Physiologische Wirkung von Dioxinen

Einige Dioxine gehören zu den stärksten, jemals künstlich (wenn auch unbeabsichtigt) hergestellten Giften. Man spricht deshalb von Ultragiften.

Die relative Giftigkeit von TCCD ist 10.000 mal so hoch wie die von Kaliumcyanid und noch 500 mal so groß wie die von Strychnin. Der LD50-Wert beträgt bei Tieren 0,5-1 µg/kg Lebendgewicht, beim Menschen soll sie bei 1000 µg/kg liegen. Jedoch ist es schwierig, Werte aus Tierversuchen auf den Menschen zu übertragen. So beträgt die akute Toxizität von TCDD beim Meerschweinchen 0,5-1, bei der Ratte 25, bei Maus und Kaninchen 115 und beim Hamster 5000 µg/kg Lebendgewicht.
(Diese Angaben mit Massen/kg Körpermasse sind eigentlich nicht logisch. Besser ist es, stattdessen die Teilchenzahl der Gifte/kg Körpermasse zu vergleichen. Dann erhält man deutliche Verschiebungen in den Werten. Lies hierzu die Webseite "Vom Sinn der Molmassen".)

Wenn man die Konzentrationswerte ansieht, stellt man fest, dass der Stoffwechsel einer Zelle bereits von 500-1000 Molekülen TCDD beeinflusst wird. Dies ist auch der Konzentrationsbereich, in dem Hormone oder hochspezifische Medikamente wirken.

In geringeren Mengen rufen diese Verbindungen beim Menschen die als Chlorakne bekannten Hautentzündungen hervor, größere Dosen bewirken verschiedene Krankheitssymptome bis zur Fruchtschädigung und Krebsauslösung. Dioxine gelten als cancerogen, schädigen Immunabwehr und Nervensystem. Auch Erbgutveränderungen wurden beobachtet. Dabei treten die Vergiftungssymptome langsam auf und führen zu einem allgemeinen gesundheitlichen Zerfall ("Wasting").

Übersicht über nachgewiesene und diskutierte biologische Wirkungen des Ah-Rezeptors [1]

In der Graphik bedeuten:
- Ah-Rezeptor: Gen-induzierender Rezeptor für aromatische Kohlenwasserstoffe
- Cytochrom P-450: Bildet mit O2 Epoxide/Phenole, zeigt also Monooxigenase-Aktivität
- DT-Diaphorase: Oxidoreduktase, die Cyt-Fe3+ mit NAD(P)H reduziert (DT steht für Dicumarin-abhängig)
- Aldehyd-DH: Bildet NADH, reduziert auch Cytochrom P-450
- UDP-Glucuronyl-Tansferase: Überträgt Glucuronsäure auf Epoxide/Phenol
- GSH-Transferase: Überträgt Glutathion
- EGF: Ectodermal Growth Factor

Einige dieser Faktoren sind an der Entgiftungsreaktion der Aromaten und Dioxine direkt beteiligt.

Bei der Entgiftung läuft schematisch Folgendes ab:

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Grund für die unspezifischen Syndrome sind die unspezifischen Reaktionen von TCDD.
- TCDD passt sterisch ausgezeichnet in die Bindungsstellen des so genannten Ah-Rezeptors. Dies ist ein Protein, das spezifisch aromatische Kohlenwasserstoffe (Ah) bindet und mit der DNS wechselwirkt. Dadurch werden eine Reihe von Stoffwechselfunktionen beeinflusst:
- Möglich ist die Freigabe gewisser DNS-Bezirke, die mit Krebsauslösung zu tun haben (Onkogene), zur Ablesung.
- Der Ah-Rezeptor steuert auch verschiedenste Proteinbiosynthesen, unter anderem auch die von Cytochromen oder von Enzymen, die Glutathion oder Glucuronsäure herstellen bzw. übertragen. Hier ist ein Zusammenhang mit der Peroxidasetätigkeit und der Zunahme der oxidativen Aromatenentgiftung durch Epoxidbildung zu sehen.
- Der Ah-Rezeptor steuert auch Faktoren für Zellwachstum und Zelldifferenzierung (EGF), so dass hier die krebserzeugende sowie die teratogene Wirkung von TCDD verständlich wird.
- Man hat gefunden, dass TCDD die Östrogenrezeptoren blockiert. Damit erklärt sich die Tatsache, dass weibliche Versuchstiere empfindlicher auf TCDD reagieren.
- Diskutiert wird auch die Hemmung des Immunapparats.
- Wegen möglicher Einlagerung in Großhirnrezeptoren wird ein Zusammenhang mit der Alzheimer Krankheit angenommen.
- Des Weiteren passt TCDD in den Rezeptor des stark den allgemeinen Intermediärstoffwechsel beeinflussenden Thyroxins, eines Schilddrüsenhormons. Dies kann Ursache für die unterschiedlichen Auswirkungen von TCDD sein. Interessant ist, dass die Grenzwerte von Dioxinen mit der wirksamen Konzentration von Thyroxin nahezu identisch sind. Es gibt eine Korrelation zwischen TCDD-Gehalt der Luft und der Konzentration von TSH (das die Schilddrüse (Thyreodidea) stimulierende Hormon der Hypophyse).


Literatur


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Letzte Überarbeitung: 05. Mai 2010, Dagmar Wiechoczek