Bild 1: Ansammlung von Pyritammoniten („Goldschnecken“) auf einer Pyritgeode (Dogger Zeta). Durchmesser 3 cm
(Foto: Blume)



Der Petrefaktensammler in der Poesie


Es gibt von Eduard Mörike ein Gedicht, das eigentlich relativ unbekannt ist. Es heißt:

An zwei Freundinnen

Einmal noch an eurer Seite,
Meinen Hammer im Geleite,
Jene Frickenhauser Pfade,
Links und rechts und krumm und grade,
An dem Bächlein hin zu scherzen,
Dies verlangte mich von Herzen.
Aber dann mit tausend Freuden
Gleich den Hügel auf zu weiden,
Drin die goldnen Ammoniten,
Lias-Terebratuliten,
Pentakrinen auch, die zarten,
Alle sich zusammenscharten, -
Den uns gar nicht ungelegen
Just ein warmer Sommerregen
Ausgefurcht und abgewaschen,
Denn so füllt man sich die Taschen.
Auf dem Boden Hand und Knie,
Kriecht man fort, o süße Müh!
Und dazwischen mit Entzücken
Nach der Alb hinaufzublicken,
Deren burggekrönte Wände
Unser sonnig Talgelände,
Rebengrün und Wald und Wiesen
Streng mit dunkeln Schatten schließen!
Welche liebliche Magie,
Uns im Rücken, übten sie!
Eben noch in Sonne glimmend
Und in leichtem Dufte schwimmend,
Sieht man schwarz empor sie steigen,
Wie die blaue Nacht am Tag!
Blau, wie nur ein Traum es zeigen,
Doch kein Maler tuschen mag.
Seht, sie scheinen nah zu rücken,
Immer näher, immer dichter,
Und die gelben Regenlichter
All in unser Tal zu drücken!
Wahrlich, Schönres sah ich nie.
Wenn man nur an solcher Stätte
Zeit genug zum Schauen hätte!
Wißt ihr was? genießt ihr beiden
Gründlich diese Herrlichkeiten,
Auch für mich genießet sie!
Denn mich fickt' es allerdinge,
Wenn das rein verlorenginge.
Doch, den Zweck nicht zu verlieren,
Will ich jetzt auf allen vieren
Nach besagten Terebrateln
Noch ein Stückchen weiterkratteln;
Das ist auch wohl Poesie.


Eduard Mörike (1804-1875) ging in Urach zur Schule und studierte in Tübingen. Offensichtlich hat die geologische Umgebung der Schwäbischen Alb und ihres Vorlands den Dichter geprägt.

Bild 2: Der Albtrauf bei Urach
(Foto: Blume)


Anmerkungen zum Gedicht
Frickenhausen ist ein Ort am Albtrauf südlich von Nürtingen zwischen Stuttgart und Tübingen. Da gibt es sogar einen Eduard-Mörike-Weg…

Petrefakten ist neben Fossilien ein wissenschaftlicher Ausdruck für Versteinerungen (griechisch petros, der Stein und lateinisch factum, das Gemachte).

Was die „Goldenen Ammoniten, Lias-Terebratuliten, Pentakrinen“ angeht, die der Dichter suchen geht und wohl auch findet, sind hier Bilder davon:

Bild 3: „Goldschnecken“ aus dem Braunjura. Durchmesser bis 3 cm
(Foto: Blume)


Bild 4: Brachiopoden aus dem Jura (Terebratula). Der größte Brachiopode ist 4,5 cm lang
(Foto: Blume)


Bild 5: Glied eines Seelilienstängels (Pentacrinus; Lias). Durchmesser 1 cm
(Foto: Blume)


Die „goldenen“ Ammoniten (genannt „Goldschnecken“) bestanden zunächst aus Pyrit (FeS2), bevor sie aus dem Ton freigespült wurden. Sie sind oberflächlich oxidiert und in Limonit (FeOOH) umgewandelt worden. Da diese Limonitschichten anfänglich sehr dünn sind, entstehen golden schimmernde Anlauffarben.


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Letzte Überarbeitung: 09. April 2015, Dagmar Wiechoczek