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Tipp des Monats Februar 2016 (Tipp-Nr. 224)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Arsen im Reis

Sabine Streller

Reiswaffeln sind lecker – und sie sind ein beliebter Pausensnack. Da Reis nicht nur reichhaltig an Eiweißen, Mineralstoffen und Vitaminen ist, sondern darüber hinaus auch frei von Gluten, ist Reis ein häufiges und wichtiges Nahrungsmittel insbesondere für Menschen mit Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) geworden. Und nun ist Essen von Reis plötzlich gefährlich?

Bild 1: Reiswaffeln
(Foto: Streller)

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat im Sommer 2015 eine Stellungnahme herausgegeben, in der auf erhöhte Gehalte von anorganischem Arsen in Reisprodukten hingewiesen wurde [1]. Als eine Konsequenz aus den zunehmend auftretenden Arsenbefunden z. B. im Reis ist zum 1. Januar 2016 eine neue EU-Richtlinie in Kraft getreten, die den Arsengehalt in Lebensmitteln stärker reglementiert [2]. Mit dieser Verordnung sinkt nun die tolerierbare Aufnahme von Arsen (As(III) und As(V)) von 15 µg/kg Körpergewicht pro Woche auf 0,3 µg/kg Körpergewicht pro Tag.

Arsen hat in der Rangliste der Elementhäufigkeiten die Position 37 inne, ist also häufiger als Platin, Silber und Gold. Anders als diese Edelmetalle ist das Halbmetall Arsen leider sehr giftig.

Als giftigste Arsenverbindung gilt Arsenik, Arsen(III)-oxid As2O3. Deshalb wurde Arsenik früher Holzschutzmitteln zugesetzt und in Schädlingsbekämpfungsmitteln verwendet. Bergleute im Erzgebirge kannten den „Fliegenstein“, der in der Küche ausgelegt Fliegen bekämpfen sollte. Der bestand aus elementarem Arsen (Scherbenkobalt). Wirksam war wohl das darauf befindliche Arsenik.

Auch für medizinische Zwecke war Arsen wichtig: So beruhten Mittel zur Bekämpfung von Syphilis auf organischen Arsenverbindungen (Stichwort Salvarsan; heute nimmt man stattdessen Antibiotika).

Arsen wird auch noch heute technisch genutzt, so in Bleilegierungen für Munition. Am wichtigsten ist gegenwärtig wohl die Verwendung für Galliumarsenid-Halbleiter.

Da Arsen einerseits natürlich in der Form von Mineralien in unserer Umwelt vorkommt (wie zum Beispiel im Erzgebirge) und andererseits aber aus den Nutzungen durch den Menschen wieder in Wasser, Boden und sogar als As2O3-Staub in die Luft gelangt, finden wir Arsen zunehmend im Nahrungskreislauf. Pflanzen nehmen Arsen wie andere Mineralien mit dem Wasser auf und lagern es in bestimmten Pflanzenteilen ab. Insbesondere in den Randschichten von Reiskörnern ist der Arsengehalt erhöht [1]. Der Arsengehalt ist besonders groß bei ungeschältem Reis, der wegen seines Gehalts an Vitamin B1 (Thiamin) als äußerst gesund gilt. Aber auch Weizen und andere Gräser enthalten Arsen, so dass es auch in die Milch von Kühen gelangt. Tatsächlich nehmen die meisten Menschen in Europa insgesamt mehr Arsen über den Konsum von Weizen- als von Reisprodukten zu sich [1]. Kleinkinder nehmen oft mehr Arsen über die Milch und das Trinkwasser als über Reis auf. Nichtsdestotrotz sind die erhöhten Arsenwerte im Reis bedenklich, vor allem für die Menschen, die sich fast ausschließlich von Reis ernähren, und bedürfen strenger Beobachtung. Da Arsen – und vor allem das anorganische Arsen wie Arsenik – als krebserregend eingestuft ist, ist eine Arsenaufnahme mit der Nahrung unbedingt zu minimieren oder gar zu vermeiden – soweit dies überhaupt möglich ist.

Noch vor gut hundert Jahren hat man nicht so sorgfältig die Aufnahme von Arsen versucht zu vermeiden – ganz im Gegenteil! Im 19. Jahrhundert war die Einnahme von Arsenik vor allem in der Steiermark und Tirol eine beliebte Modeerscheinung. Nur 2 mg – hübsch verbacken in Arseniktörtchen und mit einem Schnaps heruntergespült – führten zu einem wohligen Gefühl im Bauch, brachten rote Lippen und vollere Wangen [3]. Die stimulierende und kosmetische Wirkung war aber nicht nur auf den Menschen beschränkt. Ebenso konnten unseriöse Pferdehändler mit kleinen Arsenikgaben einen klapprigen Gaul in ein stattlicheres Pferd mit glänzendem Fell und strahlendem Blick verwandeln. Tatsächlich können sich Mensch und Tier an geringe Dosen von Arsenik gewöhnen. Es gibt die Legende von den Arsenessern, denen Arsenverträglichkeit antrainiert wurde und die dann als so genannte Vorkoster in Fürstenhäuser eingeschmuggelt wurden, um mit Arsenik vergiftetes Essen ohne sichtbare Schäden zu prüfen – bevor man es einem missliebigen Menschen vorsetzte und den damit umbrachte. Gleichwohl machen die sich später einstellenden verheerenden Schäden an Geweben wie der Haut und an den Verdauungsorganen wenig Appetit auf eine Arsenikverkostung.


