Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie


Tipp des Monats Mai 2018 (Tipp-Nr. 251)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Kalte Verseifung (Verseifung ohne Kochen)

Wolfram Keil

Bild 1: Auslage einer Seifenmanufaktur
(Foto: ©Fotolia/Svetlana Nikolaeva)

Die „heiße“ Verseifung, also das Kochen von Fetten oder fetten Ölen mit Natronlauge, ist ein altbekannter Schulversuch. (Über den Versuch und dessen chemischen Hintergründe berichten wir auf einer besonderen Webseite.
Die Herstellung von Seife gelingt dabei mit Stoffen aus der Lebenswelt der Schüler (statt reiner Natronlauge lassen sich prinzipiell auch Soda oder sogar auch fester Rohrreiniger verwenden, wenn man die Aluminiumstücke aussortiert) und führt zu einem Alltagsprodukt. Ein Interesse seitens der Schüler dürfte somit gegeben sein.

Welche Gründe könnte es also geben, über diesen Versuch erneut nachzudenken? Mein Grund war hauptsächlich die Gefahr des Verspritzens der basischen Lösung während des Kochens. Leider neigen Laugen zu plötzlichem Siedeverzug. Daher findet man auch stets entsprechende Warnungen in den Versuchsanleitungen. Ich habe es einige Male – glücklicherweise ohne Folgen für die Schüler – selbst erlebt und bei diesem Experiment immer ein ungutes Gefühl gehabt.

Aus der Sorge heraus, die gesiedete Seife wäre durch nicht umgesetzte Natronlauge nicht gut hautverträglich, habe ich sie den Schülern auch nie nach Hause mitgegeben.

Vor einigen Jahren kam ich dann auf einem Markt mit einer Frau ins Gespräch, die handgemachte Seifen verkaufte, die sie nach dem - mir bis dahin unbekannten – sogenannten Kaltverfahren selbst hergestellt hatte. Mein Interesse war geweckt.

Nach eigenen Recherchen stellte sich schnell heraus, dass dieses Verfahren keineswegs neu und leicht für die Schule umsetzbar ist. Im Internet finden sich diverse Seiten, die sich mit der hobbymäßigen Herstellung von Seifen befassen und alle das Kaltverfahren als Einstieg empfehlen.


Kernseife und Leimseife
Die Ausgangsstoffe der kalten Verseifung unterscheiden sich nicht von denen des Heißverfahrens, die Reaktionsprodukte allerdings schon. Als Ausgangsstoffe können - neben Natriumhydroxid und Wasser - beliebige tierische oder pflanzliche Fette bzw. fette Öle eingesetzt werden.
Der bei beiden Verfahren genutzte Reaktionstyp ist die Verseifung. Also die Umkehrung der Veresterung, bei der aus den natürlichen Fetten (Ester aus Propantriol (Glycerin) und Fettsäuren) und Natronlauge die Natriumsalze der Fettsäuren und Propantriol entstehen.

Bei der Seifenherstellung nach dem Heißverfahren entsteht mit Natronlage Kernseife. Diese wird durch Aussalzen mit Kochsalzlösung aus der kolloidalen Lösung ausgefällt. Daher enthält sie Natriumchlorid und nur wenig Propantriol, welches als gut wasserlöslicher Alkohol in der Reaktionslösung zurückbleibt.

Beim Kaltverfahren, das in der Anfangsphase bei Temperaturen von 40 – 80 °C - also eigentlich nicht wirklich kalt - durchgeführt wird, entsteht dagegen Leimseife. Diese wird nicht ausgesalzen und enthält daher kein Kochsalz, aber noch das gesamte Glycerin (Propantriol). Da man Glycerin als Feuchthaltemittel häufig in Kosmetikprodukten findet, ist dies aber kein Nachteil.

Um den folgenden Versuch als Schülerversuch möglichst einfach, zeit- und kostensparend zu gestalten, fiel hier die Wahl auf ein Gemisch aus Kokosfett und Sonnenblumenöl. Das aus der Küche bekannte Palmin® (nicht zu verwechseln mit Palmin® soft) besteht aus teilweise gehärtetem Kokosfett und hat den Vorteil, in Stücken à 25 g vorportioniert zu sein, was das Abwiegen erspart. Nach Angaben des Herstellers enthält es kein Palmöl [1], welches - sicher zu recht - in den letzten Jahren in die Kritik von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen geraten ist.

