seine Hypothese hatte heftige Kontroversen zur Folge, wobei die Kritiker schlicht übersahen, dass bei der Dissoziation nicht Atome von Natrium und Chlor entstehen, sondern eben deren inerte Ionen.
Lange Zeit noch sträubten sich die alten Professoren ("Ordinarien") gegen die neuen Erkenntnisse. So gab es unter Studenten damals den Spruch:

"Willst du die Prüfung gut bestehen,
sprich nicht von Ionen aus Versehen!"

Es gab allerdings noch lange Zeit Streit darüber, ob die Ionen schon vor dem Lösen oder Schmelzen der Kristalle im Gitter vorliegen, oder ob sie sich erst beim Lösen oder Schmelzen der Salze aus deren Molekülen bilden.


Sind alle Salze leicht löslich?
Salze gelten bei vielen Schülern von vornherein als leicht lösliche Stoffe. Das stimmt für die Chloride und Nitrate der Alkali- und Erdalkalimetalle sowie für Ammoniumverbindungen. Deshalb gelangen sie leicht ins Grundwasser und machen es für die Nutzung als Trinkwasser unbrauchbar.
Glücklicherweise gibt es vor allem schwerlösliche Salze. Bei einigen könnte man bei oberflächlichem Hinsehen sogar meinen, dass sie sich gar nicht lösen. Hierzu gehören die Gesteins- und Bodenbildner wie Silicate und Erdalkalimetall-Carbonate. Aber die Wirkung von Wasser und Eis über Jahrtausende hinweg beweist, dass sich auch harte Gesteine wie Granit, die ja auch Salze sind, lösen: "Steter Tropfen höhlt den Stein."
Andere schwerlösliche Salze wie die Sulfide der Schwermetalle sowie Bleichlorid und -sulfat häufen sich in Ufersedimenten oder in Organen wie Niere, Knochensubstanz oder Zähnen an (Summationsgifte).


Anhand der Löslichkeit von Salzen lässt sich exemplarisch das chemische Gleichgewicht einführen
Wenn wir ein schwerlösliches Salz wie etwa Kalkstein in Wasser geben, bleibt im allgemeinen ein Bodensatz zurück, den wir auch durch gutes Schütteln und Rühren nicht auflösen können. Solch eine Lösung mit Bodensatz bezeichnen wir als gesättigte Lösung. Der Grund für die Sättigung ist, dass schwerlösliche Salze nur zum Teil dissoziieren.

Es liegt ein chemisches Gleichgewicht vor. Die Gleichgewichtskonstante nennt man Löslichkeitsprodukt L. Es ist das Produkt aus den Konzentrationen der beteiligten Ionen; beispielsweise gilt für das Quecksilbersulfid:

LHgS = [Hg2+] · [S2-] (mol/l)2

Das Löslichkeitsprodukt ist ein Maß für die Löslichkeit eines Salzes. Je kleiner es ist, desto schwerer löslich ist der Stoff. So beträgt das Löslichkeitsprodukt des extrem schwerlöslichen Quecksilbersulfids HgS nur 10-54 (mol/l)2, das vom ebenfalls als sehr schwerlöslich geltenden Bleisulfat PbSO4 dagegen nur 10-8 (mol/l)2.

Es ist aber falsch anzunehmen, dass in dieser Lösung nichts mehr passiert! Könnten wir zuschauen, so würden wir an der Oberfläche des Festkörpers ein ständiges Kommen und Gehen von Ionen beobachten. Dabei löst sich genau so viel Salz wie sich wieder zurückbildet. Man sagt, dass hier ein dynamisches chemisches Gleichgewicht vorliegt.
Dieses Gleichgewicht und damit der Wert von L hängen besonders von der Temperatur ab. Erhitzt man eine Salzlösung mit Bodensatz, also eine gesättigte Lösung, so löst sich das feste Salz mehr oder weniger auf. Kühlt man die so erhaltene Lösung wieder ab, so entsteht eine übersättigte Lösung; der Bodensatz bildet sich wieder zurück. (Hier erkennt man die Prinzipien von Le Chatelier wieder.) Lässt man besonders langsam abkühlen, oder lässt man eine Lösung, die nicht gesättigt ist, langsam eindunsten, erhält man schöne Salzkristalle. So werden Salzkristalle nicht nur gezüchtet, sondern so entstehen sie auch beim Eindunsten der Meere.