Warum ist besonders Reis mit Arsen belastet?
Reis wächst in Feldern, die unter Wasser stehen.

Bild 2: Reisfeld in China
(Foto: Daggi)

Wenn diese Gewässer mit Arsen belastet sind, besteht die Gefahr, dass die Pflanzen Arsen aufnehmen und Reispflanzen nehmen bis zu 10 mal mehr Arsen auf als andere Süßgräser. Das ist zum Beispiel der Fall in Bangladesh, einem der Hauptproduzenten von Reis: Der Hauptfluss Brahmaputra, der aus dem Himalaja-Gebirge kommt, weist aus geologischen Gründen eine besonders hohe Arsenkonzentration auf. So sind auch die Fluss-Sedimente stark belastet. Chronische Arsenvergiftungen sind im Ganges-Delta deshalb keine Seltenheit.


Warum ist Arsen so giftig?
Arsen und Phosphor stehen in der gleichen Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente (PSE), sie sind also „Verwandte“. Die Giftigkeit von anorganischen Arsenverbindungen (wie Arsenik und die davon abgeleiteten Arsenate bzw. Arsenite) beruht unter anderem darauf, dass sie mit Phosphaten konkurrieren. Insbesondere stört Arsen den Energie-Stoffwechsel, an dem ATP beteiligt ist. Da auch die anderen Nucleotide betroffen sind, gibt es außerdem Störungen bei der Synthese von Nucleinsäuren. Deshalb stehen Arsenverbindungen auch im Verdacht, Krebs auszulösen. Hinzu kommt dass Arsen auch wie die giftigen Schwermetalle mit Thionylgruppen (R-SH) reagiert und auf diese Weise aktive Zentren von Enzymen und von anderen biochemisch wichtigen Substanzen blockiert.


Nachweise von Arsen
Es gibt viele Nachweis-Reaktionen für Arsen. Das hatte vor allem kriminologische Gründe: Denn Arsenik war ein beliebtes Mittel, um zum Beispiel Erbfolge-Prozeduren abzukürzen.

Einige Nachweisreaktionen von Arsen sind im Unterricht nur bedingt umsetzbar. Denn alle Arsenverbindungen sind giftig; Versuche mit Arsentrioxid As2O3, Arsensäure H3AsO3 und Arsenwasserstoff AsH3 sind in der Schule nicht erlaubt. Das gilt auch für Versuche, bei denen diese Stoffe gebildet werden. Damit ist die Durchführung der berühmten Marshschen Probe, bei der primär Arsenwasserstoff entsteht, nicht möglich. Anders ist das bei der Bettendorfschen Probe; dieser liegt die Reduktion von Arsen(III)-Verbindungen mit Zinn(II)-Ionen zu Grunde. Das deutlich sichtbar ausfallende Arsen macht die Probe einfach und sicher durchführbar. Elementares Arsen selbst ist nicht so giftig wie seine Verbindungen. Außerdem bleibt das Arsen als Suspension in der Lösung.

Für den Nachweis eignet sich als arsenhaltige Verbindung Natriumarsenit NaAsO2, da es leicht wasserlöslich ist.


Versuch: Bettendorfsche Probe auf Arsen [4]
Ca. 5 mL einer Lösung von Natriumarsenit (c = 0,05 mol/L) (T) werden im Reagenzglas mit einigen Tropfen konzentrierter Salzsäure (C) versetzt. Nach Zugabe einiger Kristalle Zinn(II)-chlorid (Xn) wird die entstandene farblose Lösung vorsichtig in der Bunsenbrennerflamme erwärmt.
Nach wenigen Sekunden erscheint ein dunkler Niederschlag von Arsen, der die Lösung zunächst braun, dann schwarz färbt.
Entsorgung: Lösungen zum Schwermetall-Abfall geben.


Bei dem Versuch läuft folgende Reaktion ab:

Letztlich wird Arsen(III) durch Zinn(II) zu elementarem Arsen reduziert. Die Reaktionsgleichung (1) können wir deshalb verkürzt so schreiben:

Elementares Arsen hat eine schwarz-braune Farbe.

Bild 3: Bettendorfsche Probe. Von links mit zunehmender Erwärmung und damit stärkerer Ausfällung von Arsen
(Foto: Streller)

Dieser Versuch ist leider nicht geeignet, um im Chemie-Unterricht Arsen-Verbindungen in Reiszubereitungen aufzuspüren. Dazu sind aufwendigere, apparative Untersuchungen notwendig – wie z. B. mit der HPLC oder mit der Ionenchromatographie.


Literatur:
[1] Bundesinstitut für Risikobewertung: Arsen in Reis und Reisprodukten. Stellungnahme Nr. 018/2015 des BfR vom 24.06.2014.
[2] Verordnung (EU) 2015/1006 der Kommission vom 25. Juni 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 hinsichtlich der Höchstgehalte für anorganisches Arsen in Lebensmitteln. Veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union am 26.6.215.
[3] Süss-Fink, G.: Arsenvergiftungen. Chemie in unserer Zeit, 2012, 100-109.
[4] Jander, G.: Einführung in das anorganisch-chemische Praktikum. 13. neu bearb. Auflage von J. Strähle und E. Schweda, 1990.


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Letzte Überarbeitung: 09. Februar 2016, Fritz Meiners