Wolfram Keil
In den naturwissenschaftlichen Fächern bieten sich immer wieder Anlässe, das Wissen über die Aggregatzustände zu erweitern. Sei es um zu klären ob der Aggregatzustand eine Stoffeigenschaft ist (ist er ohne Temperaturbezug nicht - Eigenschaften sind die Schmelz- und Siedetemperatur), wie sich die Aggregatzustände auf der Teilchenebene unterscheiden oder aus welchen Gründen ein Stoff bei Raumtemperatur in einem bestimmten Aggregatzustand vorliegt (Struktur-Eigenschafts-Konzept). In der Chemie genügt meist die Einteilung in die drei klassischen Aggregatzustände. Unter den Übergängen zwischen den Aggregatzuständen ist der Übergang zwischen fest und gasförmig - die Sublimation der faszinierendste, weil er in unserer Lebensumwelt seltener wahrgenommen wird. Schön wäre ein Versuch, mit dem man spontan und ohne viel Aufwand - also als Freihandversuch - eine Sublimation zeigen könnte. Diese Versuche sind wegen des violetten Ioddampfes schön anzusehen, sollten aber auch mit Vorsicht durchgeführt werden, da Jod und Ioddämpfe Augen, Haut und Atemwege reizen. Die Sublimation in offenen Gefäßen - auch unter dem Abzug - sollte vermieden werden. Bei Sublimationsversuchen mit Iod ist zusätzlich zu beachten, dass Iod bei Normaldruck durchaus zwischen 114°C und 184°C flüssig ist. Es sublimiert aber wegen seines geringen Dampfdrucks auch schon unterhalb der Schmelztemperatur, wobei der violette Dampf im Gegensatz zu den farblosen Gasen anderer Stoffe gut wahrgenommen werden können. Die Kunst des Experimentators besteht also darin, die Temperatur knapp unter dem Schmelzpunkt zu halten. Einfacher und anschaulicher wäre es doch Stoffe zu sublimieren, die bei Normaldruck gar nicht flüssig vorliegen können und sich beim Erhitzen auch nicht zersetzen. Zu diesen Stoffen gehören z.B. Arsen, Kohlenstoff und Kohlenstoffdioxid. Arsen ist giftig und die Sublimationstemperatur von Kohlenstoff liegt bei 3642°C. Gute Gründe sich auf Trockeneis - also festes Kohlenstoffdioxid - zu konzentrieren. Hier soll es aber um die spontane Herstellung von Trockeneis unter schulischen Bedingungen gehen. Zur spontanen Herstellung von Trockeneis sind Druckbehälter mit flüssigem Kohlenstoffdioxid nötig. Dafür gibt es im schulischen Umfeld verschiedene Möglichkeiten. Sehr komfortabel und preisgünstig wäre jedoch das Freisetzen von Trockeneis aus einem CO2-Zylinder für Wassersprudler Das Prinzip würde der eben beschriebenen Methode entsprechen - nur ohne die angesprochenen Gefahren. Klick mich an! Bild 1: CO2-Zylinder für Wassersprudler
Die entscheidende Frage lautet:
Zuerst berechnen wir, welches Volumen an gasförmigem Kohlenstoffdioxid bei Standarddruck aus dem Zylinder freigesetzt werden kann. Danach ermitteln wir, ob der Zylinder diesem Gasdruck gewachsen wäre. Zur Berechnung benötigen wir die Masse des enthaltenen Kohlenstoffdioxids. Diese Information finden wir auf dem Zylinder. Klick mich an! Bild 2: Inhaltsangabe auf einem CO2-Zylinder für Wassersprudler
Es gibt verschieden große Zylinder aus Stahl oder Aluminium. Als Beispiel dient hier ein Stahlzylinder mit 290 g CO2. Zusätzlich benötigen wir für die Berechnung noch die molare Masse (M) des Kohlenstoffdioxids, die wir mit Hilfe des Periodensystems zusammenaddieren, und das molare Volumen (Vm) von Gasen mit einem Wert von 24 L/mol. Für alle, die jetzt protestieren wollen, weil sie gelernt haben, dass der Wert des molaren Volumens 22,4 L/mol ist, sei erwähnt, dass dieser Wert für Standardbedingungen also für 0°C (und 1000 hPa = 1 bar) gilt. Wer aber möchte bei dieser eisigen Temperatur experimentieren oder gar rechnen? Die 24 L/mol sind der Wert für angenehme 20°C. Nun zur Rechnung: Die angegebenen 290 g CO2 entsprechen also bei 20°C und 1000 hPa einem Volumen von 158 L Gas. An der Flaschenschulter finden wir ins Metall geschlagene Stempel mit Angaben zum Volumen (0,4 L) und dem Prüfdruck (250 bar). Eine Angabe zum Prüfdruck findet sich gelegentlich auch auf dem Ventil. Klick mich an! Bild 3 und 4: Schlagstempel für Volumen und Prüfdruck auf dem CO2-Zylinder
Daraus folgt: Befänden sich 158 Liter Gas in einer 0,4 L-Flasche, ergäbe das einen Druck von 395 bar. Das liegt nun aber weit über dem zugelassenen Druck des Zylinders. Das CO2 im Inneren liegt demzufolge nicht im gasförmigen, sondern anteilig auch im flüssigen Aggregatzustand vor. Da der Teilchenabstand in einer Flüssigkeit erheblich kleiner ist, ergibt sich bei 20°C ein realer Druck von 59 bar. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass man aus dem CO2-Zylinder eines Wassersprudlers theoretisch Trockeneis gewinnen kann. Nun stellt sich als nächstes die Frage:
