5.9 Kohle

Das Mineral Kohle ist nicht etwa reiner Kohlenstoff, sondern ein Gemisch von polykondensierten aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK). Kohle hat eine durchschnittliche Molmasse von ca. 1200. Ihren Aufbau charakterisiert die Abb. 26:

Abb. 26: Ausschnitt aus einem Kohlemolekül

Kohle entsteht in langer Zeit unter Druck und bei höherer Temperatur aus abgestorbener Biomasse. Dabei wird die Reihenfolge

Biomasse —> Humus —> Torf —> Braunkohle —> Fettkohle —>
Anthrazit (und bei extremen geologischen Bedingungen: —>
Graphit —> Diamant)

durchlaufen, während die Masse ständig an Wasserstoff und Sauerstoff (in Form von Wasser) verliert. Das Verhältnis von C:H verschiebt sich somit zugunsten von Kohlenstoff. Modellsubstanzen für diesen Vorgang sind:

Glucose C6H12O6 C:H = 1:2
Benzol C6H6 C:H = 1:1
PAK (Benzpyren) C20H14 C:H = 1:0,67.


5.9.1 Verwendung von Kohle

In der BRD sind ca. 300 Mia. t Steinkohlevorräte und dazu riesige Braunkohlelager vorhanden. Insgesamt sind die Sedimente des Carbon ca. 3 km mächtig. In großen Tiefen plant man den Kohleabbau biotechnologisch durch Kohle "fressende" Mikroorganismen. Dabei entsteht Methan.

Die wichtigsten Möglichkeiten zur Verwendung von Kohle zeigt Abb. 27.

Ein großer Teil der Kohle wird zur Energieumwandlung verbraucht. In diesem Zusammenhang ist an die Umweltbelastung durch Stickoxide, Schwefeldioxid, CO2 und Schwermetallemissionen zu erinnern.

Überhaupt ist Kohle - unter dem Gesichtspunkt des an der stofflichen Zusammensetzung interessierten Chemikers - zum Verbrennen viel zu schade. Aus diesem Grunde versucht man, die Kohle zur Gewinnung von Grundchemikalien durch verschiedene Verfahren aufzuschließen. Besonders interessiert ist die Industrie vor allem an Phenolen, PAK und stickstoffhaltigen Aromaten. Hier sollen besonders die Verkokung und die Kohleverflüssigungen beschrieben werden.

Abb. 27: Übersicht Kohleverwendung


5.9.2 Verkokung

Fettkohlen werden unter Luftabschluss auf 1000 °C erhitzt. Bei diesem Verkokung genannten Prozess entstehen je Tonne Kohle etwa 750 kg Koks, 370 m3 Kokereigas, 35 kg Rohteer, 11 kg Rohbenzol, 2,4 kg Ammoniak und 150 kg Wasser.

Das primäre Dampf-Gas-Gemisch wird auf 150 °C abgekühlt. Dabei kondensiert Steinkohlenteer, der PAK, Phenole und unterschiedlichste Heterocyclen enthält. Kohlenwasserstoffe wie Benzol werden mit Waschölen aus dem Dampfraum absorbiert.

Ammoniak wird durch Erwärmen aus dem Wasser ausgetrieben.

Die Zusammensetzung von Kokereigas (Leuchtgas) ist:

55 % H2,
25 % Methan,
2 % schwere KW,
4-6 % CO,
2 % CO2,
10-12 % N2,
daneben als Verunreinigung H2S, HCN, CS2...

Analog zur Verkokung, aber bei niedrigerer Temperatur, läuft die Verschwelung der Braunkohle ab. Diese Tertiärkohle ist weniger stabil als Fettkohle oder Anthrazit, enthält aber viel mehr H und O.

Was man auf dem nächsten Bild sieht, ist im Prinzip eine kleine Kokerei. Es handelt sich um einen Grill, der mit Braunkohlebriketts statt mit Holzkohle betrieben wird. Wegen des geringeren Kohlenstoffanteils ist die Rauchbildung und damit die Schadstoffbelastung auch viel höher - wie man leicht sehen und vor allem riechen kann. Dann qualmt es nämlich mächtig.

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Grill, der mit Braunkohlebriketts angeheizt wird
(Foto: Blume)

Was die meisten Leute nicht wissen: Der Rauch eines solchen Grills enthält alles Mögliche an extrem giftigen Schadstoffen - wie zum Beispiel polykondensierte Aromaten (PAK). Darum geht es im nächsten Abschnitt.


