Redoxreaktionen mit Wasserstoffperoxid

Experimente:
Experimente mit Wasserstoffperoxid


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Mit Wasserstoffperoxid (chemische Formel H2O2) bleicht der Friseur bekanntlich Haare. Denn Wasserstoffperoxid ist ein starkes Oxidationsmittel. Man kann sich das Bleichmittel kaufen und das ausprobieren. Das untersuchen wir auf die Anwesenheit von Wasserstoffperoxid.

Versuch 1: Nachweis von Wasserstoffperoxid in Haarbleichmitteln
Wir lösen 1 g Titanylsulfat in 5 ml Schwefelsäure (c = 0,1 mol/l). Das tropfen wir zu einer möglichst farblosen Lösung, in der wir H2O2 vermuten. Es bildet sich im positiven Fall eine gelborange Färbung aus.

Bild 1 (Foto: Daggi)


Nun wollen wir das Haarebleichen ausprobieren. Dazu verwenden wir eine alkalische Lösung von Wasserstoffperoxid. Zuvor aber ein...


Warnhinweis zum Umgang mit Wasserstoffperoxid
Der Siedepunkt von reinem Wasserstoffperoxid beträgt 150,2 °C (Normaldruck). Eine 30%ige Lösung siedet schon bei 106 °C. Mit steigender Konzentration steigt auch der Siedepunkt an. Wegen der Aufkonzentrierung dürfen die handelsüblichen 30%igen Lösungen von Wasserstoffperoxid nicht erhitzt werden, da sie schließlich explodieren können. Das gilt vor allem beim Destillieren von Lösungen oder Reaktionsansätzen, die H2O2 enthalten. Das muss deshalb zuvor durch geeignete Reduktionsmittel zerstört werden.
Aus dem gleichen Grunde sollte man Wasserstoffperoxidlösungen nicht allzu lange offen stehen lassen, da ihre Konzentration durch Wasserverdunstung zunimmt.


Versuch 2: Blondfärben
Schneide eine dunkle Haarlocke ab und entfette sie, indem du sie in Alkohol wäschst. Dann teilst du die Locke in zwei Portionen auf.
Die eine Portion dient zum Vergleich, also zum Abschätzen des voranschreitenden Bleichvorgangs. Deshalb tauchst du den nur in Wasser.
Die andere Portion behandelst du mit einer Mischung von Wasserstoffperoxid (C) und Ammoniaklösung (C).

Wir liegen richtig, wenn wir feststellen: Der Farbstoff ist oxidiert worden. Hierzu eine Reaktionsgleichung zu formulieren ist allerdings schwer. Aber wir können es versuchen.

Farbstoff-H+ + H2O2 + OH- ———> Oxidierter Farbstoff + 2 H2O

Nun nehmen wir eine andere farbige Substanz: Kaliumpermanganat. Wir behandeln sie ebenfalls mit Wasserstoffperoxid.

Versuch 3: Entfärben von Kaliumpermanganat mit Wasserstoffperoxid
Zu einer schwach schwefelsauren Lösung von Kaliumpermanganat KMnO4 geben wir tropfenweise Wasserstoffperoxid (w = 30 %) (C) und vermischen. Die Lösung wird entfärbt. Zugleich bildet sich ein Gas, das wir mit Hilfe der Glimmspanprobe als Sauerstoff identifizieren.

Das starke Oxidationsmittel Kaliumpermanganat wird entfärbt. Das kann nur heißen, dass es reduziert worden ist.

Die Reaktionsgleichung ist:

2 MnO4- + 5 H2O2 + 6 H+ ———> 2 Mn2+ + 8 H2O + 5 O2

Wie kommt das? Gibt es einen Unterschied bei den beiden Reaktionen des Wasserstoffperoxids? Untersuchen wir das mal der Reihe nach.


Wasserstoffperoxid ist zunächst einmal ein starkes Oxidationsmittel
Das gilt aber nur gegenüber Reduktionsmitteln, zu denen auch viele der klassischen Farbstoffe gehören. Durch sie wird Wasserstoffperoxid reduziert.
Die Reaktionsgleichung der Reduktion von Wasserstoffperoxid ist

(Genau genommen wird nur der im H2O2 gebundene Sauerstoff reduziert. Liegt er im Wasserstoffperoxid in der Oxidationsstufe -I vor, so ist seine Oxidationszahl im Hydroxid-Ion -II.)