Versuch: Herstellung von Trockeneis aus einem CO2-Wassersprudler-Zylinder
Klick mich an! Bild 5: Die benötigten „Geräte“ - CO2-Zylinder mit verschiedenen Ventilen, Jeansknöpfe, T-Shirt
Das T-Shirt wird auf dem Tisch ausgebreitet und einmal längs gefaltet. In der Mitte des Stoffes platziert man nun den Jeansknopf mit dem Stiel nach oben. Der Gaszylinder wird mit dem Ventil nach unten so auf dem Stiel des Knopfes platziert, dass er den Stempel des Ventils eindrückt, sobald man auf den Zylinder Druck ausübt. Klick mich an! Bild 6: Die Positionierung des Ventils des Gaszylinders über dem Stiel des Jeansknopfs
Nun schlägt man das T-Shirt um den Gaszylinder und hält mit der linken Hand Stoff und Zylinder oberhalb der Flaschenschulter fest. Sollte das Ventil auf dem Knopf verrutschen, einfach neu positionieren. Klick mich an! Bild 7: Der fertige Versuchsaufbau
Mit der Rechten kann man nun den Zylinder mehrmals kurz nach unten drücken und so das flüssige Kohlenstoffdioxid in der gewünschten Menge freisetzen. Ein Teil des ausgetretenen, flüssigen Kohlenstoffdioxids verdampft sofort. Das Zischen ist deutlich zu vernehmen. Da der Wechsel des Aggregatzustandes sehr viel Energie benötig, die der Umgebung und dem restlichen flüssigen CO2 in Form von Wärmeenergie entzogen wird, sinkt die Temperatur am Ventil bis auf -79°C und ein Teil des Kohlendioxids wird fest. Dieser Vorgang läuft so schnell ab, dass flüssiges CO2 nicht beobachtet werden kann. Das erstarrte Kohlenstoffdioxid sammelt sich in Form von Schnee im Stoff des T-Shirts. Faltet man den Stoff auseinander, sieht man das entstandene Trockeneis. Klick mich an! Bild 8 und 9: Der Trockeneisschnee
Beim Herumzeigen muss man die Schüler darauf hinweisen, dass das Trockeneis wegen der sehr niedrigen Temperatur nur durch kurzes Antippen berührt werden darf, da sonst sogenannte Kälteverbrennungen auftreten können. Der Haut ist es egal, ob sie durch zu große Hitze oder Kälte zerstört wird, die letztendlichen Folgen sind ähnlich. Bei dem Trockeneisschnee kann man deutlich erkennen, dass er nicht schmilzt, sondern sublimiert. Man sollte die Schüler darauf hinweisen, dass der sichtbare Nebel von kondensierten Wassertröpfchen der Luftfeuchtigkeit herrührt, da gasförmiges CO2 nicht sichtbar ist. Nach vollständiger Sublimation ist das T-Shirt noch immer trocken. Sollte es doch etwas feucht sein (bei hoher Luftfeuchtigkeit denkbar) handelt es sich um kondensiertes Wasser aus der Luft, welches mit Watesmo-Papier erkannt werden kann. (Watesmo-Papier färbt sich bei Kontakt mit Wasser von hell- nach dunkelblau.) Zwei Gramm Trockeneis sublimieren zu etwa einem Liter gasförmigem CO2. Deshalb kann man kleine Stücke des Trockeneisschnees in Filmdosen geben, verschließen und mit dem Deckel nach unten auf den Lehrertisch stellen. Diese springen dann nach einiger Zeit mit lautem Plopp in die Luft. Die weißen Filmdosen schließen wohl dichter als die Grauen oder Schwarzen und hüpfen daher höher und ploppen lauter. Klick mich an! Bild 10: Eine Filmdose aus der Zeit der analogen Fotografie
Nur noch mal zur Sicherheit: Fest verschließbare Gefäße dürfen nie mit Trockeneis befüllt werden – Berstgefahr! PET-Flaschen platzen zwischen 10 und 16 bar! Leider lässt sich das entstandene Trockeneis mit vertretbarem Aufwand nicht so stark verdichten wie Gekauftes. Das heißt, im Gegensatz zu letzterem schwimmt unser selbst gemachtes Trockeneis auf dem Wasser. Man kann so in einem kleinen Becherglas zwar einen bescheidenen Trockeneisnebel erzeugen, aber das - an kochendes Wasser erinnernde - Blubbern der CO2-Blasen fehlt. Klick mich an! Bild 11: Ein bescheidener Trockeneisnebel im Wasserglas
Es bleibt aber zu klären:
Der MAK-Wert - also die maximale Arbeitsplatzkonzentration - für die Atemluftkon-zentration von Kohlenstoffdioxid, bei der man fünf Tage die Woche je acht Stunden arbeiten kann, ohne gesundheitliche Folgen erwarten zu müssen, wurde auf 0,5 Vol. % festgelegt. Wie wirkt sich unser Versuch nun auf die CO2-Konzentration eines Klassenraumes aus?
Da eine Klasse nur durch Atmung innerhalb von zwei Zeitstunden den MAK-Wert erreicht, kann schon allein deshalb zusätzliches Lüften nicht schaden.
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