3 Beschreibung einzelner Stoffklassen

3.1 Kohlenhydrate (Saccharide)

Die mengenmäßig wichtigsten Kohlenhydrate bestehen aus den Elementen C, H, O im ungefähren Massenverhältnis 1:2:1. Glucose z. B. hat die Formel C6H12O6 (= "C6(H2O)6", daher die Bezeichnung Kohlenhydrate). Chemisch gehören die einfachen Kohlenhydrate (Zucker) zu den Aldehyden bzw. Ketonen, die zusätzlich alkoholische OH-Gruppen tragen. Bei den für uns wichtigsten Monosacchariden Glucose, Fructose und Galactose handelt es sich um isomere Verbindungen.

Zucker liegen in Ringform vor, so dass die Aldehydgruppe nicht mehr ohne weiteres zu erkennen ist (Halbacetalbildung). Durch den Ringschluss kommt noch eine zusätzliche Molekül-Symmetrie hinzu, die die chemischen und physikalischen Eigenschaften stark verändern kann.

So entstehen aus a-Glucose die leicht verdaulichen und löslichen Nahrungsmittel Stärke und Glykogen, aus b-Glucose die stofflich gänzlich andere Cellulose, die als unlöslicher, kaum quellfähiger und unverdaulicher Ballaststoff geschätzt wird.

Man unterscheidet:

- einfache Zucker (Monosaccharide wie Glucose, Fructose, Galactose, Ribose, Desoxyribose),
- Oligosaccharide (Disaccharide wie Rohrzucker (Saccharose), Malzzucker (Maltose) und Milchzucker (Lactose); -> Abb. 6),
- Polysaccharide (Stärke bzw. Glykogen, Cellulose und Inulin).

Abb. 6: Formeln von Maltose (1), Rohrzucker (2), Lactose (3)

Oligo- und Polysaccharide entstehen aus den monomeren, d. h. den einfachen Zuckern, durch Bildung von Sauerstoffbrücken unter Abgabe von Wasser. Dieser Reaktionstyp heißt Kondensation.

a-Glucose + b-Glucose ———> Maltose + H2O
a-Glucose + b-Fructose ———> Saccharose + H2O
b-Galactose + a-Glucose ———> Lactose + H2O

n a-Glucose ———> Stärke bzw. Glykogen + n H2O
n b-Glucose ———> Cellulose + n H2O
n b-Fructose ———> Inulin + n H2O

Stärke besteht aus zwei Formen, dem löslichen Anteil (Amylose) und dem kaum löslichen Amylopektin. Letztere kann besonders gut Wasser einlagern, da sie neben linear verknüpften Glucosemolekülen auch Quervernetzungen aufweist (Verwendung als Kleister). Das in tierischem und Pilzgewebe auftretende Glykogen ist eine noch stärker verzweigte Form der Stärke.

Abb. 7: (Quelle: Cornelsen)

Oligo- sowie Polysaccharide können durch Erwärmen in verdünnten Mineralsäuren wie Phosphor- oder Salzsäure in ihre Monomeren zerlegt werden. Dies spielt beim Verfahren der Holzverzuckerung zur Gewinnung von Glucose eine große Rolle. Eleganter ist die Spaltung der Stärke durch Enzyme. Diese "Amylasen" sind nicht nur im Speichel oder Darmsaft, sondern auch in keimender Gerste enthalten (Mälzvorgang bei der Alkoholgewinnung aus Stärke).

Aus Kohlenhydraten werden technisch und biotechnisch viele Folgeprodukte gewonnen. Diese sind z. B.:

- Alkohole: Ethanol, Zuckeralkohole wie Sorbit und Xylit,
- Abbauprodukte der Stärke wie Dextrine,
- Glucose,
- Vitamin C (Ascorbinsäure),
- nichtionische Tenside, die besonders hautschonend sind und in Geschirrspülern verwendet werden,
- essbare Folien auf Stärkebasis mit Glycerin als Weichmacher,
- Kunststoffe, die elektrisch leiten (Polypyrrol),
- Cellulosederivate wie CM-Cellulose als Lebensmittelzusätze (-> 6.5.2).


