Prof. Blumes Tipp des Monats April 2005 (Tipp-Nr. 94)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Chemische Pop-Art - Spielerei mit Indikatoren

Mit der Chemie lässt sich auch im künstlerischen Bereich Treffliches erschaffen. Nur schade, dass manches Schöne und Beeindruckende davon vergänglich ist - so wie die folgenden Bilder.
Für euch und eure LehrerInnen ein Tipp im Tipp: Das wäre doch einmal ein Thema für ein Projekt wie zum Beispiel "Chemie und Kunst"...

Versuch 1: Gelbe Linien in blauer Lösung
Eine nicht zu kleine Petrischale (zum Beispiel d = 14 cm) wird gut gereinigt und dann halb mit destilliertem Wasser gefüllt. Wir stellen sie auf die Platte eines Arbeitsprojektors, projizieren auf eine weiße Wand und stellen den Projektor erst einmal so richtig scharf.
Nun tropfen wir Bromkresolgrün-Lösung hinzu, so dass die Lösung gelb gefärbt ist. Mit ein-zwei Tropfen (nicht mehr!) verdünnter Natronlauge (c = 2 mol/l) (C) färben wir dann die Indikatorlösung blau (umrühren!). Die Färbung sollte nicht zu verdünnt ausfallen - die Lösung muss aber durchsichtig bleiben.
Anschließend wählen wir ein großes Filterpapier aus. Es muss deutlich größer sein als die Petrischale (zum Beispiel d = 18,5 cm)! Dann halten wir das Papier über eine Kunststoffschale und tropfen konzentrierte Salzsäure (C) darauf. Das Papier saugt sich im mittleren Bereich mit Salzsäure voll. Es darf aber nicht tropfen!
Wir decken damit die Petrischale ab, lassen es darauf liegen und passen genau auf. Durch das feuchte Papier hindurch erkennen wir bald, dass in der blauen Lösung die Bildung von gelben Linien beginnt. Dann nehmen wir das Papier herunter, legen es in die Kunststoffschale (ab in den Abzug!) und betrachten die Projektion.

 

Bild 1 (Fotos: Daggi)


Wir sehen, dass sich die gelben Linien ausdehnen und in der Lösung merkwürdige Gebilde entstehen. Dabei ist alles in ständiger Bewegung.

Wir können das Ganze auch umkehren.

Versuch 2: Blaue Linien in gelber Lösung
Die Lösung aus Versuch 1 wird gerührt, bis sie einheitlich gelb gefärbt ist. Wir können aber stattdessen auch einen neuen Ansatz herstellen: Wasser mit Bromkresol-Lösung, das wir dieses Mal mit einem Tropfen (nicht mehr!) verdünnter Salzsäure (c = 2 mol/l) (Xi) gelb färben. Nun geben wir auf ein neues Filterpapier konzentrierte Ammoniaklösung (C). Dann verfahren wir wie in Versuch 1. Diesmal sehen wir durch das feuchte Papier in der gelben Lösung das Entstehen von blauen Linien. Das Blatt wird dann heruntergenommen und in eine andere Plastikschale (-> Abzug!) entsorgt.

 

Bild 2 (Fotos: Daggi)


Die folgende Bilderreihe zeigt, wie sich die blauen Linien entwickeln.

Bild 3 (Fotos: Daggi)


Wenn wir uns das Ganze in der Projektion angeschaut haben, sollten wir das auch einmal aus der Nähe betrachten: Wir sehen, dass die Linien auch in der Flüssigkeit merkwürdige dreidimensionale Strukturen bilden. Dazu können wir auch eine Schale nehmen, in der die Schichtdicke der Lösung größer ist.


Was steckt chemisch dahinter?
Es handelt sich um die bekannten Indikatorreaktionen, die auf der Veränderung des pH-Werts der Lösungen beruhen. Hier geht es dazu noch um die Löslichkeit von gasförmigen Säure- und Base-Anhydriden.

Konzentrierte Salzsäure zum Beispiel dampft Chlorwasserstoff HCl ab, der rasch in das Wasser eindringt. Bekanntlich ist HCl-Gas sehr gut in Wasser löslich: Bei 20 °C beträgt seine Löslichkeit 500 L Gas / L Wasser.
Nun sollte man erwarten, dass die ganze Oberfläche mit HCl-Gas gesättigt wird. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Es werden die Stellen bevorzugt, bei denen die Lösung zuerst Kontakt mit den HCl-Dämpfen hatte. Von da aus entwickeln sich die Linien. Die Ursache hierfür ist an diesen Stellen eine punktuelle Veränderung der Oberflächenspannung des Wassers, die den weiteren Zustrom von HCl-Gas erleichtert / fördert.

Das Gleiche beobachtet man mit konzentrierter Ammoniaklösung. Das entweichende NH3-Gas ist in Wasser sehr gut löslich: In einem Liter Wasser "verschwinden" bei 0 °C 1176 Liter Ammoniak, bei 20 °C 702 Liter des Gases.

Zwar meint man immer, dass aufgrund des Umklapp-Mechanismus der Wasserstoffbrücken in Wasser Neutralisationsreaktionen sehr rasch durch das ganze Gefäß verlaufen müssten. Aber es gibt da offensichtlich doch Grenzen, wie in diesen Experimenten deutlich wird. Wasser ist in sich nicht so einheitlich strukturiert, wie man immer meint.


Diese Experimente solltet ihr mit allen möglichen Indikatoren aus eurer Chemie-Sammlung durchprobieren
Die folgenden Bilder zeigen den Versuch mit Phenolphthaleinlösung, die zuvor mit ein-zwei Tropfen (nicht mehr!) Natronlauge (C) purpurn eingefärbt wurde.

 

Bild 4 (Fotos: Daggi)


Hier sieht man die zeitliche Entwicklung des Bildes.

Bild 5 (Fotos: Daggi)


Beim Phenolphthalein ist der umgekehrte Vorgang nicht so deutlich, da sich die gesamte Lösung beim Kontakt mit NH3-Gas sofort rosa färbt.

Ihr seht - eurer Gestaltungsfreude sind keine Grenzen gesetzt. Dabei könnt ihr auch viel über Indikatoren lernen. Zum Beispiel gelingt die Bildergestaltung nicht mit allen Indikatoren. Die haben nämlich bestimmte Farbumschlagbereiche. Die Natur ist gegen die Kreativität.

Wenn ihr eine schöne Art-Galerie zusammengestellt habt, könnt ihr die ja als Projektergebnis euren Eltern vorstellen!


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 09. Juni 2010, Dagmar Wiechoczek