Berechnung der Sättigungswerte von Dioxinen im Menschen
Hier folgt ein praktisches Anwendungsbeispiel für eine kinetische Untersuchung.
Problem: Dioxine reichern
sich im Körper an, weil die Ausscheidung langsamer vonstatten geht als die Aufnahme. Wie hoch die Anreicherung
ist, hängt von der Aufnahme und von der Halbwertszeit für die Ausscheidung ab.
Die tolerierbare Tagesdosis (der ADI-Wert) für den Menschen liegt bei 1 pg TE/kg
Lebensgewicht (LG) (-> Webseite). (TE bedeutet
Toxizitätsäquivalent) Gleichzeitig werden Dioxine
ausgeschieden; die Halbwertszeit t½ dafür beträgt z. B. 7 Jahre.
Wie groß ist die Sättigungskonzentration?
Die Aufnahme ist eine Reaktion 0. Ordnung, da sie mit konstanter Geschwindigkeit erfolgt. Die Ausscheidung ist dagegen eine Reaktion 1. Ordnung. Damit ist die gesamte Geschwindigkeit des Umsatzes von Dioxinen
Im Sättigungszustand halten sich Aufnahme und Ausscheidung die Waage. Im Gleichgewichtszustand gilt dc/dt = 0. Die Sättigungskonzentration ist dann:
Dabei sind
Das Konzentrations/Zeit-Gesetz ist
oder
Die folgende Graphik zeigt das Konzentrations/Zeit-Gesetz für verschiedene ADI und Halbwertszeiten.
Wichtig: Die Konstanten k1 und k2 müssen auf die gleiche Zeitdimension bezogen werden. Für den konkreten Fall gilt
Aufnahme: | ADI | Dimension: pg TE/Tag und kg LG |
Ausscheidung: | t½ | Dimension: Jahre |
k1 muss auf Jahre umgerechnet werden.
Mit der c/t-Funktion erhält man die Sättigungskonzentration
Die Beziehung gestattet, rasch zu überschlagen, was es bedeutet, wenn der ADI erhöht wird und/oder die Halbwertszeit doch größer ist als vermutet.
Unter den Bedingungen
findet man den bekannten Literaturwert von ~ 3000 pg TE/kg LG:
csätt = 3687 pg TE/kg LG
Diskutiert wird die Erhöhung des ADI auf 10 pg TE/Tag und kg LG. Kalkuliert man eine möglicherweise größere Halbwertszeit von 10 Jahren mit ein, so wird
Weitere interessante Fragestellungen
Zu welchem Zeitpunkt (tf) ist die Sättigungskonzentration bis auf 90 oder 99 %
erreicht?
Man definiert einen Faktor
f = c/csätt
Zur Berechnung von tf wird das Konzentrations/Zeit-Gesetz umgestellt:
Die Zeit tf hängt also nicht vom ADI-Wert, sondern nur von der Halbwertszeit t½ ab:
Sie ist zur Halbwertszeit direkt proportional
tf = kf · t½
wobei die Geschwindigkeitskonstante ist
Die Werte der Konstanten für verschiedene Sättigungswerte sind
(mit ln 2 = 0,693; ln 10 = 2,303; ln 100 = 2 · ln 10):
Bei 90 % Sättigung (f = 0,90):
k90 = 1,443 · ln 10 = 3,323
Bei 99 % Sättigung (f = 0,99):
k99 = 1,443 · ln 100 = 6,646
Somit gilt
Diese Beziehung gestattet bei Variation der Halbwertszeit der Dioxine im Körper die Abschätzung der notwendigen Zeit zur Erreichung der entsprechenden Sättigungswerte.
- | Konkretes Beispiel: t½ = 7 Jahre |
t90 = 3,323 · 5 = 23,3 Jahre
t99 = 6,646 · 5 = 46,5 Jahre |
|
- | Konkretes Beispiel: t½ = 10 Jahre |
t90 = 3,323 · 10 = 33,2 Jahre
t99 = 6,646 · 10 = 66,4 Jahre |
Die Beziehung tf = f(t½) gestattet auch, den Zeitraum anzugeben, in dem eine einmalig aufgenommene Dosis an Dioxin bis auf 1 Promille Rest ausgeschieden wird.
Hierzu wird tf (99,9 %) berechnet:
99,9 % Sättigung: t99,9 = 3 · t90 = 9,969 · t½ » 10 · t½
Dies ist die rechnerische Grundlage für die Faustregel, dass ein Schadstoff erst nach 10 Halbwertszeiten (bzw. Reinigungsschritten etc.) aus dem Medium entfernt wird (-> Webseite).
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