Phenol - die Entdeckung im Steinkohlenteer


"Wer Pech angreift, besudelt sich, wer aber Teer angreift, besonders Steinkohlenteer, der tut´s noch viel mehr, denn er kommt dadurch auch noch in einen höchst üblen Geruch!" F. F. Runge

Johann Rudolph Glauber (1604-1670), ein deutscher Chemiker, beschrieb als erster die Destillation von Steinkohlen und die Produkte, die er dabei erhielt:

..Stein-Kohlen aber per se destilliert/ so gehen ein scharffer W und ein hitziges blutrothes / so alle feuchte ulcera gewaltig trocknet/...

Zur Bedeutung der Symbole:
W = Spiritus (Benzol); = Oel

Glauber konnte jedoch noch keine Reinsubstanzen isolieren, noch weniger war er in der Lage, sie bestimmten Verbindungsklassen und -gruppen zuzuordnen.
Er beschrieb auch einige Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten des "scharffen, hitzigen braunen Oeles":

Die Gärtner können alle Gewürm und Ungeziefer auß den Garten bringen / wenn sie solches Wasser mischen und an solche Oerter schütten / da sich das Ungeziefer auffhält / müssen alle vergehen und sterben oder herauskriechen und sich todtschlagen lassen / dann sie solches Fewr nicht vertragen können.

Die Entdeckung des Leuchtgases beim Erhitzen von Steinkohle (1783) und die Nutzung dieses Gases zu Beleuchtungszwecken war maßgeblich für die Entdeckung Phenols. Es fiel nämlich bei der Produktion des Leuchtgases eine erhebliche Menge an Steinkohlenteer als Abfallprodukt an. Da keine Verwendung für so viel Teer bekannt war, wurde dieser in großen Seen in der Nähe der Leuchtgasfabriken gesammelt.

Der Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge (1794 - 1867), zu der Zeit chemisch-technischer Leiter der Produktenfabrik Oranienburg, machte sich im Sommer 1833 daran, den Steinkohlenteer genauer zu untersuchen, um möglicherweise einen Nutzen aus diesem Abfallprodukt, der in großen Seen vor seiner Haustür lagerte, ziehen zu können. Und tatsächlich gelang es Runge durch Destillation und Extraktion einige neue Stoffe zu isolieren; darunter auch Anilin und Phenol. Letzteres nannte er wegen seines sauren Charakters Karbolsäure (lat. carbo: Kohlenstoff). Er erkannte auch schon die "fäulniswidrige Kraft" des Phenols. Schon sehr bald wurden Anilin und Phenol als Ausgangsstoffe für synthetische Farben erkannt. Und Farben veränderten bekanntlich die Welt!

Zum Anilin muss man noch sagen, dass Runge die Substanz nicht als Erster entdeckte. Gefunden wurde sie schon 1826 vom Apotheker Otto Unverdorben bei der Destillation von Indigo. Runge erfand quasi die Nachweisreaktion für Anilin, indem er es mit Chromat oxidierte. Dabei entdeckte er zufällig die Eigenschaft von Anilin als Grundstoff für Farbstoffsynthesen.

Diese Entdeckungen machten Phenol und Anilin zu wichtigen Ausgangsstoffen in der chemischen Industrie.


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Letzte Überarbeitung: 27. April 2014, Dagmar Wiechoczek