Enantiomere Verbindungen sind Stereoisomere, deren Molekülformen sich wie Bild und Spiegelbild verhalten (vom griechischen Wort enantios, entgegengesetzt). Sie sind Spiegelbild-Isomere. Man spricht auch von optischen Isomeren. Denn sie unterscheiden sich nur in einer Eigenschaft: In der optischen Aktivität. Die eine Form dreht den Vektor von polarisiertem Licht nach rechts (+), die andere nach links (-). Das beschrieb man früher auch mit den kleingeschriebenen Buchstaben d (lat. dexter, rechts) bzw. l (lat. laevus, links). Typisch für den Aufbau solcher Strukturisomere ist, dass sie ein C-Atom mit 4 verschiedenen Substituenten enthalten. Dieses asymmetrische C-Atom oder ein Asymmetriezentrum kennzeichnet man oftmals mit einem Sternchen (C*). Ein anderer Begriff ist Chiralitätszentrum (vom griech. chiros, Hand). Die Stellung der Substituenten bezeichnet man mit den großgeschriebenen Buchstaben D und L. Bekannte Beispiele sind vor allem biochemische relevante Verbindungen wie die Milchsäure.
Diese entstehen durch Reduktion von optisch inaktiver Brenztraubensäure CH3-CO-COOH.
Im Organismus oder bei der Milchgärung entsteht nur die L(+)-Form ("Gärungsmilchsäure" oder
"Rechtsmilchsäure"). Das Enzym ist die Lactat-Dehydrogenase (abgekürzt: LDH). Die Auch vom Glycerinaldehyd gibt es zwei Formen. D(+)-Glycerinaldehyd L(-)-Glycerinaldehyd Grundsätzlich erhält man Glycerinaldehyd, indem man optisch inaktives Glycerin oxidiert.
Das kann einmal enzymatisch durch eine Glycerin-Dehydrogenase erfolgen. Im Labor geschieht
dies durch Reaktion mit Wasserstoffperoxid und Fe(II)-Salz als Katalysator.
Wir halten also Folgendes fest:
Bild 1: Molekülmodelle zweier enantiomerer Verbindungen
Bild 2: Molekülmodell eines (nahezu) racemischen Gemischs
Je mehr Modelle wir bauen, desto mehr nähert sich das Gemisch dem Verhältnis 1:1 an. Das ist eine typische Eigenschaft statistischer Systeme. Denn umso größer die untersuchte Population ist, desto genauer stimmen die statistischen Gesetze. Zur Erhöhung der Population gehen uns leider die Molekülmodelle aus. Aber wir können ja auch würfeln!
Chemische Reaktionssysteme beruhen auf Individuenzahlen, die in den Bereich 1020
kommen. Deshalb ist die Bildung racemischer 1:1-Gemische bei ungesteuerten chemischen Reaktionen normal.
Racemisches Gemisch der Weinsäure ("Traubensäure")
Racemattrennung ist dennoch notwendig. Ein schlimmes Beispiel dafür ist das Thalidomid, Inhaltsstoff von Präparaten wie Contergan®. Thalidomid ist aufgrund seiner Synthese ein racemisches Gemisch, von dem nur ein Enantiomer die Missbildungen verursacht, während die andere reine Form als Mittel gegen einige Krebsformen und Lepra auch heute noch eingesetzt wird. Ein Grund für die unterschiedliche Wirkung ist wohl, dass die Thalidomid-Enantiomere im menschlichen Körper verschiedene Rezeptoren besetzen. Inzwischen hat man eine nicht chirale, nicht mehr teratogene (fruchtschädigende) Form entwickelt. Dieses unterschiedliche Verhalten gegenüber Rezeptoren zeigt Möglichkeiten auf, wie man Enantiomere trennen kann. Denn Rezeptoren sind selbst optisch aktiv. Aber gehen wir den historischen Weg. A Physikalische (mechanische) Racemattrennung
Aber man kann auch aus zwei völlig verschiedenen Enantiomerenspezies Diastereomere herstellen. Hierzu ein einfaches Modell: Linke und rechte Handschuhe lassen sich voneinander trennen, indem man versucht, alle Handschuhe über beispielsweise die linke Hand zu ziehen. Dann bleiben die "rechtshändigen" Handschuhe liegen. Obwohl sich linke und rechte Hand sowie linke und rechte Handschuhe jeweils wie Bild und Spiegelbild verhalten (es sind also zwei verschiedene Enantiomerenpaare), haben die möglichen Kombinationen D-D und D-L (die Diastereomere) "passende oder unpassende" Eigenschaften. So kann man versuchen, Enantiomeren mit der einen oder anderen reinen Form eines anderen Enantiomerenpaars zu koppeln; es bilden sich dann möglicherweise unterschiedliche Diastereomere, die sich aufgrund großer Unterschiede z. B. in Löslichkeit oder Reaktivität trennen lassen. Im Folgenden beschreiben wir einige Möglichkeiten dazu.
