Kaffeerösten – eine kontrollierte Verkohlung Uwe Lüttgens
Darf es ein milder Café Crème sein? Oder mögen Sie lieber einen starken Espresso mit viel Coffein? Vielleicht auch einen Türkischen Kaffee – extrem dunkel geröstet und staubfein gemahlen? Egal, wie Sie Ihren Kaffee am liebsten genießen, er sollte stets frisch zubereitet sein. Bild 1: „Café Crème“, frisch zubereitet - einfach lecker!
Ebenso wichtig: Die Kaffeebohnen sollten nicht zu alt sein oder bereits lange lagern, denn sonst verlieren sie schnell an Aroma. Am besten kauft man Röstkaffee möglichst frisch. Mit ein wenig Aufwand kann man seinen Kaffee auch zu Hause rösten. Falls Sie beim Lesen des Tipps Lust am Experimentieren bekommen, klicken Sie hier zum Experiment „Rösten von Kaffee“. Vielleicht entwickeln Sie sich ja vom Kaffeegenießer oder Barista zum engagierten Kaffeeröster? Zur Vertiefung des Themas Kaffee und Rösten seien [2] und [3] empfohlen. Bild 2: Grüne Kaffeebohnen
Geschützt wird die Bohne vom Silberhäutchen, einer fest anhaftenden Schale, die beim Rösten entfernt wird. Die reife Bohne muss rechtzeitig geerntet werden, sonst fängt sie an zu gären - und wird damit zu einer dem Kaffeegenuss wenig zuträglichen „Stinkerbohne“. Für die weitere Aufbereitung gibt es zwei Verfahren: Bevor die rohen Kaffeebohnen in Säcke verpackt werden, müssen sie geprüft werden. Wichtige Kriterien sind die Farbe und die Form – es gibt Flachbohnen, zu denen C. arabica gehört, Perlbohnen, zu denen C. canephora gehört und Riesenbohnen. Die Größe, auch ein Kriterium, hat keinen Einfluss auf den späteren Geschmack. Bild 3: Rohkaffee wird in 70-kg-Säcken gehandelt
Das Rösten ist ein Prozess, bei dem die noch ungenießbaren grünen Bohnen auf Temperaturen zwischen 180°C bis 300°C erhitzt werden - unterschiedlich lange je nach Verfahren. Durch Temperatur und Röstdauer lässt sich der Röstgrad so steuern, dass die gewünschte Qualität entsteht. Man könnte das Rösten als kontrollierten Übergang zur Verkohlung bezeichnen. Und deshalb gehört das Rösten zu den Königsdisziplinen! Denn: Der Röstprozess muss auf dem Weg zur Verkohlung ständig kontrolliert werden, ehe es zu spät ist. Nur derjenige wird ein erfolgreicher Kaffeeröster, der sekundengenau den Röstvorgang beenden kann. Die physikalischen und chemischen Prozesse, die beim Rösten ablaufen, steuern neben dem Röstgrad – von hell bis dunkel – den „Körper“, das Aroma- bzw. das Geschmacksprofil und die „Säure“ des Röstkaffees. Vor dem eigentlichen Rösten müssen die Rohkaffeebohnen fachmännisch beurteilt werden: Geprüft wird auf einwandfreien Geruch, denn Kaffeebohnen nehmen schnell Fremdgerüche an. Werden die grünen Bohnen in den Händen gerieben, sollten Sie einen heuartigen Geruch entfalten und keinesfalls muffig riechen. Auch wichtig: Bohnen aus neuer Ernte sehen „frischfarbig“ aus, alte Bohnen matt und bleich. Nun muss die Menge für die Röstung so gewählt werden, dass ein optimales Röstergebnis erzielt wird: Zu wenig Bohnen bedeutet eine zu hohe Wärmeübertragung auf jede einzelne Bohne. Sind zu viele Bohnen im Röster, werden diese eher gebacken als geröstet. Bild 4: Die 2 m hohe Trommelröstmaschine kann pro Charge bis zu 15 kg Kaffeebohnen rösten. Dann kann es bis zu 25 min dauern, bis die Bohne fertig ist.
