3.4 Nucleotide und Nucleinsäuren

3.4.1 Aufbau und chemische Eigenschaften

Nucleinsäuren bestehen aus drei Bausteinen:

Abb. 17: Basen der Nucleinsäuren

Es gibt insgesamt 5 Basen. Thymin ist nur in DNS, Uracil nur in RNS enthalten. Die Basen werden vom menschlichen Stoffwechsel selbst synthetisiert.

Ihre Aufnahme durch die Nahrung spielt damit keine Rolle - wenn man einmal vom Abbauprodukt Harnsäure absieht. Diese ist Ausscheidungsprodukt bei Reptilien und Vögeln (Guano). Reichert sich Harnsäure als schwerlösliches Monoammoniumsalz im Blut an, so kristallisiert sie leicht aus. Dies geschieht vor allem in den Gelenken (Gicht) oder in der Linse (Star). Lithiumsalze sind dagegen löslich. Deshalb kann man die Harnsäure durch hohe Lithiumkonzentrationen ausschwemmen (Bad Ems). Der reguläre Abbau der Basen im Menschen führt zu Harnstoff.

Abb. 18: Harnsäure und Harnstoff

Mit Ribose oder Desoxyribose verbinden sich die Basen zu den Nucleosiden. Die Veresterung mit Phosphorsäure ergibt die Nucleotide, die Monomere der Nucleinsäuren. Es können bis zu drei Phosphorsäuren verestert werden (-> Abb. 19). Die Bindung ist energiereich. Deshalb vermag ein Triphosphat wie das ATP chemische Energie zu übertragen (-> 4.2.2).

Abb. 19: Von der Base zum Nucleotid: Adenin (1), Adenosin (2), Adenosinmonophosphat (AMP, 3), ADP (4) und ATP (5)

Die Nucleotide werden - soweit sie nicht als Energie oder Phosphat übertragende Moleküle eingesetzt werden - zu Nucleinsäuren verknüpft.

Das Bindungsgerüst der Nucleinsäure ist ein Polykondensat aus Pentose und Phosphorsäure, also ein Polyester. Die Zucker tragen die frei herausragenden Basen. Ein Modell hierfür ist ein halber Reißverschluss.

Abb. 20: Ausschnitt aus einer Nucleinsäure

Die DNS liegt als Doppelhelix vor. Ein Modell hierfür ist der geschlossene Reißverschluss oder eine verdrillte Strickleiter. Es stehen sich immer eine kleine und eine große Base gegenüber. Dabei paaren sich stets A...T und G...C. Damit können sich Wasserstoffbrücken ausbilden, die die DNS zusammenhalten.


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Abb. 21: DNS-Doppelhelix

Die DNS besteht aus vielen Millionen Basen. Die gesamte DNS einer menschlichen Zelle ist ca. 1,5 m lang. RNS-Moleküle sind kleiner. Man unterscheidet besonders die mRNS mit 300 - 1000 Basen von der tRNS mit einigen 100 Basen.

Die DNS kann sich mit Hilfe der DNS-Polymerase reduplizieren. Dabei wird sie wie ein Reißverschluss aufgespalten. An den offenen Teilen werden die gegenläufigen Abschnitte synthetisiert (semikonservative Reduplikation).


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Abb. 22: Autoreduplikation der DNS

Dies ist wichtig bei der Zellteilung, bei der das Genom identisch kopiert werden muss. Hierbei können sich Fehler einschleichen, wenn die DNS falsche Basen enthält oder durch alkylierende Substanzen vernetzt ist (-> 3.4.3).


3.4.2 Proteinbiosynthese

Die wichtigste Funktion der NS ist die der Informationsübertragung bei der Proteinbiosynthese.

Die DNS trägt - verschlüsselt im genetischen Code, der aus Basentriplets besteht - den Bauplan der Proteine.

Um diesen Bauplan aus dem Zellkern in das Zellplasma zu übertragen (Transkription), bedarf es einer Matrize, der Boten-RNS (mRNS).


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Abb. 23: Der genetische Code (mRNS)

Auf dieser sind die Triplets (Codons) der zur DNS komplementären Basensequenz aufgereiht. Die Übersetzung der Basen-Sprache in die Aminosäuresprache (Translation) erfolgt mit Hilfe von Basentriplets (Anticodons), die an exponierten Stellen einer dritten Art von Nucleinsäuren, der Transfer-RNS (tRNS), sitzen. Die tRNS tragen zugleich die aktivierten und damit bindungsbereiten Aminosäuren. Auf diese wird die bereits existente Peptidkette übertragen.