5.9.3 Umweltbelastung durch Kokereien

Kokereien sind sehr umweltschädigend. Z. B. verseuchen Phenole, PAK und Schwermetalle die Böden der Umgebung und sind Anlass für viele Altlasten. Der Teer- und Farben-Chemiker Runge hat sich schon ab 1832 für die Aufarbeitung des Steinkohlenteers interessiert, weil ihn der Geruch der Altlasten störte.

Kokereigase enthalten Quecksilber Hg, Cadmiumoxid CdO und Blausäuregas HCN sowie H2S. Letztere werden durch Eisenhydroxidlösungen abgeschieden. Weiter entweicht auch das für die Atmosphäre bedeutsame Quellgas Schwefelkohlenstoff CS2.

In Kokereiabwässern sind bis zu 300 mg/l an Phenol und Phenolderivaten (z. B. Kresolen) enthalten.

Da diese Substanzen einerseits wertvolle organische Synthesebausteine - z. B. für die Farben-, Medikamenten- und Kunststoffherstellung - sind, andererseits hochtoxisch sind, ist ihre Entfernung aus dem Abwasser notwendig. 3-5 mg/l Phenol sind für Fische tödlich, schon 0,2 mg/l bewirken eine Beeinträchtigung des Geschmacks von Fischfleisch. In gechlortem Wasser bilden sich die noch geruchsintensiveren und besonders toxischen Chlorphenole.

Eine 98-99proz. Entfernung der Phenole gelingt durch ihre Extraktion mit organischen Lösemitteln, z. B. mit Diisopropylether. Nach Trennung durch Destillation wird der Ether erneut in den Extraktionsprozess eingesetzt. Die Entfernung des Restes erfolgt durch schwach basische Anionenaustauscher.


5.9.4 Benzin und Lösemittel aus Kohle

Um wirtschaftlich von der Petrochemie unabhängig zu werden, versucht(e) man, die Kohle aufzuschließen und Kohlenwasserstoffe daraus zu gewinnen. Diese Verfahren sind sehr energieaufwendig. Deshalb erwägt man, solche Anlagen neben KKW zu errichten (bzw. umgekehrt). Die labilere Braunkohle kann schon bei niedrigeren Temperaturen und Drücken aufgeschlossen werden.

A. Kohlehydrierung bei hohem Druck (Bergiusverfahren 1913)
Beim Erhitzen wie beim Verkoken wird Kohle gecrackt, wobei wie beim Cracken von Alkanen aus dem Erdöl viele ungesättigte Verbindungen oder Ruß und Wasserstoff entstehen (-> Abb. 28). Dies kann man verhindern, indem man die Spaltung unter hohem Wasserstoffdruck durchführt und simultan zur Spaltung sofort katalytisch Wasserstoff addiert (Hydrierung).

Der Katalysator muss schwefelfest sein. Man nimmt deshalb von vornherein Schwermetallsulfide wie die des Molybdäns Mo, Nickels Ni oder von Wolfram W.

Abb. 28: Cracken von Erdöl- bzw. Kohlebestandteilen

B. Kohlenoxidhydrierung (Fischer-Tropsch-Verfahren 1925)
Hierzu werden zunächst aus glühender Kohle und Wasser Kohlenmonoxid und Wasserstoff gewonnen:

C + H2O ———> CO + H2

Letztere werden ab 180 °C und unter Normaldruck katalytisch zu Methan und anderen Kohlenwasserstoffen umgesetzt:

CO + 3 H2 ———> CH4 + H2O (+ höhere Alkane)

Der Katalysator ist beispielsweise eine Mischung aus Nickel Ni, Cobalt Co, Thoriumoxid ThO2 und Magnesiumoxid MgO auf Kieselgur. Er ist sehr schwefelempfindlich. Die Kohle muss deshalb zuvor entschwefelt werden (beispielsweise durch Druckhydrierung (-> 4.1) oder Flotation).

Wählt man andere Katalysatoren wie etwa Zinkoxid ZnO/Crom(III)-oxid Cr2O3 sowie hohe Temperaturen und hohen Druck, so erhält man aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff Alkohole.

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Letzte Überarbeitung: 19. Mai 2010, Dagmar Wiechoczek