Wie man aus den Seen von Berlin das Phosphat entfernt hat

Experimente:
Modellversuch zur Phosphat-Eliminierung


Jeder Mensch scheidet am Tag etwa 15 g Phosphat über den Darm aus. Aber auch in Reinigungsmitteln, Rostschutzmitteln und vor allem in Kunstdüngern, die auf die Felder aufgebracht werden, ist der Stoff reichlich enthalten. Und glücklicherweise ist er (anders als noch vor etwa 10 Jahren) nicht mehr einer der Hauptbestandteile von Waschmitteln.
"Na und?" magst du denken. Denn schließlich kann sich ohne Phosphat kein Lebewesen entwickeln. (Beispielsweise besteht ein großer Teil der Hartsubstanz von deinen Knochen und Zähnen aus Calciumphosphat.) Das gilt auch für die Pflanzen: Phosphat ist deshalb in jedem Pflanzendünger enthalten.
Es ist aber kein unproblematischer Stoff. Wenn man zuviel in die Flüsse und Seen einbringt, wachsen die Wasserpflanzen ganz besonders gut. Sie wachsen sogar so rasch, dass sie sich in ihrem Wachstum bald selbst behindern und absterben. Bei ihrer Verwesung im Wasser zehren sie vor allem im Tiefenwasser den Sauerstoff auf, so dass auch Fische und andere Tiere eingehen. Man sagt, dass der See "umkippt". Dabei bilden sich auch giftige und übelriechende Gase wie der Schwefelwasserstoff. Diese Überdüngung nennt man Eutrophierung (griech. eu trophos, gut nährend).
Das war ganz besonders in Berlin zu beobachten. Hier gibt es bekanntlich viele Wasserstraßen, Seen und Kiesgruben. Da die Fließgeschwindigkeit in Flüssen und Seen sehr gering ist, bildet sich ein stehendes Wassersystem aus, das sich seit den 60er Jahren immer mehr mit Pflanzennährstoffen angereichert hat. Die Ablagerung der großen Massen von Schlamm kann man nur verhindern, indem man den Nährstoffeintrag reduziert.
Zunächst liegt es nahe, die direkte Eintragung von Phosphat in Flüsse und Seen durch ungeklärte Abwässer zu unterbinden. Deshalb wurde zunächst das Klärwerk Ruhleben stark erweitert. Damit wurde die Belastung der Seen durch Nährsalze stark vermindert, das Problem aber nur verlagert: Das gereinigte, aber immer noch nährstoffreiche Wasser von Ruhleben ging in den Teltow-Kanal und damit in die Grunewaldseen, die dadurch belastet wurden. Deshalb schaltete man in Ruhleben eine chemische Reinigungsstufe ein, in der die Abwässer vor Einleitung in die Flüsse und Seen nahezu phosphatfrei gemacht wurden.

Das geschieht durch Absorption (an Aluminiumoxid) oder durch Fällung mit Salzen von Eisen, Aluminium oder Calcium (-> Versuch). Z. B. läuft dabei folgende Reaktion ab:

Fe3+ + PO43- ———> FePO4

Interessanterweise nimmt man keine Eisen(III)-Salze, wie man eigentlich erwarten sollte. Man setzt stattdessen Eisen(II)-sulfat (Grünsalz) oder Eisen(II)-chlorid zu. Der Grund für das Vermeiden von Eisen(III)-Zusätzen ist, dass Eisen(III)-Salze mit Wasser sauer reagieren. Dazu bilden sich in Wasser rasch Flocken von Eisen(III)-hydroxid, die für die Phosphatfällung entfallen. Die genannten Eisen(II)-Salze sind dagegen leicht löslich, bilden im neutralen Milieu keine flockigen Hydroxid-Niederschläge und reagieren auch nicht nennenswert sauer. Hinzu kommt, dass Eisen(II)-Salze bei vielen technischen Prozessen in großen Mengen als Abfall anfallen, zum Beispiel beim Fällen von Schwermetallen mit Eisen (Zementieren; siehe Kupfer.) Andererseits werden die Eisen(II)-Ionen durch den im Wasser gelösten Luftsauerstoff leicht zu Eisen(III)-Ionen oxidiert. Die reagieren dann rasch mit Phosphat-Ionen weiter.
Es bilden sich flockige Niederschläge, die auch andere Schmutzstoffe (vor allem Schwebstoffe aus organischem Material) mit ausfällen. Die Niederschläge werden abgetrennt und verbrannt oder deponiert.
Durch Anlagen zur Phosphateliminierung hat man die jährlich in den Tegeler See eingeleitete Phosphatmenge von 400 t auf 3 t gesenkt.
Wenn die Seen und Flüsse bereits stark belastet sind, muss man diese Verfahren auch auf sie direkt anwenden. Solch eine Anlage zur Seesanierung durch Fällungsreinigung gibt es zwischen dem Großen Wannsee und dem Schlachtensee. Wannseewasser hatte einen Phosphatgehalt zwischen 1,3 - 3 mg/l. Nach der Eliminierungsanlage ist die Phosphatkonzentration nur noch 0,03 mg/l. Die Gesamtbelastung des Schlachtensees sank dadurch von 5 t (1975) auf 280 kg (1985).
Das ist immer noch zu hoch, um Eutrophierung und ihre Folgen ganz auszuschließen. Deshalb erhöht man die Fließgeschwindigkeit der Gewässer durch Druckrohrleitungen und Pumpstationen. Außerdem wird das Wasser belüftet, um ein "Umkippen" des Seewassers zu vermeiden. Dies geschieht durch Einpressen von Luft oder Sauerstoff.

Das benötigt alles aber seine Zeit: Die Sanierung eines umgekippten Gewässers dauert etwa 10 Jahre.


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Letzte Überarbeitung: 19. Mai 2005, Dagmar Wiechoczek