Bunter Kunststoff sieht nicht immer schön aus Jens Schorn
Bunte Kunststoffe faszinieren Jung und Alt. Jedenfalls trifft das zu, wenn man sich auf deren Farbigkeit in allen Lebenssituationen verlassen kann. Bild 1: Bunte Kunststoffe
Wenn beim Gebrauch von Alltagskunststoffen aber Farbveränderungen auftreten, dann führt das oft zu einem ästhetischen Problem und beschränkt die Verwendung. Jeder der schon einmal seine Tomatensoße oder Karottensuppe in einer Kunststoffdose für den nächsten Tag im Kühlschrank oder sogar im Gefrierschrank aufbewahrt hat, weiß um diese Veränderungen. Werden Kunststoffe im medizinischen Bereich eingesetzt, z. B. sogenannte Aligner (engl. align = ausrichten) zur Korrektur von Zahnfehlstellungen, und kommen mit intensiv färbenden Lebensmitteln zusammen, so entstehen Verfärbungen. Solche Verfärbungen möchte man sofort wieder weghaben, da man diese Zahnspangen in der Regel 1-2 Wochen täglich 22 Stunden und auch beim Essen tragen soll. Bild 2: Curcumagelbe Zahnspange
Zur Überprüfung, durch welche Lebensmittel die intensivste Verfärbung bei diesen Kunststoffzahnspangen entsteht, kann man Teile der Kunststoffe zusammen mit den Lebensmitteln in einer öligen Lösung (beliebiges Speiseöl) oder wässrigen Lösung jeweils 2 Stunden aufbewahren. Bild 3: Färbeversuche mit Lebensmitteln
Von Links nach rechts wurden hierzu folgende Lebensmittel eingesetzt.
Die Ergebnisse von einfachen Färbeversuchen nach dem Abspülen mit warmem Wasser sehen dann so aus: Bild 4: Ergebnisse der Färbeversuche
Hier zeigt sich, dass Curcuma in reiner Form oder als Bestandteil von Curry die intensivste Färbung hinterlässt.
Bild 5: Curcuminstruktur
Bild 6: Carotinstruktur
Bild 7: Lycopinstruktur
Alle drei Moleküle sind langkettig und besitzen sogenannte konjugierte Doppelbindungssysteme. Das heißt, Einfachbindungen und Doppelbindungen wechseln sich im Molekül ab. Diese Systeme aus Bindungselektronen lassen sich durch Licht leicht zum Schwingen anregen, was dazu führt, dass bestimmte Anteile des Lichtes vom Molekül absorbiert werden. Der Anteil des Lichtes, der nicht absorbiert wird, wird reflektiert und wird von uns als Farbeindruck wahrgenommen. Dieses Prinzip trifft nicht nur auf organische Stoffe, wie diese Pflanzenfarbstoffe zu, sondern erklärt grundsätzlich, warum Farbstoffe farbig sind. Klicke hier Vergleicht man nun die Struktur der Farbstoffe mit der Struktur des Kunststoffes, aus dem solche Zahnspangen sind, so stellt man ebenfalls Ähnlichkeiten fest. Laut Herstellerangaben, bestehen die Folien für solche Aligner oder sogenannte dentale Tiefziehschienen aus den folgenden Kunststoffsorten.
Damit bestehen sie aus den gleichen Massenkunstoffen, wie sie z.B. für die Herstellung von Küchenutensilien (Aufbewahrungsboxen usw.) verwendet werden. Es handelt sich in allen Fällen um thermoplastische Kunststoffe, die sich in der Wärme verformen lassen und somit dann in die Form z.B. einer Zahnspange gebracht werden können. Dass sich nun gerade Curcumin so gut in dem Kunststoff von Küchenutensilien oder Zahnspangen löst, liegt an dem etwas kleineren Molekül im Vergleich zu Carotin und Lycopin und daran, dass das Curcuminmolekül auch noch sogenannte funktionelle Gruppen mit Sauerstoff besitzt.