3.2 Fette und fette Öle, Lipide

3.2.1 Chemische Eigenschaften

Fette sind Ester aus mehr oder weniger langen Fettsäuren und Glycerin (Glyceride):

Die Rückreaktion ist die Fettspaltung (Verseifung). Diese Hydrolyse erfolgt entweder enzymatisch durch Lipasen oder technisch mit basischen Verbindungen wie Natronlauge bzw. Kalilauge. Es bilden sich die Salze der Fettsäuren, die Seifen.

Fettsäuren sind längerkettige Carbonsäuren. Natürliche Fettsäuren enthalten stets eine gerade Anzahl von C-Atomen, da sie schrittweise aus dem C2-Körper Essigsäure synthetisiert werden (-> 4.2.2). Die bekanntesten gesättigten Fettsäuren sind:

Die kürzeren Fettsäuren riechen ausgesprochen schlecht (Geruch nach ranziger Butter, Schweiß, Ziegenkäse oder Baldrian).

Besonders wichtig für die Ernährung sind die ungesättigten Fettsäuren:

Der menschliche Stoffwechsel kann nur zwei Doppelbindungen einführen, so dass die Linolensäure bereits essentieller Nahrungsbestandteil ist ("Vitamin F"). Ungesättigte Fettsäuren sind Bestandteile von Biomembranen und auch Ausgangsverbindungen von Hormonen wie den Prostaglandinen.

Abb. 8: Die Ölsäurereihe und deren Schmelzpunkte

Während gesättigte Fettsäuren bei Zimmertemperatur fest sind, sind die ungesättigten flüssig. Ähnliches gilt für die aus ihnen aufgebauten Fette bzw. fetten Öle. Grund hierfür ist das unterschiedliche Kristallbildungsvermögen. Die linearen gesättigten Moleküle können paraffinartige Kristalle bilden, haben also einen hohen Schmelzpunkt, während die mehr knäuelförmigen, hochungesättigten Fettsäuren erst bei wesentlich tieferen Temperaturen auskristallisieren können (-> Abb. 8).

Ungesättigte Fettsäuren findet man vor allem in Pflanzenölen. Durch züchterische Maßnahmen kann man deren Fettsäurespektrum beeinflussen (z. B. von Sonnenblumen, Sojabohnen und Euphorbia lathyris). Dies spielt vor allem bei der Gewinnung nachwachsender Rohstoffe eine große Rolle.

Fette sind extrem hydrophob. Zum Vermischen mit Wasser, d. h. zum Überwinden der Phasengrenze, benötigt man grenzflächenaktive Stoffe als Lösungsvermittler, mit deren Hilfe zumindest Emulsionen hergestellt und stabilisiert werden können. Diese Tenside oder Detergentien verfügen im Allgemeinen über ein lipophiles und ein hydrophiles Ende:

Lecithin ist ein natürliches Tensid. Es befindet sich in Membranen und in natürlichen Emulsionen wie dem Eidotter. Es ist außerdem ein wichtiger Phosphatspeicher für die Zellen.

Fette und Fettsäuren sind wichtige nachwachsende Rohstoffe. Reste von Fetten und fetten Ölen, die nicht durch Auspressen, sondern wie Talg durch Ausschmelzen oder durch Herauslösen von letzten Resten nach dem Auspressen mit Benzin oder CKW gewonnen werden, werden hier verbraucht. Diese dienen anstelle petrostämmiger Edukte vor allem zur Gewinnung von Massenchemikalien. Man synthetisiert aus ihnen Tenside, Kunststoffe und Lackrohstoffe.