Wasserstoffperoxid kann auch als Reduktionsmittel wirken
Der Versuch 3 mit Kaliumpermanganat hat gezeigt: Wasserstoffperoxid wird oxidiert, es muss in diesem Fall also Reduktionsmittel sein.

Dabei wird Sauerstoff freigesetzt.

(Genau genommen wird nur der im H2O2 gebundene Sauerstoff oxidiert. Liegt er im Wasserstoffperoxid in der Oxidationsstufe -I vor, so ist seine Oxidationszahl im Sauerstoffmolekül 0.)

Übrigens ist auch die Fehlingsche Probe mit Wasserstoffperoxid (-> Versuch) positiv.


Wasserstoffperoxid zersetzt sich selbst
Es ist bekannt: Wasserstoffperoxid-Lösungen sind nicht stabil. Sie zersetzen sich. Die Selbstzersetzung ist exotherm und verläuft bei Raumtemperatur recht langsam, da sie aktiviert werden muss. Allerdings erwärmt sich die Lösung bei zunehmender Zersetzung selbst! Das führt dazu, dass sich die Reaktion aufschaukelt. Bei hohen Temperaturen verläuft die Selbstzersetzung so rasch, dass sogar Explosionsgefahr besteht! Deshalb bewahrt man Wasserstoffperoxid zweckmäßigerweise im Kühlschrank auf. Das ist eine Anwendung der RGT-Regel.

Die Selbstzersetzung wird durch die Gegenwart eines Katalysators gefördert. Durch ihn wird die Aktivierungsenergie gesenkt, so dass die Reaktion auch schon bei tiefer Temperatur in großem Umfang ablaufen kann.

Versuch 4: Katalytische Selbstzersetzung von Wasserstoffperoxid
In ein Becherglas (50 ml) füllen wir 1 cm hoch Wasserstoffperoxid (w = 30 %) (C). Wir geben eine Spatelspitze Braunstein MnO2 hinein.
Ergebnis: Die Mischung reagiert sofort unter starker Gasentwicklung (Glimmspanprobe machen!).
Der Braunstein liegt nach Beendigung der Reaktion deutlich unverändert vor. Er ist also Katalysator.

Besonders wirksam ist der Biokatalysator Katalase mit dem systematischen Namen H2O2 : H2O2-Oxidoreduktase. Über dieses Enzym berichten wir auf einer besonderen Webseite. Dort sind auch Versuchsanleitungen zu finden.

Zur Herleitung der Zersetzungsgleichung teilen wir die Redox-Reaktion formal in die Reduktion und die Oxidation auf und addieren dann die beiden Gleichungen.

Reduktion: H2O2 + 2 e- ———> 2 OH-

Oxidation: H2O2 ———> O2 + 2 H+ + 2 e-


Redox-Reaktion: H2O2 + H2O2 ———> 2 OH- + 2 H+ + O2

Mit 2 OH- + 2 H+ —> 2 H2O folgt daraus die bekannte Zersetzungsgleichung des Wasserstoffperoxids.

Auf der Eduktseite links hat der Sauerstoff zweimal die Oxidationszahl -I, auf der Produktseite rechts die Oxidationszahlen -II und 0. Solche Reaktionen nennt man Disproportionierung.

Zur Verringerung dieser Selbstzersetzungsgefahr setzt man den Lösungen Inhibitoren zu. Diese wirken also als negative Katalysatoren; das können zum Beispiel Harnstoff oder Barbitursäure sein.


Durch Variation des pH-Werts kann man die Redoxreaktionen von Wasserstoffperoxid steuern
Das kann man zunächst anhand von Chrom(III)-Verbindungen zeigen.

