Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 179
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F: Im Chemie-Lehrbuch unserer Schule wird als Beispiel einer exergonen Reaktion die Chlorknallgasreaktion vorgestellt, mit negativer Enthalpie- und positiver Entropieänderung.
Meine Frage dazu lautet:
Wie lässt sich die Entropiezunahme dieser Reaktion erklären, die Teilchenzahl und der Aggregatszustand ändern sich ja nicht, ebenso sind Lösungsmitteleffekte auszuschließen.
Eine Entropiezunahme ergibt sich auch aus den Standardentropien der beteiligten Stoffe.
Auf Ihre Antwort freut sich...


A: Entropie wird nicht nur als Maß der molekularen Unordnung beschrieben (wie vielen Leuten und wohl auch Ihnen vorschwebt), sondern exakt als ein Maß für die molekulare Bewegungsfreiheit beschrieben. Mit jeder Möglichkeit zur Zunahme der molekularen Bewegungsfreiheit vergrößert sich der Entropieinhalt einer Verbindung.

Man denkt automatisch nur an die Aggregatszustände und deren Änderungen. Wenn wie bei Ihrem Fall aus zwei Mol Gas wieder zwei Mol Gas entstehen, sollte demnach die Entropie konstant bleiben.

H2 + Cl2 ———> 2 HCl + Energie

Das ist nicht der Fall, wie wir an der HCl-Bildung sehen.
Zur Beurteilung der Bewegungsfreiheiten von vornherein gasförmigen Verbindungen vergleichen wir deshalb die Eigenschaften der einzelnen Molekül-Spezies. Das entscheidende Stichwort ist Freiheitsgrade.

- Bei den Molekülen von H2 und Cl2 handelt es sich um unpolare Moleküle, die nur wenig schwingen und rotieren, da sie wegen fehlender Polarität vom Infrarot (IR) oder von den Mikrowellen (MW) nicht oder kaum angeregt werden.
- Beim Molekül HCl handelt es sich dagegen um ein stark polares Molekül. Letzteres ist stark IR- und MW-aktiv. Damit verfügt dieses Molekül wesentlich mehr Freiheitsgrade - zum Beispiel in Schwingung und Rotation. Das erklärt den Unterschied.

Eine kleine Story: Dieser Zusammenhang war Gegenstand meiner Vordiplomsprüfung bei dem Thermodynamiker Prof. Gustav Kortüm. Es ging hier allerdings um die folgende Reaktion und um die Frage, warum die überhaupt ablaufen kann.

CO + NH3 ———> HCN + H2O

Antwort: Siehe oben! Diese gut verlaufene Prüfung habe ich nicht vergessen.


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F: Anlässlich des Medizin-Nobelpreises 2005 habe ich eine Frage: Wie kann der Helicobacter pylori, der bekanntlich im Magen lebt, überhaupt überleben? Es wird doch immer gesagt, dass die Magensäure so stark ist, dass sie Mikroorganismen abzutöten vermag.


A: Die Bakterien leben tatsächlich auf der Magenwand. Sie knabbern die gegen Säure und Pepsin resistente Schleimschicht des Magens an und machen es sich darin gemütlich. Denn sie haben gelernt, Ammoniak in solchen Mengen herzustellen, dass dadurch die Salzsäure des Magensaftes neutralisiert wird. So sind sie auch vor dem Angriff durch das Magenenzym Pepsin geschützt. Damit können sie in aller Ruhe die Magenwand zersetzen und für Magenentzündungen, Magengeschwüren und Wanddurchbrüchen sorgen. Vor allem sorgen sie auch für den diese Entzündungen begleitenden Mundgeruch.
Übrigens weist man den Helicobacter nach, indem man Magenabstriche auf schwach saurem Agar ausstreicht, der mit Indikatoren wie Bromkresolgrün versetzt ist. Bakterienkolonien mit entsprechender Indikatorumfärbung (hier von Gelb nach Blau) stehen im Verdacht, Helicos zu sein.

Es stellt sich in diesem Zusammenhang übrigens noch die Frage, wieso dann überhaupt Bakterien in den Darm gelangen, zum Beispiel die Milchsäurebakterien. Denn unser Darm ist voll Bakterien.

Säuglinge haben noch keine Magensäure. Sie nehmen aber im Verlauf der Geburt beim Durchgang durch den Geburtskanal und beim ersten Atemzug einen kräftigen Bakterienschluck zu sich und versorgen sich so mit den notwendigen Darmbakterien. (Die fehlen den Kaiserschnittkindern und müssen ihnen deshalb in Tablettenform verabreicht werden.)


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F: Betreff: Chemiewettbewerb in der schule,klasse 10,Realschule

Ich nehme in der Schule an einem Chemiewettbewerb teil.Einer dieser Aufgaben ist es,mit zwei,an eine Batterie angeschlossenen Nägeln auf einer gekochten und einer rohen Kartoffelscheibe zu schreiben.Der Nagel an dem der Minuspol angeschlossen ist,steckt in einer halben,rohen Kartoffel.Warum sieht man eine braune Schrift beim schreiben auf der rohen und der gekochten Kartoffelscheibe?


A: Die Kartoffelscheibe wurde zuvor mit Kaliumiodidlösung behandelt. Bei der Elektrolyse wird am Pluspol Iod freigesetzt, das mit der Kartoffelstärke den bekannten dunkelfarbigen Iodstärkekomplex bildet.


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F: Warum heißt der drehbare Einsatz in den Hähnen von Büretten oder Schütteltrichtern Küken?


A: Das ist alter Labor-Jargon. Es bedeutet nichts anderes als ein kleiner Hahn. Sozusagen das Kleine im Hahn, eben ein "Küken".


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F: In einem älteren Chemie-Lehrbuch fanden wir eine Information über Kältemischungen aus Eis und 66%iger Schwefelsäure. Da uns bisher das Gemisch aus Wasser und Schwefelsäure nur als "Wärmemischung" bekannt war, fragen wir uns, worauf der abkühlende Effekt der Kältemischung beruht. Können Sie uns helfen?


A: Es stimmt. Dem Vernehmen nach kommt man dabei auf -90 °C. Schwefelsäure bildet mit Wasser in exothermer Reaktion Hydrate. Deren Bildung ist bei 66%iger Schwefelsäure weitgehend abgeschlossen. Danach ist bei weiterer Wasserzugabe kaum noch Wärmefreisetzung zu erwarten.
Bei der Kältemischung handelt es sich um ein Gemisch eines - ich sage mal vorsichtig - Pseudo-Salzhydrats mit Eis. Das Schwefelsäure-Hydrat müssen wir als salzähnliche (das heißt ionisch aufgebaute) Substanz verstehen. Bei deren Mischung mit Eis wirkt sich voll der energetische Effekt des Eisschmelzens aus.
Zur Kältemischung haben wir einige Webseiten, unter anderem auch einen Tipp des Monats.

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Letzte Überarbeitung: 17. Februar 2008, Dagmar Wiechoczek