Prof. Blumes Tipp des Monats September 2015 (Tipp-Nr. 219)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Zucchini, Gurken, Kürbis & Co: Vor bitteren Speisen wird gewarnt

In letzter Zeit ging diese Meldung durch die Zeitung: Ein Mann ist nach dem Verzehr von Zucchini gestorben. Seine ebenfalls betroffene Frau konnte noch gerettet werden. Sie hatte offenbar weniger davon gegessen. Denn der Zucchini-Eintopf schmeckte schrecklich bitter. Nun weiß eigentlich jeder, dass der bittere Geschmack als Warnhinweis dienen sollte.

Der Inhaltsstoff heißt Cucurbitacin. Mit einiger Phantasie kann man darin das deutsche Wort Kürbis entdecken (lat. cucurbita, Kürbis). Die Pflanzengruppe, die diesen Stoff enthält, ist nämlich die der Kürbisgewächse (Cucurbitaceae). Das heißt, dass Cucurbitacin nicht nur in Zucchini vorkommen kann, sondern auch in Gurken und Kürbissen. Ich erinnere mich noch an die WK II-Nachkriegsjahre, wo es öfter mal bittere Salat-Gurken zu essen gab. (Weil sie damals noch krumm sein durften, sprach man auch von „Schlangen“-Gurken.) Bevor sie verarbeitet wurden, probierten wir sie. Wenn sie zu bitter waren, warfen wir sie einfach weg.

Bild 1: Zucchini
(Foto: Blume)


Allerdings wurde mittlerweile bei unseren Kulturpflanzen der Bitterstoff herausgezüchtet. Die Pflanzen ohne Bitterstoffe verfügen wahrscheinlich über ein Suppressor-Gen, das deren Biosynthese unterdrückt (lat. supprimere; unterdrücken). Offenbar kann es aber (wenn auch äußerst selten) unter bestimmten, noch nicht sicher bekannten Bedingungen zu einer Rückmutation kommen.

Der Bitterstoff Cucurbitacin ist ein Steran-Derivat, gehört also zu den tetracyclischen Triterpenen. Sterane als toxische Pflanzeninhaltsstoffe haben wir schon bei Saponinen kennengelernt. Da haben wir auch vom bitteren Geschmack dieser Stoffklasse erfahren. Letztlich sind es Abkömmlinge des Lanosterins, das hinsichtlich des molekularen Aufbaus dem Cholesterin ähnelt.

Es gibt eine Vielzahl von Cucurbitacin-Arten. Hier ist ein Beispiel:


Die Cucurbitacine liegen in den Pflanzenzellen als Glykoside mit Glucose oder Rhamnose vor. Durch eine hochleistungsfähige Hydrolase werden sie bei Schädigung des Gewebes rasch in das entsprechende Aglykon überführt.

Die Cucurbitacine wirken unter anderem zelltoxisch. Sie beeinflussen z. B. den Stoffwechsel der DNA und die Proteinbiosynthese, aber auch den Spindelapparat bei der Zellteilung.


Nun bleibt die Frage, warum überhaupt der Mann soviel von dem bitteren Zucchini-Eintopf gegessen hat
Vielleicht war er ein sparsamer Mensch, der das Essen nicht wegwerfen wollte. Es kann aber auch sein, dass er zu den Menschen gehörte, die bitteren Geschmack gar nicht wahrnehmen können. Solche Leute gibt es. Besonders sind davon Kinder betroffen. Die können z. B. auch nicht erkennen, wenn sie statt süßer Mandeln Bittermandeln essen - und beim Abbau von deren Inhaltsstoff Amygdalin eine Blausäurevergiftung erleiden. Man spricht von „Bitterblindheit“.

Einige Käfer werden nicht von den Bitterstoffen abgeschreckt; im Gegenteil: Sie speichern die aufgenommenen Cucurbitacine und nutzen sie so zum eigenen Schutz vor dem Gefressenwerden. Vögel z. B. reagieren deutlich auf Bitterstoffe.


Warum entwickeln die Pflanzen überhaupt Bitterstoffe?
Diese dienen offenbar als Abwehr gegen Fressfeinde. Dabei müssen die Bitterstoffe gar nicht giftig sein. Erinnert sei an den schrecklich bitteren Gallenröhrling, ein Pilz, der dem Steinpilz so ähnlich ist und deshalb mit ihm verwechselt wird. Der Gallenröhrling ist nicht giftig - aber wer mit ihm einmal ein Gericht verdorben hat, lässt den Pilz im Walde gerne stehen.

Bild 2: Ein besonders schönes Exemplar eines Gallenröhrlings
(Foto: Blume)

Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 20. September 2015, Dagmar Wiechoczek