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Abb. 24: Molekularer Ablauf der Proteinbiosynthese

Pro Minute werden 5-6000 Peptidbindungen geknüpft. Ein Molekül mit 146 Aminosäuren wie Hämoglobin (Hb) entsteht in 1,5 sec.
Das Interpunktionszeichen ist das Triplet UAA (und weitere) für N-Formyl-Methionin. Diese Stellen erkennen die Reparaturenzyme oder Restriktionsenzyme, das Handwerkzeug der Gentechnologen.


3.4.3 Mutationen, Krebsauslösung

Bei den DNS werden Ablauf und Auswirkung von Mutationen deutlich. Eine Veränderung einer Base verändert die Aminosäurefolge des synthetisierten Proteins und damit dessen spezifischen funktionellen Eigenschaften. Bei größerer Schädigung der DNS funktioniert die Ablesung zur Matrizenbildung (Transkription) nicht mehr. Folgen können Allergien, Krebs oder genetische Schäden sein.

Mutationsauslöser sind:

- UV-Strahlung
UV-Strahlung regt Bindungselektronen an und deshalb vor allem Doppelbindungen. Beim erneuten Schließen der Bindungen dimerisieren die Basen (vor allem Thymin) irreversibel. Es resultiert die Quervernetzung von DNS-Strängen (-> Abb. 25).

- Radioaktive Strahlung
Zerschlägt Bindungen unter Bildung von Radikalen und Doppelbindungssystemen. Dies führt zu größeren Zerstörungen als bei der UV-Bestrahlung.
- Nitrit-Ionen und Nitrosamine
Diese Verbindungen desaminieren NH2-haltige Basen und substituieren Aminogruppen durch eine Hydroxylgruppe:

- Wasserunlösliche Aromaten bzw. deren Epoxide
In Wasser unlösliche Aromaten bilden bei der oxidativen Entgiftung in der Zelle Epoxide (-> Abb. 26). Bei hoher Konzentration binden sie sich nicht an lösliche Komponenten wie Zucker- oder Aminosäuren, sondern auch irreversibel an die DNS. Besonders zu nennen sind die Aflatoxine (-> 7.5) oder das in Zigarettenrauch, Abgasen und Räucherwaren enthaltene hochcancerogene 3,4-Benzpyren.

Abb. 26: Epoxidierung und cancerogene Wirkung von Aromaten

- Furocumarine (-> 7.4)
Zunächst wirken sie als schwerlösliche Aromaten ebenfalls über ihre Epoxide. Weiter bilden Furocumarine unter UV-Bestrahlung mit Basen kovalente Bindungen und verknüpfen DNS-Stränge irreversibel (Fotosensibilisierung; Herculesstaude).
- Dioxin
Neben der Wirkung als wasserunlösliche Aromaten werden auch weitere Wirkungsmechanismen diskutiert, da das Molekül ausgezeichnet in die DNS-Fugen passt.
- Senfgas
Die bifunktionellen Alkylierungsmittel verbinden den DNS-Doppelstrang. Zusätzlich wird dabei intrazellulär Salzsäure freigesetzt (-> Abb. 27).

Abb. 27: Senfgas und Wirkung auf DNS


3.4.4 Viren

Viren kann man durchaus als wildgewordene Gene oder Nucleinsäuren beschreiben. Sie bestehen aus einer Proteinhülle und einer Nucleinsäure, im Allgemeinen einer RNS, die mehrere Genabschnitte enthalten kann. Sie nutzen die Möglichkeit der Zelle aus, durch Reverse-Transkriptasen die RNS in DNS zurückzutranskribieren. Von da ab wirken die Viren als Gene, die von der Zelle als eigene behandelt werden. Sie enthalten vor allem das eine Signal: Baue neue Viren.

Die Zellen werden gezwungen, die Hüllproteine der Viren, Zellwände auflösende und andere Enzyme (manchmal auch die Reverse-Transkriptase) sowie die Viren-RNS zu bauen. Die Teile setzen sich spontan zu Viren zusammen. Die Zelle zerfällt, nachdem sie sich selbst lysiert hat, und entlässt die Viren.

Einige Viren können sich an das Genom der Wirtszelle anheften und bleiben bis zum Krankheitsausbruch manchmal generationslang unerkannt (Lentiviren).

Gegen Viren hat die Zelle ein eigenes Abwehrsystem entwickelt:
Interferon, eine Proteinart.

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Letzte Überarbeitung: 12. Juni 2001, Dagmar Wiechoczek