Was ist Branntweinessig? Wie heute Tafelessig gemacht wird

(Foto: Blume)


Gurken, Senf und Kürbis und viele andere Zubereitungen enthalten Essig. Der Deklarationsliste entnimmt man, dass es sich um Branntweinessig handelt.

Nun ist Branntwein dem allgemeinen Verständnis nach destillierter Wein, also eher ein Weinbrand. Zu hohe Alkoholgehalte (über 15 %) mögen Essigbakterien aber nicht.

Es geht das Gerücht, Branntweinessig sei verdünnte technische Essigsäure oder normaler Essig, der mit technisch hergestellter Essigsäure verschnitten ist. Das wollen wir so nicht stehen lassen! Fragen wir also einen Fachmann aus der Essigindustrie.


Zum Ausgangsstoff Alkohol
Bei dem für die Herstellung von Branntweinessig verwendeten Alkohol handelt es sich um einen rektifizierten Alkohol ("Branntwein") mit mehr als 95 %vol. Rohstoff des Alkohols ist dabei aus preislichen Gründen meistens Zuckerrüben- oder Zuckerrohrmelasse, prinzipiell können aber alle stärke-/zuckerhaltigen Rohwaren verwendet werden (auch Wein).

Dieser Alkohol unterscheidet sich sensorisch immens vom "Weinbrand", er ist sehr geschmacksneutral. Sie können ihn am besten mit den für die Herstellung von Vodka verwendeten Alkohol vergleichen (der übrigens NICHT aus Kartoffeln sein muss, wie die allgemeine Meinung ist). Der hochprozentige Alkohol wird bei Warenannahme aus zollrechtlichen Gründen mit Wasser und Branntweinessig verdünnt/vergällt.


Das Verfahren zur Essigherstellung
Je nach Verfahren wird dieses Gemisch weiter verdünnt (auf bis zu ca. 13 bis 14 %) und mit Nährstoffen versetzt und dann aerob mit Hilfe von Acetobacter versäuert. Hierzu wird ein halbvoller Fermenter mit diesem Gemisch aufgefüllt, so dass am Fermentationsstart z. B. ca. 4 % Alkohol und 9 % Säure vorliegen. Der Alkohol wird nun zu Essigsäure durch die Bakterien oxidiert, so dass am Ende der Fermentation ca. 0,3 % Alkohol und ca. 12,7 % Säure enthalten sind (Umsetzung: 1,026 kg Säure pro Liter Alkohol). Dann wird ein Teil des Inhaltes entnommen (als trüber Essig, der anschließend noch filtriert und gelagert wird) und der Fermenter wieder aufgefüllt.


Herstellung von höherprozentigen Essigen
Seit einigen Jahren gibt es auch Verfahren, die die Herstellung von höherprozentigen Essigen (zur Zeit > 21 % Säure) ermöglichen. Hierzu muss ich ein wenig ausholen:

Bei der Essigherstellung spricht man von der so genannten Gesamtkonzentration. Darunter versteht man die Summe aus Alkohol- und Essigsäurekonzentration. Oberhalb von einer Gesamtkonzentration von ca. 14 % sind die Acetobacter nicht in der Lage, sich zu vermehren (generell sollten dabei Alkohol-Gehalte < 4 %vol angestrebt werden). Aufgrund der Tatsache, dass immer ein Teil des Fermenterinhalts entnommen wird, würde es zum Auswaschen der Biomasse kommen, wenn diese sich nicht entsprechend schnell vermehren können.

Deshalb wird bei den neuen Verfahren die Gesamtkonzentration am Anfang gering gehalten (< 13 %), so dass sich die Essigsäurebakterien entsprechend vermehren können. Danach wird der oben genannte Alkohol langsam zudosiert. Dabei wird ein Alkoholgehalt von ca. 3 %vol konstant gehalten, bis eine Gesamtkonzentration von ca. 20 % (also ca. 17 % Säure und 3 % Alkohol) erreicht wird. Danach wird die Alkohol-Dosage eingestellt, der restliche Alkohol wird bis auf 0,3 % abgebaut und der Fermenter wieder teilgeleert. Durch Zugabe von Wasser und wenig Alkohol wird dann die Gesamtkonzentration von ca. 20 auf 13 erniedrigt und der Vorgang beginnt von neuen.

Die Firma Kühne vertreibt auch Branntweinessige mit 25 %. Diese werden aus dem oben genannten Essigen mittels Gefrierkonzentration gewonnen, auch hierbei handelt es sich also NICHT um synthetische Essigsäure.


Problem Restalkohol
Wahrscheinlich stellt sich bei Ihnen die Frage, warum es immer einen "Restalkohol-Gehalt" von ca. 0,3 %vol gibt. Sollten die Essigsäurebakterien keinen Alkohol mehr bekommen, stellen sie den Stoffwechsel um und "überoxidieren" die Essigsäure zu CO2 und H2O. Diese Stoffwechselumstellung ist irreversibel. Aus diesem Grund muss sie unbedingt vermieden werden.

Dank an Dipl.-Ing. Thomas Bräse von der Carl Kühne KG (GmbH & Co.)
www.kuehne.de


Weitere Texte zum Thema „Essig“


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 10. April 2007, Dagmar Wiechoczek