3.2.2 Fettgewinnung

Fette und fette Öle gewinnt man durch verschiedene Verfahren, die unterschiedlich wertvolle Substanzen liefern:

Ausschmelzen
Dieses vor allem bei tierischem Material angewendete Verfahren führt wegen hoher Temperaturen zu Verlusten an ungesättigten Fettsäuren. Schmalz und Talg sind deshalb ernährungsphysiologisch von geringer Bedeutung. Talg ist aber im Millionen-Tonnen-Maßstab Rohstoff für die chemisch-industrielle Tensidgewinnung.

Auspressen
Kaltes Auspressen von (vor allem pflanzlichen) Ölen ist das schonendste Verfahren zur Gewinnung ungesättigter Fettsäuren. Da hierbei nicht das gesamte Öl erhalten wird, röstet man das Material (z. B. Sojabohnen) vor dem Pressen zur Zerstörung der Zellwände.

Extrahieren
Hierbei löst man das Fett aus dem zuvor gerösteten und damit entwässerten Material mit organischem Lösemittel heraus. Heute verwendet man dazu niedrig siedende Lösemittel wie Hexan. Früher nahm man hierzu CKW. Das Lösemittel wird anschließend im Vakuum abgedampft.


3.2.3 Fetthärtung

Flüssige fette Öle können gehärtet werden. Dies geschieht durch katalytische Hydrierung, d. h. durch Addition von Wasserstoff unter hohem Druck. Katalysator ist im Allgemeinen Nickelpulver:

Spuren von Nickelrückständen sind wegen der möglichen Auslösung von Allergien nicht unbedenklich.


3.2.4 Fettverderbnis

Fettverderbnis spielt in der Lebensmittelchemie eine große Rolle:

- Beim Hocherhitzen von Fetten entsteht aus Glycerin der ungesättigte Aldehyd Acrolein. Dieser ist für den stechenden und Tränenfluss auslösenden Geruch verantwortlich. Man findet diesen Stoff übrigens auch in Autoabgasen oder Photosmog.

- Hydrolyse setzt die schlecht riechenden Fettsäuren frei. Sie wird durch Wasseranwesenheit und durch Temperaturerhöhung gefördert (Friteusenfett). Es bilden sich freie Fettsäuren, daher der ranzige Geruch. Der Nachweis erfolgt mit einem einfachen Säure/-Base-Indikator, den man in das Fett bzw. eine Lösung taucht. Die Konzentration wird titrimetrisch mit KOH bestimmt. Deren Verbrauch definiert die Fettsäurezahl.
- Auch bei niedrigeren Temperaturen, wie bei -30 ºC in der Kühltruhe, findet enzymatische Hydrolyse statt.
- Ungesättigte Fettsäuren bilden mit Luftsauerstoff Peroxide:

Peroxide zersetzen sich leicht beim Erhitzen, vor allem in Gegenwart von Metallen. Deshalb kann altes Fett sogar explodieren. Peroxide führen weiterhin zur Quervernetzung zwischen den Molekülen (Öltrocknung; -> Abb. 9). Dieser Vorgang wird durch Schwermetallsalze (Sikkative) gefördert. Durch Erwärmen von Leinöl-Sikkativ-Gemischen, die man über Gewebe fließen lässt, wird Linoleum hergestellt.

Abb. 9: Peroxide und Vernetzungsreaktion

Peroxide können aber auch gespalten werden. Dabei bilden sich u. a. Aldehyde, die zu Carbonsäuren weiter reagieren.

Fette reichern lipophile Stoffe an. Im Fettgewebe sammeln sich deshalb besonders viele flüchtige und nichtflüchtige CKW sowie andere Lösemittelrückstände und Pestizide. Dies gilt auch für Nahrungsmittel, die in der Nähe von CKW-Emittenten wie chemischen Reinigungen gelagert werden. Natürliche Nahrungsfette enthalten aber auch die fettlöslichen Vitamine wie A, D und E.

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Letzte Überarbeitung: 23. Januar 2013, Dagmar Wiechoczek