Alkaloide - Biochemie, die süchtig machen kann



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Bild 1: Schlafmohn
(Foto: Blume)


Der Name Alkaloid ist ein vom Apotheker Meissner entwickelter Begriff, den er 1819 für "alkaliähnliche" Pflanzenstoffe einführte. Das erste Alkaloid wurde allerdings schon im Jahr 1803 durch den Apothekerpraktikanten Sertuerner in dem aus Schlafmohn stammenden Opium entdeckt. Es handelte sich hierbei um das Morphin.

Morphin

Heute kennt man über 10.000 Alkaloide - Tendenz steigend.


Allgemeine Merkmale der Alkaloide
Wie man bereits anhand der Strukturformeln auf dieser Webseite erkennen kann, handelt es sich hier um eine Reihe vielfältiger, kompliziert gebauter Naturstoffe. Diese werden vor allem von Pflanzen hergestellt. Aber auch einige Tiere, wie zum Beispiel einige Salamander- und Krötenarten, stellen alkaloidartige Substanzen her.

Jedes Alkaloid ist eine organische Ringverbindung. Sie gehören zu den Heterocyclen, die außer Kohlenstoff noch Stickstoff enthalten.

Die meisten Alkaloide mögen zwar Basen sein. Man darf nun nicht annehmen, dass alle Alkaloide alkalisch reagieren. Früher zählte man sogar auch stickstofffreie Stoffe wie den Inhaltsstoff des Hanfs Tetrahydrocannabinol (THC), welcher den Rausch beim Haschischkonsum bewirkt, zu den Alkaloiden.

Tetrahydrocannabinol

Eindeutiges Merkmal der Stoffklasse der Alkaloide ist immer noch ihre ausgeprägte physiologische Wirkung auf tierische Lebewesen (siehe unten).


Alkaloide: Mittel zur Heilung und zu Genuss, Rausch und Vergiftung
Viele Alkaloide werden bereits schon seit dem Altertum als Heilmittel benutzt. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz des aus Mohn gewonnenen Alkaloids Morphin als Schmerz- und Betäubungsmittel.

Bild 2: Injektionsbesteck (gesehen in einer Bielefelder Großgarage)
(Foto: Blume)


Gleichzeitig dient das Morphin als Ausgangsstoff für eines der stärksten Rauschmittel: Heroin. Das nutzte man zunächst als Hustenmittel, bis dann seine Suchterzeugung festgestellt wurde.

Heroin

Heroin ist der Essigsäure-Diester von Morphin. Heute nimmt man als Hustenmittel Codein, den Monomethylether von Morphin, dessen Suchtpotential sehr gering ist.

Und auch andere Rauschgifte, wie Kokain, LSD oder Meskalin, sind letztlich Alkaloide oder deren chemische Abwandlungen. LSD ist das Diethyl-Amid der Lysergsäure, das Alkaloid des Mutterkornpilzes.

Heutzutage werden bestimmte Alkaloide als Mittel gegen Krebs eingesetzt. So hemmen manche Alkaloide den Zellwachstum von Tumorzellen. Auch der in Malaria-Medikamenten enthaltene Wirkstoff Chinin ist ein Alkaloid.

Auch eines der stärksten Gifte, das Batrachotoxin aus der Haut südamerikanischer Pfeilgiftfrösche, zählen viele Autoren zu den Alkaloiden.

Batrachotoxin

Strychnin aus den Samen des Krähenaugenbaums (Strychnos) und Nicotin aus der Tabakpflanze dienten als Rattengift oder auch als Insektizide. So wurden verflöhte Hunde einfach in Tabaklauge eingetunkt... Davon erzählt Wilhelm Busch in seiner Geschichte vom Pater Filuzius.

Bild 3: Nicotin als Insektizid. Hier wird ein Hund entflöht
(Wilhelm Busch)

Aber auch Geschmacksverstärker und Genussmittel finden sich hier. Das Alkaloid des Pfeffers, Piperin, ist für dessen scharfen Geschmack verantwortlich. Was wäre für viele Menschen ein Leben ohne Coffein und Nicotin?


Sind Pflanzen damit drogensüchtig und "dauer-high"?
Die Antwort lautet natürlich nein. Denn die Pflanzen gebrauchen ihre Alkaloide nicht als Rauschmittel, sondern als biochemischen "Kampfstoff" gegen Fressfeinde. So berichtet Harborne in seinem Buch "Ökologische Biochemie" [1]:

"Das Alkaloid Coffein ist nicht nur in der Kaffeebohne, sondern in der ganzen Pflanze verteilt zu finden. Die Konzentration an Coffein steigt im Laufe der Blattentwicklung stark an - ein Hinweis darauf, dass das Gift die Beweidung durch Fressfeinde verhindern soll. Wie giftig die Substanz ist, zeigen Versuche mit Raupen und Käfern, die entweder sterben oder sterilisiert werden. Zudem kommt der oft äußerst bittere Geschmack von Alkaloiden, der zusätzlich Fressfeinde abschreckt."