Es gibt deshalb auch zwei Reihen von Estern: (+)-Säure / (-)-Butanol (-)-Säure / (-)-Butanol Umgekehrt geht das natürlich auch! Dann nimmt man zur Auftrennung eines racemischen Alkoholgemischs z. B. optisch reine Milchsäure oder Weinsäure.
(-)-Strychnin Weitere Beispiele für optisch aktive Basen sind (-)-Chinin und (-)-Morphin sowie andere Alkaloide. Auch das (+)-Cinchonin ist hier zu nennen, ein chininähnliches Alkaloid des Chinarindenbaums. Gibt man eine entsprechende optisch reine Base zur Lösung einer racemischen Säure, so bilden sich zwei Formen von Salzen: (+)-Säure / (-)-Base (-)-Säure / (-)-Base Diese Salze zeigen unterschiedliche Löslichkeiten und können deshalb durch fraktionierte Kristallisation getrennt werden. Sie unterscheiden sich auch in ihrem Schmelzpunkt. Hier ein Beispiel: Die racemische D,L-Mandelsäure C6H5-*CH(OH)-COOH wird durch (+)-Cinchonin in ihre beiden enantiomeren Formen getrennt.
Die D(-)-Mandelsäure ist die im Amygdalin natürlich vorkommende Form. Die Rückgewinnung der Base erfolgt, indem man das jeweils abgetrennte diastereomere Salz mit Salzsäure behandelt. Umgekehrt geht das natürlich auch. Man nimmt dann ein racemisches Basengemisch, das man mit einer optisch reinen Säure wie der D-Mandelsäure reagieren lässt. Nach Trennung der diastereomeren Salze wird die Base mit Natronlauge freigesetzt.
Diese enzymatische Selektion ist wahrscheinlich Grundlage für die Entdeckung Pasteurs, der um 1860 bemerkte, dass Mikroorganismen eine Lösung von racemischer Weinsäure ("Traubensäure") derart veränderten, dass die zuvor optisch inaktive Mischung zunehmend linksdrehend wurde. Der Nachteil der Methode ist, dass durch sie gerade diejenigen Moleküle abgebaut werden, die als Substrate für biochemische Untersuchungen erwünscht sind. Aber die Methode ist dann gut anwendbar, wenn man nur zeigen will, dass es sich bei einer Substanz um ein racemisches Gemisch handelt.
Das lässt sich als eine rein physikalische Methode auffassen. Man kann aber auch argumentieren, dass entsprechend polarisiertes Licht mit dem optisch aktiven Molekül eine diastereomere Einheit eingeht. Diese werden dann schematisch wie folgt beschrieben: (+)-Molekül / (+)-Strahlung (-)-Molekül / (+)-Strahlung
Bild 3 (Fotos: Andreas)
Auch hier gibt es Trennverfahren, die dem physikalischen Bereich zuzuordnen sind. 1 In Ostasien lebt eine Schlange (Pareas iwasakii), die auf das Jagen von
Gehäuseschnecken spezialisiert ist. Sie hat es "gelernt", mit einer entsprechenden Drehbewegung ihres
Kopfes die Schnecke aus ihrem Häuschen zu holen. Sie hat sogar ihren Kieferapparat so angepasst, dass
sie nur Rechtser vernaschen kann. Ihr fehlen im linken Kiefer schlicht die Zähne zum Zupacken. Auch hier
haben wir es letztlich mit einem diastereomeren Gebilde zu tun.
2 Wie Schneckenkönige von französischen Arbeitern "diastereomer" selektiert werden, beschreiben wir hier.
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