Der Trommelröster, der nach dem Konvektionsverfahren arbeitet und einen schonenden Röstprozess ermöglicht, muss vorgeheizt werden, bevor die grünen Bohnen eingefüllt werden können und dann in der Rösttrommel von einem gleichmäßig heißen Luftstrom umspült werden. In der ersten Phase werden die Bohnen erwärmt. Die Bohne riecht bis zu einer Temperatur von ca. 140°C nach Heu oder frisch gebackenem Brot. Ursache sind erste chemische Zersetzungsprozesse: Zucker werden abgebaut und weitere Inhaltsstoffe lösen sich aus den Zellwänden, zu erkennen an einer gelblichen Verfärbung der Bohnen in dieser Phase. Gleichzeitig vergrößert sich das Volumen: Die im rohen Zustand mit einer ledrigen Haut umgebene Bohne bläht sich auf, weil neben den an die Tausend Röstaromen, die sich bilden, auch Röstgase – im wesentlichen Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid – freigesetzt werden. Und die blähen die Bohnen rasant auf. Bild 5: Gut zu erkennen: Durch den Röstvorgang nimmt die Masse deutlich ab – das Volumen jedoch deutlich zu.
Helle Sorten verlieren weniger Substanz, ihr Einbrand liegt zwischen 12 – 15%. Bei einer dunklen Röstung kann der Verlust bis zu 24% betragen. Berechnet wird der Einbrand mit folgender Formel: Damit ergibt sich für die Röstung ein mittlerer Masseverlust von: Röstereien müssen diesen Masseverlust angeben, damit die in Deutschland zu zahlende Kaffeesteuer korrekt berechnet werden kann. Der Röstvorgang dauert unterschiedlich lange, je nachdem, welche Bohnensorte man wählt und ob man einen Café oder einen Espresso herstellen will. Klick mich an! Bild 6: Während der Bräunung karamellisiert die Bohne zunehmend. Das kann man sehen und riechen!
Nach der Verdampfungsphase wird die Bohne zunehmend braun gefärbt, sie karamellisiert bei Temperaturen von ca. 170 – 200°C. Die beginnende Karamellisierung erkennt man am zunehmend süßlich duftenden Geruch, den die anfangs glasig aussehenden, später gebräunten Bohnen nun verbreiten. Bild 7: Um den „First Crack“ zu erkennen, bedarf es eines guten Gehörs!
Erst bilden sich feine Haarrisse, dann platzen die Bohnen am Schnitt, damit überschüssiger Druck abgebaut wird. Der explosionsartige Druckabbau lässt sich je nach Kaffeesorte mal besser hören und mal weniger gut. Das ist die Phase, in der das Volumen der Bohne deutlich zunimmt, bis auf das 1,5-1,8 fache ihrer ursprünglichen Größe. H2O (l) -> H2O (g) | ΔH = 40,67 kJ/mol (100 °C) Bei der Verdampfung steigt der Druck. Und zwar bevorzugt an den Stellen, die besonders wasserreich sind. Dort kann schließlich viel Dampf entstehen. Und das hat Folgen. Denn: Dort, wo der Druck ansteigt, nimmt auch die Temperatur deutlich zu – bis es die Bohne zerreißt. Bevorzugt tut sie das an der „Wicklung“, das ist eine Schicht im Innern der Bohne, an der das Keimblatt hineinwachsen kann, wenn es zur Keimung kommt. Die beim Rösten einsetzende Abgabe von CO2 – chemisch korrekt spricht man von einer Decarboxylierung – trägt entscheidend zur Volumenzunahme der Bohne bei: R-COOH -> R-H + CO2 Reagieren zwei Carbonsäuren miteinander, entstehen dabei Ketone: 2 R-COOH -> R-CO-R + CO2 + H2O Aminosäuren können ebenfalls durch Erhitzen CO2 abgeben, unter Bildung primärer Amine: R-CH(NH2)-COOH -> R-CH2-NH2 + CO2 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass beim Röstvorgang auch Kohlenstoffmonoxid CO durch chemische Reaktionen freigesetzt wird. Manche schwören aber auf eine schnelle Röstung: Bis zu 3 Minuten darf bei ihnen der Röstvorgang maximal dauern – man spricht vom high temperature short time roasting – bei entsprechend hohen Temperaturen (ca. 250 °C). Andere, wie die Falkenseer Röstmeisterin, bevorzugen es deutlich langsamer: Beim high temperature long time roasting darf der Röstvorgang 10 min und länger dauern. Vielleicht ist es eine Art Glaubensfrage?! In jedem Falle sollte die Temperatur genauestens verfolgt werden. Im Temperaturprogramm erkennt man gut, dass nach der Befüllung mit Rohkaffee die Temperatur in der Rösttrommel deutlich abnimmt, bevor sie langsam wieder ansteigt, bis die Endtemperatur erreicht ist. Bild 8: Im Temperaturprogramm ist der kontinuierliche Anstieg der Temperatur vom Einfüllen der Bohnen (ca. 60 °C) bis zum Ende des Röstvorgangs (ca. 210 °C) gut zu erkennen.