Die alternden Pflanzenblätter wiederum sind nahezu frei von Coffein. Der Grund ist, dass das Coffein abgebaut und der dabei freigesetzte Stickstoff von der Pflanze weiterverwertet wird - ein Beispiel für biologisches Recycling.

Pflanzen setzen Alkaloide auch gegen andere Pflanzen ein. Offenbar wirken manche auch gegen Mikroorganismen.

Allerdings bietet der Einsatz von Alkaloiden keine 100%ige Sicherheit der Pflanze gegenüber Fressfeinden. So haben bereits einige Tiere eine Immunität gegenüber diesen Giften entwickelt. Das kann man zum Beispiel bei Hasen, Rehen und Kaninchen beobachten, die ohne Probleme die Blätter der Tollkirsche, die das für uns hochgiftige Atropin enthalten, verzehren können, da sie über einen Entgiftungsmechanismus verfügen.

Auch für einige Insekten (z. B. Schmetterlinge) sind diese Stoffe oft nicht giftig und können sogar von den Tieren gespeichert werden. So schützen die Alkaloide jetzt die Tiere vor dem Gefressenwerden. Ein Beispiel ist der Blutbär (Hipocrita (Tyria) jacobaeae) (auch „Zinnobermotte“ genannt). Das ist ein auffallend gefärbter Schmetterling, dessen Raupen auf dem Jacobs-Greiskraut (Senecio jacobaea) leben. Letzteres enthält Pyrrolizidin-Alkaloide - genauso wie die ebenfalls auffällig gefärbten Raupen, die auf diese Weise signalisieren, dass sie für Fressfeinde wie Vögel ungenießbar sind.

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Bild 4: Raupen des Blutbärs auf Jacobs-Greiskraut
(Foto: Blume)


Andere Insekten benötigen wiederum pflanzliche Alkaloide zur Bildung von Pheromonen (Sexuallockstoffe).


Zur Alkaloidisolierung macht man die Lösung alkalisch
Normalerweise liegen viele Alkaloide als Salze vor, so zum Beispiel als Hydrochlorid.

R3N + HCl ———> R3NH+ Cl-

Als Kationen sind die Alkaloide gut wasserlöslich.

Um freie Alkaloidbasen herzustellen, stellt man dessen Lösungen zuvor alkalisch ein und überführt es dadurch in die freie Base.

R3NH+ Cl- + NaOH ———> R3N + H2O + NaCl

Die freie, ungeladene Base ist schlecht löslich in Wasser, dagegen aber gut löslich in Lösemitteln wie Chloroform. So kann man sie aus wässriger Lösung ausschütteln.

Hier sei an den Unterschied zwischen Kokain und Crack erinnert.

Alkaloide lassen sich durch eine Reihe von mehr oder weniger spezifischen Farbreaktionen nachweisen.

Bild 5: Farbreaktionen des Chinins
(Foto: Daggi)


Heute nutzt man zum genauen qualitativen und quantitativen Nachweis moderne Methoden wie die HPLC oder Ionenchromatographie, oftmals gekoppelt mit Massenspektrometrie. Diese Methoden sind äußerst empfindlich. Wussten Sie, dass schon allein der Genuss eines Mohnküchleins oder Mohnbrötchens ausreicht, um Sie bei einer entsprechenden Kontrolle als "Junkie" aussehen zu lassen?

Bild 6 (Foto: Blume)

Der Mohn für die Kuchen wird aus weißblühendem Schlafmohn gewonnen. So sieht man in Dänemark viele solcher Felder, denn für die meisten Dänen gehört das Mohnbrötchen zum Frühstück. Geht man näher an so ein Feld heran, erkennt man, dass die Mohnkapseln fachmännisch von illegalen Opiumsammlern angeritzt worden sind. Übrigens wird auch das Mohnstroh zur Gewinnung von Opium aufgearbeitet, wenn es nicht verbrannt wird. Früher hat man sogar die Schnuller für die Kinder mit Mohn gefüllt, damit sie besser schlafen konnten.


Literatur:
[1] J. B. Harborne: Ökologische Biochemie; Spektrum Verlag, Heidelberg 1995.


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Letzte Überarbeitung: 12. Februar 2014, Dagmar Wiechoczek