Die Schwerlöslichkeit von Salzen wirkt sich auf die Umwelt aus
Schwermetall-Ionen trennt man aus Abwässern grob durch Fällung als schwer lösliche Salze ab. Dazu muss man Lösungs-Gleichgewichte einkalkulieren. Da der Wert des Löslichkeitsprodukts konstant ist und nur von Temperatur und Druck abhängt, kann man durch Erhöhung der Konzentration der einen Komponente die der anderen verringern. Als Beispiel wählen wir das Bleisulfat:

LpbSO4 = 10-8 (mol/l)2

LpbSO4 = [Pb2+] · [SO42-] = 10-4 mol/l · 10-4 mol/l

Es gilt eine ganz einfache Regel: Erhöht man [SO42-] auf 1 mol/l, also 100 mol/l, erniedrigt sich [Pb2+] auf 10-8 mol/l. Oder: Erhöht man die Konzentration der Sulfat-Ionen auf das Tausendfache, so verringert sich die Konzentration der Blei-Ionen um genau eben diesen Faktor. Dieses ist auch eine Anwendung von Le Chateliers Prinzipien.

Die Menge an gelöstem Salz wird häufig unterschätzt, vor allem auch dann, wenn das Löslichkeitsprodukt scheinbar sehr klein ist und wenn dazu noch mehr als zwei Ionen am Lösungsgleichgewicht beteiligt sind. Ein Beispiel ist das schwerlösliche Bleichlorid mit L = 1,6 · 10-5 (mol/l)3 (20 °C).

Wie viel Gramm von diesem Salz lösen sich in einem Liter Wasser?

   L = cPb · cCl · cCl

Mit cCl = 2 cPb folgt

   

   cPb = 1,59 · 10-2 mol/l

   cCl = 3,18 · 10-2 mol/l

   ßPb = cPb · MPb = 3,294 g/l

   ßCl = cCl · MCl = 1,129 g/l

   ßPbCl2 = 4,42 g/l

Die Trinkwasser-VO schreibt für Blei den Grenzwert 40 µg/l vor. Eine bei Zimmertemperatur gesättigte Lösung von schwerlöslichem Bleichlorid ist mit ihrem Bleigehalt von 3,294 g/l um den Faktor 8 · 104 konzentrierter, als der Grenzwert zulässt, und ist entsprechend toxisch.


Ohne schwerlösliche Salze könnte man nicht bauen
Grundlage unserer Bauindustrie ist der Kalkstein, chemisch Calciumcarbonat CaCO3. Dieser wird gebrannt, wobei Kohlenstoffdioxid entweicht. Das resultierende Calciumoxid (ebenfalls ein Salz) wird mit Wasser vermischt. Dabei entsteht Calciumhydroxid Ca(OH)2. Mit diesem Mörtel wird gemauert. Er nimmt beim Aushärten wieder Kohlenstoffdioxid aus der Luft auf und bildet so Steine verbindenden Kalkstein zurück.
Kalkstein hat sich über viele Jahrmillionen hinweg aus Meeres- und Flusssedimenten gebildet. Noch heute können wir zusehen, wie das geschieht: In Meeren bildet er sich aus den Schalen von Muscheln und anderen Tieren. Nicht zu vergessen sind die Korallen, die zusätzlich auch Dolomit bilden. Aber auch Algen scheiden im Verlauf der Fotosynthese riesige Mengen an Kalk ab. Die Algen benötigen Kohlenstoffdioxid zur Fotosynthese, das sie zusammen mit Wasser in Glucose und Sauerstoff umwandeln.

6 CO2 + 6 H2O ———> C6H12O6 + 6 O2

In Fluss- oder Meereswasser liegen vor allem Calcium-Ionen und Hydrogencarbonat-Ionen vor. Entnehmen die Algen dem Wasser CO2, so bildet sich Kalkstein. Denn sie verschieben das folgende Gleichgewicht nach rechts:

Dieser segensreiche Mechanismus sorgt nicht nur für Kalkbildung, sondern auch für eine ausgewogene CO2-Bilanz unserer Atmosphäre - bei gleichzeitiger Sauerstoffbildung!


Kochsalz ist das Salz schlechthin
Hierzu haben wir eine eigene Webseitengruppe.


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Letzte Überarbeitung: 08. Juli 2009, Dagmar Wiechoczek