Wir vergleichen die Moleküle von Schwefelwasserstoff und von Wasser

Ähnlich wie das Wassermolekül ist auch das Schwefelwasserstoffmolekül gewinkelt gebaut.
Obwohl die Formeln von Schwefelwasserstoff und Wasserstoff sich gleichen, haben die Stoffe gänzlich unterschiedliche Eigenschaften. So ist z. B. Schwefelwasserstoff bei Zimmertemperatur ein Gas. Offenbar neigt er wenig zur Bildung von Wasserstoffbrücken. Was ist die Ursache hierfür?
Folglich sollten auch beim Schwefelwasserstoff Dipolkräfte auftreten. Diese sind jedoch geringer als beim Wasser. Grund dafür ist, dass die Elektronegativität (EN) des Schwefels (2,58) von der des Wasserstoffs (2,20) nur geringfügig abweicht. Die EN-Differenz ist mit 0,38 sehr klein. Deshalb werden die Elektronen nicht nennenswert zum Schwefel verschoben, das Molekül hat kaum Dipoleigenschaften.
Beim Wasser ist das anders: Hier beträgt die EN-Differenz zwischen Sauerstoff und Wasserstoff 1,24.

Moleküle von H2O und von H2S

Noch etwas fällt auf: Der Bindungswinkel von H2S ist mit 92,3 ° kleiner als der beim Wassermolekül. Man kann sagen, dass die H-Atome im H2S einen rechten Winkel einschließen. Beim Wassermolekül beträgt der Bindungswinkel 104,5 °. Das entspricht dem Innenwinkel eines Tetraeders.

Der Unterschied: Beim Wassermolekül sind die Orbitale sp3-hybridisiert - also liegt ein Tetraeder vor.
Beim Schwefelatom (anders als beim Sauerstoff des Wassers) sind die s- und p-Orbitale nur wenig hybridisiert. Die drei p-Orbitale stehen im rechten Winkel zueinander.

Hierzu ein vergleichender Blick in die Elektronenstrukturen.

Zunächst einmal der Sauerstoff und das Wasser:

In die zwei halbvollen p-Orbitale schiebt der Wasserstoff seine Elektronen (rot gezeichnet). Gleichzeitig findet eine Hybridisierung zu 2sp3 statt, da alle Elektronen (2s und 2p) stark zum Sauerstoffatom gezogen werden. Die von vornherein gefüllten 2sp3-Orbitale sind die nichtbindenden (freien) Elektronenpaare.

Nun zum Schwefel und Schwefelwasserstoff:

In die zwei halbvollen 3p-Orbitale schiebt der Wasserstoff seine Elektronen (rot gezeichnet). Die von Anfang aufgefüllten 3s und 3p-Orbitale bilden nichtbindende Elektronenpaare.

Eine Hybridisierung zu 3sp3 erfolgt nicht. Aufgrund der hohen Kernladung des Schwefelatoms werden die 3s-Elektronen zum Kern gezogen und entziehen sich zu der Hybridisierung. Hinzu kommt, dass die Auslenkung der 3p-Orbitale zu groß ist, die darin befindlichen Elektronen nicht so stark zum Schwefelatom gezogen werden und eine Hybridisierung keinen nennenswerten Energiegewinn bringt.

Nun verstehen wir auch, warum es unter normalen Bedingungen zwar ein H3O+-Ion, aber kein H3S+-Ion gibt. Anders als die tetraedrischen Orbitale im Wassermolekül würden sich die rechtwinklig zueinander stehenden Orbitale im H2S-Molekül zu stark abstoßen.


Weitere Texte zum Thema „Schwefel“


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 06. März 2006, Dagmar Wiechoczek