Kokosfett gehört - wegen des hohen Anteils an gesättigten Fettsäuren - zu den wenigen festen pflanzlichen Fetten. Seine Schmelztemperatur liegt bei 23 - 28 °C und somit in dem recht kleinen Bereich zwischen Raumtemperatur und Körpertemperatur. Der Wechsel des Aggregatzustandes (hier von fest nach flüssig) verbraucht Energie. Die sogenannte Schmelzwärme oder Schmelzenthalpie (hfus). Die spezifische Schmelzenthalpie von Kokosfett beträgt 128 kJ/kg. (Zum Vergleich: hfus(Eis) = 334 kJ/kg.) Diese Energiemenge wird der Umgebung beim Schmelzen entzogen. Lässt man also ungekühltes Kokosfett auf der Zunge schmelzen, spürt man einen leichten Kühleffekt.
Auf dieser spezifischen Schmelzenthalpie, verstärkt durch die spezifische Lösungsenthalpie von z. B. Traubenzucker (105 kJ/kg bei 25 °C) beruht der Kühleffekt beim Genuss des 1927 erfundenen Eiskonfekts.


Verseifungszahlen und Überfettung
Zur Qualitätsbestimmung von Fetten können verschiedene Kennzahlen wie z. B. die Iodzahl (Anteil ungesättigter Fettsäuren), Peroxidzahl (Oxidationsgrad), Säurezahl (Alter) oder Verseifungszahl bestimmt werden [2]. Die Grundlage zur Ermittlung des richtigen Verhältnisses zwischen Fett und Natriumhydroxid bilden die Verseifungszahlen der eingesetzten Fette und die Entscheidung über die Höhe der Überfettung.

Die Verseifungszahlen geben an, wie viel Milligramm Kaliumhydroxid benötigt wird, um 1 g des betreffenden Fettes vollständig zu verseifen. Diese Kennzahl kann man in Tabellen [2] finden oder beim Hersteller erfragen.

Für Palmin beträgt die Verseifungszahl 253 [1]. Für die vollständige Verseifung von 1 g Palmin werden also 0,253 g KOH benötigt. Da wir aber keine Schmierseife herstellen wollen, müssen wir die Verseifungszahl auf die benötigte Masse an Natriumhydroxid umrechnen. Weil das Kalium-Ion deutlich schwerer als das Natrium-Ion ist, beträgt der Umrechnungsfaktor zwischen KOH und NaOH 0,713. Ausgehend von der Angabe der Verseifungszahl des Herstellers benötigen wir für die Verseifung von 25 g Palmin m(NaOH) = 25 g + 0,253 g x 0,713 = 4,5 g. Diese Berechnung wiederholt man nun für die geplanten Massen der gewünschten Fette. Durch Zugabe von 45 ml flüssigem Sonnenblumenöl (entspricht bei einer Dichte von 0,93 g/cm3 einer Masse von etwa 48 g) erhöht sich die Masse des benötigten Natriumhydroxids um (m(NaOH) = 48 g + 0,189 g x 0,713 = 6,5 g) 6,5 g auf zusammen 11 g.

Nun muss nur noch die Überfettung geplant werden. Anders als bei Seifen zur Reinigung werden bei Seifen für die kosmetische Verwendung die Fette normalerweise nicht vollständig verseift. Man gibt etwas weniger NaOH zu, so dass zwischen 5 – 12 % der Fette unverseift bleiben. Durch diese Überfettung fühlt sich die Seife im Gebrauch milder an. Wir ziehen für unseren Versuch also noch mal 1 g NaOH ab und erhalten dann eine etwa 9 % überfettete Seife.

Bei aller verführerischen Genauigkeit der Berechnungen sollte man aber im Hinterkopf behalten, dass hier mit Naturstoffen gearbeitet wird, bei denen die Kennzahlen gewissen Schwankungen unterliegen [2]. Runden ist also sinnvoll.

Für das Volumen des benötigten Wassers zum Lösen des Natriumhydroxids gilt die Faustregel: Volumen aller eingesetzten Fette geteilt durch drei. Wir benötigen somit etwa 25 ml Wasser für unseren Versuch.