Bleibt die Röstung blass, spricht man von Zimtröstung. Mittlere Röstungen nennt man Amerikanisch; stärkere Röstungen werden als Wiener Röstung bezeichnet. Während der Röstung sollte die Verbrennungsenthalpie, also die Energie, die in der Bohne enthalten ist, abnehmen, da aus energiereicheren höhermolekularen Verbindungen kleinere und damit energieärmere Stoffe, z. B. CO2 und H2O, gebildet werden. Jedoch kann, so zeigen Messungen, während der in der 2. Phase ablaufenden exothermen Prozesse die Energie genutzt werden, um Verbindungen mit höherer Energie zu bilden [5]. Insgesamt sind die Vorgänge jedoch zu komplex, um eine eindeutige Aussage treffen zu können. Ca. 30 µm große Poren in der Bohne, die zu Beginn der Röstung rundlich sind, sehen später oval aus, bis sie schließlich aufreißen und die Struktur zerstören. Dies zeigen sogenannte elektronenmikroskopische Aufnahmen des Inneren von grünen und gerösteten Bohnen [5]. Mehrere Millimeter große Hohlräume, sogenannten Kavernen, bilden sich während der Röstung anfangs, werden bei starker Röstung jedoch kleiner, bis sie schließlich „verkleistern“ [5]. Übrigens: Unsere Perlbohne hat eine sehr enge Fruchtkerbe. Dort dringt die Wärme weniger schnell ein. Die Perlbohne platzt also nicht so schnell auf, wie eine Flachbohne mit einer weiteren Fruchtkerbe. Oberhalb von 150°C – die endothermen Reaktionen haben ihren Höhepunkt erreicht – schreitet die Karamellisierung weiter voran: Aus den Kohlenhydraten entstehen u. a. Maltol, Isomaltol und Hydroxymaltol, drei Aromen, die dem Kaffee Geschmack verleihen. Die Röstaromen Maltol und Isomaltol sind typische Produkte der Karamellisierung. Die beiden chemischen Isomere haben die gleiche Summenformel C6H6O3. Bei der Französischen Röstung und der Italienischen Röstung wird weiter erhitzt, bis es ein zweites Mal zu knacken beginnt – man spricht vom „Second Crack“. Die Zellstrukturen brechen jetzt zunehmend weiter auf. Die Bohnen sehen dunkel- bis schwarzbraun aus und sind auf der Oberfläche mit öligen Tröpfchen bedeckt. Zahlreiche Säuren wie z. B. die Chlorogensäure werden über die Zellwand nach außen abgegeben, wobei sie ihre chemische Struktur verändern können. Jetzt wird es spannend: Der Punkt, an dem die Verkohlung einsetzt, bei der sich die Zellwände komplett zersetzen, sollte keinesfalls erreicht werden. Bei der Zersetzung der Inhaltsstoffe der Kaffeebohne spricht man von einer Pyrolyse (griechisch: pyr: Feuer und lysis: auflösung), womit die thermische Spaltung von Verbindungen gemeint ist, bei der sich durch den Bruch von Bindungen aus den Ausgangsstoffen neue Stoffe bilden. Und das muss bei milden Bedingungen stattfinden, sonst verkohlt die Bohne! Ist der gewünschte Röstgrad - in unserem Falle für einen Espresso - erreicht, müssen die gerösteten Bohnen sofort gekühlt werden, damit alle chemischen Reaktionen rasch gestoppt oder so weit verlangsamt werden, dass wir nicht schwarze Kohle-Bohnen produzieren. Stichwort: „Überröstung“. Dazu läuft unterhalb der Rösttrommel ein Lüfter in einem Sieb, in dem die Bohnen ständig umgerührt werden. Bild 9: Die gerösteten, heißen Bohnen müssen rasch heruntergekühlt werden, da sie sonst unerwünscht nachbräunen. Dies geschieht durch ständiges Rühren und Luft Einblasen.
Übrigens: Frisch gerösteter Kaffee gast weiterhin CO2 aus. Das schützt ihn einige Tage in der Verpackung, weil kein aggressiver Sauerstoff an die Kaffeebohnen kommt, der die Aromastoffe durch Oxidationsprozesse zersetzen könnte. Die Angaben zu den physikalisch-chemischen Daten können von Sorte zu Sorte und je nach Röstbedingungen deutlich variieren. Und sie sagen natürlich nichts über den Geschmack der gerösteten Bohnen aus - den müssen Sie selbst testen, natürlich bei einer gepflegten Tasse Kaffee!
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