Der Zuckerkohle-Versuch - was chemisch dahinter steckt

Experimente:
Versuch: Zersetzung von Saccharose durch Schwefelsäure (Zuckerkohle-Versuch)


Hierzu gibt es eine Anfrage, die entsprechende Diskussionen widerspiegelt. Dabei geht es immer um die gleiche Frage: Ist das Wasser im Zucker chemisch echt gebunden oder ist es - wie Kristallwasser vom Glaubersalz - vom Kohlenstoff leicht ablösbar?

Frage: Im Rahmen eines "Zusatzstudiums Naturwissenschaften" für Hauptschul-Lehrkräfte, die nicht Naturwissenschaften studiert haben, ergab sich aus dem Zuckerkohle-Versuch eine kleine Auseinandersetzung, die ich nicht bewerten kann und wo ich auch ganz unterschiedliche Aussagen gefunden habe.

Meine Aussage: Hintergrund ist meinem Verständnis (Stichwort "Porenwasser in Gesteinen") nach der, dass dem aus Saccharose bestehenden Zucker von der Schwefelsäure wegen deren stark hygroskoper Wirkung in einer heftig exothermen Reaktion Wasserdampf entzogen wird, so dass Kohlenstoff zurück bleibt.

Mein "Kontrahent" meint: Im Zucker liege keineswegs Wasser vor. Früher schrieb man für Zucker zwar

C6,6(H2O) oder [C(H2O)6],

dies sei nur eine Summenformel.
Die wahre Strukturformel zeige jedoch C-H -Bindungen, Hydroxylgruppe und Aldehydgruppen. Es gibt also keine Wassermoleküle wie in Kristallen oder Komplexen. Die Zersetzung beruht nicht auf der hygroskopischen Wirkung der Schwefelsäure, sondern auf der oxidierenden Wirkung des H+-Ions.

Ich schreibe Sie an in der Hoffnung, dass Sie mir eine wissenschaftliche korrekte Hilfe anbieten können.


Antwort: Die Wahrheit liegt so ein bisschen auf beiden Seiten...

Was da abläuft, ist ziemlich kompliziert. Bleiben wir zur Vereinfachung bei der Besprechung bei der Glucose.
Da niemand so genau weiß, wie das abläuft, sagt die Literatur auch vorsichtig nur soviel: Aus der organischen Verbindung werden die Elemente des Wassers abgespalten.

Tatsächlich wird formal jeweils vom zweiten bis fünften C-Atom Wasser abgespalten. Schwefelsäure geht mit vielen organischen Substanzen äußerst heftig um, indem sie sie verkohlt und unter Wasserabspaltung "zerfrisst". Denn sie ist sehr aggressiv, was ihre Hygroskopie angeht.

Die Schwefelsäure absorbiert nahezu das gesamte Wasser wegen stark exothermer Hydratbildung. Aufgrund dieses Vorgangs entsteht auch die große Hitze.

Dieser Vorgang ist aber keinesfalls so zu deuten, dass im Zuckermolekül Wasser enthalten ist, das abdampfen kann. (Abgesehen sei vom Hydratwasser der Glucose, deren Formel eigentlich C6H12O6 · H2O lautet.)

Das abgespaltene Wasser ist auch kaum für das Aufblähen der Kohle verantwortlich. Denn trotz der Aufheizung, die diesen Versuch begleitet, entsteht nur sehr wenig Wasserdampf.

Bei der "Wasserabspaltung" handelt es sich nicht um eine Redoxreaktion, da sich die Oxidationszahlen aller drei Elemente nicht ändern. Die Oxidationszahl des C-Atoms ist von vornherein 0.

Dass bei dem Zuckerkohle-Versuch aber trotzdem Redoxvorgänge ablaufen, liegt an den C-Atomen 1 und 6. Diese werden oxidiert, da die Oxidationszahlen verschieden von Null sind. Das dabei entstehende CO2 bewirkt das Aufblähen der Kohlerückstände.

Dahinter steckt aber mitnichten die Oxidationswirkung des H+, sondern die der Schwefelsäure insgesamt. Es bildet sich schweflige Säure.

H2SO4 + 2 e- + 2 H+ ———> H2SO3 + H2O

oder formal:

SO3 + 2 e- ———> SO32-

Die schweflige Säure zersetzt sich in Gegenwart der starken Schwefelsäure, so dass SO2 entweicht. Das erkennt man daran, dass es bei der Reaktion zwischen Zucker und Schwefelsäure deutlich nach SO2 riecht. Als Gas trägt es ebenfalls zum Aufblähen der Kohle bei.

Und weshalb ist die Reaktion am Anfang stark verzögert, wenn man den Zucker nicht anfeuchtet? Es handelt sich wohl um einen autokatalytischen Effekt, bei dem das entstehende Wasser als Katalysator wirkt. Wenn man bei Autokatalysen nicht wartet, bis der Katalysator entsteht, sondern ihn von vornherein gleich dazu gibt, geht es natürlich schneller los.

Brennt die Zuckerkohle?
Sie zum Brennen zu bekommen geht nur sehr schwer. Hierzu haben wir die Anfrage 1786.

Last but not least
Wie kompliziert der Versuchsablauf ist, beweist allein schon die Tatsache, dass der Zuckerkohle-Versuch mit unserem Erklärungszucker Glucose nicht funktioniert!

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Letzte Überarbeitung: 18. Dezember 2009, Dagmar Wiechoczek