Versuch: Herstellung von Seife im Kaltverfahren

Bild 2: Die benötigten Geräte und Ausgangsstoffe
(Foto: Keil)

Wiegen Sie in einem 50 ml-Becherglas 10 g Natriumhydroxid ab.
Geben Sie in ein weiteres 50 ml-Becherglas 25 ml Wasser.
Schütten Sie in kleinen Portionen das Natriumhydroxid unter Rühren nach und nach ins Wasser. Nicht umgekehrt! (Erst das Wasser dann die Base - sonst verätzt es Dir die Nase ) .Rühren Sie bis das Natriumhydroxid vollständig gelöst ist und die Lösung wieder klar ist.
Geben Sie etwa 1 Liter kochendes Wasser (Wasserkocher) in eine Kristallisierschale oder in ein anderes, als Wasserbad verwendbares Gefäß.
Geben Sie 45 ml Sonnenblumenöl und ein Stück Palmin (25 g) in einen 250 ml-Becher (wenn möglich aus Polypropylen). Stellen Sie den Becher ins Wasserbad und rühren Sie, bis dass Palmin geschmolzen ist.
Lassen Sie nun die Natriumhydroxid-Lösung langsam unter Rühren hinzufließen und mixen Sie danach das Gemisch für 2½ min mit dem Stabmixer/Pürierstab (Stufe 1), bis die Masse die Konsistenz von Vanillepudding hat.
Der Aufsatz des Stabmixers muss dabei aus Edelstahl sein, da Aluminium und einige Kunststoffe von der Natronlauge angegriffen werden. Günstige Stabmixer sollte man bei mehrfachem Einsatz zwischendurch abkühlen lassen, sonst überhitzt der Motor.
Achtung: Vor dem Entfernen der Seifenmasse vom Stabmixer Netzstecker ziehen!

Bild 3 und 4: Das Gemisch vor und nach dem Einsatz des Pürierstabes
(Foto: Keil)

Nun können Sie auch Farb- und/oder Duftstoffe in kleinen Mengen unterrühren. Dabei ist zu beachten, dass manche der für Gießseifen (Glycerinseifen) angebotenen Farbstoffe durch den hohen pH-Wert der zu diesem Zeitpunkt noch unfertigen Jungseife ihren Farbton verändern können. Gute Ergebnisse wurden mit Seifenfarbstoffen von Glorex® erzielt. Ähnliches gilt auch für Duftstoffe. Bei getesteten Backaromen hat nur das Mandelaroma den Verseifungsprozess überstanden. Gewürznelken haben gut funktioniert. Füllen Sie am Ende die fertige Seifenmasse in Silikonförmchen.

Bild 5: Verschiedene Silikonformen
(Foto: Keil)

Nach 1-3 Tagen werden die zukünftigen Seifenstücke aus der Form geholt.

Bild 6: Verschiedene von Schülern des Grundkurses Chemie (2018) an der Stadtteilschule Poppenbüttel hergestellte Seifen
(Foto: Keil)

Die Seife muss jetzt noch 4 Wochen an der Luft - möglichst lichtgeschützt - reifen und kann dann als Handseife verwendet werden.

Bild 7: Waschversuch mit der fertigen Seife
(Foto: Keil)

Tipp: Bei der Arbeit mit (Schüler)Gruppen führt die Verwendung von vorportioniertem Palmin und das Dosieren des Sonnenblumenöls und des Wassers mit entsprechend großen Kunststoffspritzen zu zügigerem Arbeiten bei weniger Verschmutzungen und gleichzeitig hoher Präzision des Abmessens der Substanzen.

Der Einsatz von weiteren oder anderen Fettarten ist möglich. Dadurch können auch Eigenschaften wie Konsistenz und Farbe der Seife beeinflusst werden. Jedoch muss die Masse des benötigten Natriumhydroxids mit Hilfe der oben genannten Berechnung oder einfacher mit Hilfe eines Seifenrechners [3], [4] angepasst werden.


Literatur:
[1] http://www.palmin.de/faq.html (abgerufen am 02.03.18)
[2] https://www.uni-hohenheim.de/qisserver/rds?state=medialoader&objectid=4342&application=lsf (abgerufen am 02.03.18)
[3] http://www.handmade-by-kathrin.de/soap/calc/ (abgerufen am 02.03.18)
[4] http://naturseife.com/Seifenrechner/ (abgerufen am 02.03.18)


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Letzte Überarbeitung: 3. Mai 2018, Fritz Meiners