Prof. Blumes Tipp des Monats September 1999 (Tipp-Nr. 27)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Bunte Chemie: Elektrolyse von Ammoniumchloridlösungen

Ihr habt sicherlich schon einmal die Elektrolyse von Natriumchloridlösungen durchgeführt. Warum untersucht ihr nicht mal das Elektrolyseverhalten von wässrigen Ammoniumchloridlösungen? Dabei könnt ihr wieder einmal eine Menge Chemie lernen.

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Bild 1: Versuchsaufbau


Versuch 1: Elektrolyse von wässrigen Ammoniumchloridlösungen
In ein U-Rohr mit Diaphragma füllt ihr eine Ammoniumchloridlösung (w = 10 %). Taucht zwei saubere Graphitelektroden hinein und legt eine Gleichspannung von 10 V an. An beiden Elektroden entwickeln sich Gase. Wartet ein paar Minuten und schnuppert dann vorsichtig an den einzelnen Elektroden. Was stellt ihr fest?
Prüft die Gase auch mit chemischen Reaktionen. Hierzu haltet ihr ein feuchtes Kaliumiodid/Stärke-Papier über die Elektroden. An der Anode färbt es sich lila-blau: Es handelt sich um Chlor. An der Kathode reagiert das Papier nicht. Mit dem Gas, das sich dort bildet, könnt ihr aber die Knallgasprobe durchführen: Es ist Wasserstoff.
Haltet auch ein feuchtes pH-Papier in die Gase. An der Anode färbt es sich rot, an der Kathode blau.
Ihr könnt auch die Öffnung einer Flasche mit konzentrierter Salzsäure daran halten: An der Kathode bilden sich Nebel von Ammoniumchlorid.

An der Anode entsteht Chlor:

2 Cl- ———> Cl2 + 2 e-

Das Chlor reagiert mit Iodid zu Iod: Cl2 + 2 I- ———> 2 Cl- + I2, das mit Stärke den bekannten blauen Komplex bildet.
Außerdem reagiert Chlor mit Wasser zu Säuren, daher die Reaktion des feuchten Indikatorpapiers.

An der Kathode entsteht Wasserstoff:

2 H+ + 2 e- ———> H2

Woher aber stammen die entladenen Protonen? An der Kathode weist ihr zusätzlich Ammoniak nach. Es entsteht aus den Ammonium-Ionen. Diese liefern gleichzeitig die Protonen. Deshalb müsst ihr den Kathodenvorgang etwas genauer formulieren:

2 NH4+ + 2 e- ———> 2 NH3 + H2

Das Ammoniak reagiert wieder mit Wasser zu Ammonium-Ionen, wobei sich Hydroxid-Ionen bilden.
Vergleicht diesen Mechanismus mit der Elektrolyse von Natriumchloridlösungen, bei der sich ja auch Hydroxid-Ionen bilden. Diese entstammen aber direkt dem Wasser, dessen Protonen entladen werden.
Ihr seht, dass das System Ammoniak/Ammonium-Ionen als Katalysator wirkt. Das Reaktionsgeschehen können wir deshalb als Katalyse-Kreisprozess formulieren. Allerdings wird das Ammoniak zunehmend ausgetrieben, da die Lösung immer basischer wird.

Wenn wir die Elektrolyse von vornherein in Gegenwart eines pH-Indikators durchführen, können wir direkt verfolgen, was in den Elektrodenräumen passiert.


Versuch 2: Elektrolyse von mit pH-Indikator versetzten Ammoniumchloridlösungen
Geht vor wie in Versuch 1. Setzt der Ammoniumchloridlösung zuvor ausreichend Lösung von Bromthymolblau (w = 0,1 % in Ethanol; F) zu. Die Mischung sollte nun kräftig gelblichgrün gefärbt sein. Sofort nach Beginn der Elektrolyse beobachtet ihr an der Kathodenoberfläche blaue Schlieren. An der Anode hellt sich der Farbstoff kräftig auf. Hier wird er zum Teil durch das Chlor zerstört.
Probiert auch andere Indikatoren aus!

Bild 2: Ammoniumchlorid vor und nach der Elektrolyse
(Fotos: Daggi)


Es gibt auch Indikatoren, die die Redoxlage der Elektrolytlösungen in den Elektrodenräumen anzeigen. Damit könnt ihr ebenfalls bunte Lösungen zaubern. Ein solcher Redoxindikator ist das Ferroin. Dessen Lösung könnt ihr direkt bei Merck kaufen.

Versuch 3: Elektrolyse von Ammoniumchloridlösungen in Gegenwart von Ferroin
Geht vor wie in Versuch 2. Setzt der Ammoniumchloridlösung zuvor nicht zu wenig Ferroin-Lösung (c = 0,025 mol/l in verdünnter Schwefelsäure; Xi) zu. Die Lösung sollte kräftig gefärbt sein. Nach etwa zehnminütiger Elektrolyse färbt sich der Anodenraum tiefblau, während der Kathodenraum seine rote Farbe behält.

Bild 3:Ammoniumchlorid vor und nach der Elektrolyse
(Fotos: Daggi)


Ferroin ist übrigens der Indikator, der auch bei der Belousov-Zhabotinskii-Reaktion (auch bekannt als "oszillierende Reaktion") eingesetzt wird. Chemisch handelt es sich um einen 1,10-Phenanthrolin-Eisensulfat-Komplex. Mit zweiwertigem Eisen sind seine Lösungen rot gefärbt, mit dreiwertigem Eisen blau. Letztere entstehen, wenn starke Oxidationsmittel wie das Chlor anwesend sind.

Diese Versuche könnt ihr natürlich auch mit Natriumchloridlösungen durchführen. Allerdings riecht ihr dann kein Ammoniak, und das Metall Natrium könnt ihr auch nicht sehen, da es sich aufgrund zu hoher Überspannung aus wässrigen Lösungen gar nicht abscheiden lässt.

In der Chemiegeschichte spielt übrigens die Suche nach dem "NH4-Metall" eine große Rolle. Es bildet sich tatsächlich bei der Elektrolyse von Ammoniumchloridlösungen mit Quecksilber-Elektroden.

NH4+ + e- ———> NH4

Das NH4 ist ein Radikalmolekül. Es ist jedoch nur als Amalgam bekannt und in wässrigen Lösungen weder herzustellen noch stabil. Es existiert nur bei tiefen Temperaturen in flüssigem Ammoniak als Lösemittel.


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 12. August 2008, Dagmar Wiechoczek