Versuch 5: Variation des pH-Milieus bei der Oxidation von Chrom(III)-Verbindungen mit Wasserstoffperoxid
In drei Reagenzgläser (RG) geben wir 5 ml Chrom(III)-sulfat-Lösung (gesättigt in Wasser und filtriert).
Zu RG1 geben noch 1 ml Wasser (es dient zum Vergleich),
zu RG2 geben wir 1 ml Schwefelsäure (c = 1 mol/l) (Xi),
zu RG3 geben wir 1 ml Natronlauge (c = 2 mol/l) (C).
Zu jeder Probe tropfen wir anschließend 1 ml Wasserstoffperoxidlösung (w = 30 %) (C).

Bild 2 (Foto: Daggi)


Nur in der alkalischen Lösung findet eine Reaktion statt; sie färbt sich aufgrund der Chromatbildung gelb.

Bei der Reaktion bilden sich Protonen, die das Gleichgewicht hemmen. Um die abzufangen, muss die Lösung alkalisch sein.

Das Gleiche zeigen wir anhand des Stempelfarbstoffs Kristallviolett.

Versuch 6: Entfärben von Kristallviolett mit Wasserstoffperoxid
Zu einer verdünnten Lösung von Kristallviolett tropfen wir Wasserstoffperoxid. Nichts passiert. Dann geben wir etwas Natronlauge hinzu. Die Lösung entfärbt sich augenblicklich.

Die Entfärbung liegt nicht an der Zugabe an Natronlauge - diese Reaktion ist zwar auch möglich, geht viel langsamer vonstatten.

Zum Schluss ein Hinweis für Spezialisten
Zu den Bedingungen, unter denen Wasserstoffperoxid als Oxidations- oder als Reduktionsmittel wirkt, und zur pH-Wert-Abhängigkeit der Standardpotentiale des Wasserstoffperoxids gibt es bestimmte Regeln. Um die zu verstehen, schreiben wir die oben gezeigten Reaktionsgleichungen etwas anders:

Wasserstoffperoxid ist Oxidationsmittel



Wasserstoffperoxid ist Reduktionsmittel

Den beiden Reaktionsgleichungen entnehmen wir folgende Regeln:

1 Je niedriger der pH-Wert seiner Lösungen ist, desto höher ist die Oxidationskraft von Wasserstoffperoxid gegenüber ausgesprochenen Reduktionsmitteln.
2 Je höher der pH-Wert seiner Lösungen ist, desto höher ist die Reduktionskraft von Wasserstoffperoxid gegenüber ausgesprochenen Oxidationsmitteln.

So weit, so gut. Aber diese Regeln sind jedoch überhaupt nicht mit unseren Experimenten und den daraus gewonnenen Ergebnissen vereinbar. Sie scheinen ihnen sogar völlig zu widersprechen!
- Die organischen Farbstoffe des Haares und das Kristallviolett werden nur im Alkalischen oxidiert.
- Kaliumpermanganat wird nur im sauren Milieu reduziert.

Die Erklärung: Die o. a. Regeln gelten nur für die Halbzellenpotentiale des Wasserstoffperoxids! Und diese darf man keinesfalls isoliert betrachten. Man muss ihnen vielmehr das spezifische pH-abhängige Verhalten der Reduktionsmittel bzw. Oxidationsmittel, mit denen Wasserstoffperoxid reagiert, gegenüberstellen:

- Das Kristallviolett und andere organische Farbstoffe benötigen alkalisches Milieu, weil bei der Oxidationsreaktion Protonen entstehen, damit sich die chinoide Struktur oxidierter Benzolderivate ausbilden kann.
- Beim Permanganat werden Protonen benötigt, um im Verlauf der Reduktionsreaktion den Sauerstoff des MnO4--Ions (formal als O2-) abfangen zu können.

Erst dann kommt man zu den pH-Abhängigkeiten der Reaktionen von Wasserstoffperoxid, die wir bei unseren Experimenten beobachtet haben. Trotz der o. a. Regeln halten wir somit fest: Natürlich kann Wasserstoffperoxid auch im alkalischen Milieu oxidierend wirken (und auch im sauren Milieu reduzierend).


Zur Chemie mit Wasserstoffperoxid haben wir eine große Webseitengruppe.


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Letzte Überarbeitung: 07. Mai 2010, Dagmar Wiechoczek