Warum fühlt sich Wasser nass an?

Zunächst einmal muss man feststellen, dass es bislang keine voll befriedigende Antwort darauf gibt, genauso wenig wie auf die Frage, warum Süßes süß schmeckt und Nichtsüßes das nicht tut. Das Gefühl als solches kann man nicht beschreiben. So ist es auch mit Wasser: Wasser fühlt sich wassernass an, und alle anderen Flüssigkeiten tun das nicht. Dazu hat Wasser eine unnachahmliche Fähigkeit zur Benetzung der Haut. Es fließt anders als Benzin oder Alkohol bis auf wenige zurückbleibende Tropfen von der Haut ab und bildet dabei im wahrsten Sinne des Wortes netzartige Strukturen. Benzin und Alkohol benetzen die Haut nicht, sondern befeuchten sie vollständig.

Benetztes Ginkgo-Blatt im herbstlichen Nieselregen
(Foto: Blume)


Viele vermuten, dass es sich hier um eine Spezialität des Wassers handelt, deren Ursache wir auf der molekularen Ebene suchen müssen. Seine Moleküle H2O sind stark polar und deshalb auch zur Ausbildung von Wasserstoffbrücken befähigt. Hinzu kommt, dass es (verglichen mit Öl oder Honig) eine relativ hohe Dichte hat und dazu minimal zähflüssig (viskos) ist. Das unterscheidet sie auch von den nicht polaren, organischen Lösemitteln wie Benzin, Ethanol oder Aceton.

Denkbar wäre, dass Wasser auf bestimmte Rezeptoren in der Haut entsprechende Reize ausübt. So erfolgt über Wasserstoffbrücken eine Bindung an die Haut. Durch die Polarität des Wassers können Ionenströme in Gang gesetzt werden, die vielleicht Nervenimpulse auslösen. Bei den anderen, nicht wässrigen Flüssigkeiten werden die Nerven eher durch Auflösung der Fettisolierungen geschädigt. Man muss jedoch feststellen: Solche Rezeptoren sind leider nicht bekannt. Und dafür spricht auch, dass manche meinen, Wassernässe auch durch Gummihandschuhe zu spüren!

Wir müssen deshalb weiter greifen: Zunächst einmal wird bei Kontakt mit Wasser ein Gefühl ausgelöst, bei dem der von Wasser ausgeübte Druck, das damit verbundene (Ab-)Fließgefühl und auch die Temperatur zu den zuständigen primären Gebieten, den Gefühlsarealen, im Gehirn geleitet werden. Aus diesen Erfahrungswerten erfolgt in benachbarten Gehirnarealen, dem sekundären Umfeld der Gefühlsareale, die assoziative Verarbeitung und Transfer in den Langzeitspeicher. Es handelt sich folglich bei dem Gefühl der Wassernässe um die Repräsentation von frühen Erfahrungen, die sofort greifen und die das Gefühl der Nässe (vielleicht schon beim ersten Gebadetwerden des Kleinkinds) lebenslang speichern und abrufbar machen ("déjà vu").


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Letzte Überarbeitung: 02. April 2010, Dagmar Wiechoczek