Bild 8: Curcumin mit rot und grün markierten Molekülteilen
Der systematische Name von Curcumin enthält dementsprechend auch zwei Hinweise auf diese funktionellen Gruppen. (1E,6E)-1,7-Bis-(4-hydroxy-3-methoxyphenyl)-hepta-1,6-dien-3,5-dion Bei den rot markierten Gruppen handelt sich um Alkoholgruppen, die als molekulare Bestandteile in jedem Alkohol, wie dem bekannten Trinkalkohol, vorkommen. Die im Molekül grün dargestellten Carbonylgruppen sind in allen Ketonen, wie z.B. dem Aceton enthalten. Über diese Seitengruppen des Curcumins binden die Moleküle an den Kunststoff stärker als der Farbstoff der Karotten oder von Tomaten, denn diese Moleküle besitzen eben diese polaren Seitengruppen nicht. Die Bindungen zwischen den Kunststoffmolekülen und den Farbstoffmolekülen entstehen durch elektrostatische Wechselwirkungen. Man unterscheidet die Van-der-Waals Kräfte zwischen unpolaren Molekülbereichen und die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen polaren Molekülbereichen. Da Curcumin mehr polare Molekülbereiche besitzt und es außerdem aus vergleichsweise kleinen Molekülen besteht, passt es besser zwischen die langen Molekülketten der Kunststoffe und kann auch viel besser an Kunststoffe mit gleichen Molekülbestandteilen binden. Im Falle des PETs sind das sogenannte Acylgruppen, die sich von den Carbonsäuren als Ausgangsstoffen zur Herstellung von PET herleiten. Diese Acylgruppen ermöglichen die elektrostatischen Wechselwirkungen mit dem Curcumin, sodass der Farbstoff sehr gut an dem Kunststoff haftet. Bild 9: PET
Die verfärbten Zahnspangenstücke werden jeweils 1 Stunde den folgenden Experimentierbedingungen unterzogen. Teile des verfärbten Kunststoffs werden in haushaltsübliche Entfärbungs- bzw. Reinigungsmittel gelegt. Hierzu zählen:
Letztlich kann man es auch mit Sonnenlicht oder, wenn möglich direkt mit UV Licht versuchen. Auch das einfache Kochen soll bei Pflanzenfarbstoffen zur Verfärbung bzw. zur Entfärbung führen. Verweis auf Tipp 212 (Manches Gemüse entfärbt sich beim Garen) Im Chemielabor kann man es auch mit Bromwasser versuchen. Alle Verfahren haben zum Ziel die konjugierten Doppelbindungssysteme der Farbstoffmoleküle zu zerstören und damit eine Farbveränderung oder völlige Entfärbung zu erreichen.
Führt man diese Entfärbungsreihe mit Zahnspangenteilen durch, die mit den anderen Lebensmittelfarbstoffen eingefärbt wurden (Ergebnisse der Färbeversuche) so gelingt die Entfärbung sehr schnell. Das trifft besonders auf die in wässriger Lösung gefärbten Kunststoffe zu. Die Verfärbung mit Curcumin erweist sich als besonders stabil und hartnäckig.
Hierzu werden die Kunststoffstücke jeweils 1 Stunde in unterschiedliche häusliche Chemikalien wie z.B. Butter, Maiskeimöl und Ethanol gelegt. Bild 17: Herauslösen des Farbstoffs
Ethanol ist gerade bei längerer Einwirkdauer sehr gut geeignet, um die Curcuminverfärbungen aus Kunststoffen des häuslichen Gebrauchs oder aus medizinischen Zahnspangen aus Kunststoff herauszulösen. Betrachtet man das Ethanolmolekül und vergleicht es mit dem Curcuminmolekül, so findet man hier wieder die für Alkohole charakteristische Alkoholgruppe. Bild 21: Ethanol
Außerdem ist das Ethanolmolekül klein genug, um in den Kunststoff einzudringen. Die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen dem Ethanol und dem Curcumin führen dazu, dass der Farbstoff langsam aus dem Kunststoff gelöst wird. Alle anderen Maßnahmen sind wenig erfolgreich, also sollte man bei der Zubereitung oder dem Genuss von Speisen mit Curcumin, Lycopin oder Carotin auf den Kontakt mit Kunststoffen verzichten oder bei der Speisenzubereitung lieber auf Glas- oder Metallgefäße ausweichen. Zahnspangenträger mit solchen Kunststoffzahnspangen sollten bei solch bunten Speisen, wie einem leckeren Curry, die Zahnspange besser aus dem Mund nehmen. So wird der Genuss der farbenfrohen Speisen nicht in durch unschöne Verfärbungen getrübt.
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