Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 329
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1801
F: Was ist Höllenstein? Meine Eltern erzählten mir, dass man damit früher den Kindern die Augen geätzt hat. Und warum tat man das den Kindern an?


A: Höllenstein ist nichts anderes als ein dünner Preßlingstab aus Silbernitratkristallen. Durch das Pressen wird das farblose Silbernitrat (AgNO3) glasartig.

Zur Erklärung der Nutzung bei Kleinkindern:
Früher gab es ein Problem: Kinder, deren Eltern von Geschlechtskrankheiten und in diesem Zusammenhang vor allem von Syphilis befallen waren, liefen Gefahr, dass bei der Geburt die Infektion auch auf das Neugeborene übergriff. Das führte häufig zur Erblindung des Kindes.
Man kannte bereits die bakteriziden Eigenschaften von Silber-Ionen. Die Augen der Kinder wurden mit Höllenstein geätzt, um die Bakterien abzutöten.
Denkt man daran, dass Silbernitrat das Gefahrensymbol (C) (Ätzend!) trägt, so wird einem klar, dass das eine schlimme Quälerei für die Neugeborenen gewesen sein muss. Zum Geburtsschock gleich dieser Schmerz! (Natürlich wurde das Auge dabei nicht beschädigt!) Man nahm übrigens anstelle des Höllensteins auch eine Silbernitratlösung - mit gleicher Wirkung. Die hatte nur den Nachteil, dass sie durch Belichtung rasch unbrauchbar wurde.

Viele Mütter haben sich gegen diese brachiale Behandlung gewehrt - mit Erfolg.
Trotzdem muss man bei aller Sympathie für diese Mütter (zu denen auch meine eigene gehörte) bedenken, dass früher viel mehr Menschen - auch ohne es zu wissen - von der Syphilis befallen waren, als wir uns heute vorstellen können! Da war die Höllenstein-Therapie schon ein gewisser Fortschritt.
Das Problem der Infektion besteht wohl immer noch; aber heute setzt man auf mildere Desinfektionsmittel.


1802
F1: Nun habe ich schon wieder eine Frage, denn am Wochenende war ich bei einem Freund, der sich einen Gasofen besorgt hat. Zu diesem Ofen gehören Kohle-Imitate und Holzscheit-Imitate. Wenn nun die Gasflamme diese Imitate berührt, sieht es unglaublich echt aus. Mein Freund hat keine Aschereste mehr und hat mir nur noch berichten können, dass sich diese Imitate sehr leicht und eher nach Kunststoff anfühlen. Ich habe ständig in die Ofenflamme geschaut und war fasziniert von der "Echtheit", leider habe ich im Internet nichts finden können, woraus diese Imitate bestehen und vor allem, warum sie nicht verbrennen, d. h. "aufgebraucht" werden. Vielleicht wissen Sie auch hier etwas darüber? Oder gibt es bereits nette Schulversuche mit diesem Material? Dann würde ich versuchen, es zu besorgen.


A1: Es handelt sich bei den Holz- und Kohleimitaten um entsprechend geformte, hochschmelzende Keramikprodukte. Diese sind natürlich feinporös (deshalb sehr leicht!), so dass sie von Gas durchströmt werden, welches im Allgemeinen piezoelektrisch (also wie ein Gasfeuerzeug) gezündet wird.
Schulversuche würde ich damit nicht machen, weil bei ungeregelter Gaszufuhr Explosionsgefahr besteht.


F2: Vielen Dank für die Info. Wäre wirklich zu schade, wenn ich die letzte räumliche Möglichkeit zum Chemieunterrichten (-> Frage 329) in die Luft sprengen würde...

Habe mir aber trotzdem von der Firma Oranier ein paar Muster bestellt, die waren so nett mir diese kostenlos für die Schule zur Verfügung zu stellen. Mal sehen, was ich damit anstellen kann.

Nochmals vielen Dank für Ihre Auskünfte - die sind noch besser als Internetrecherchen!


1803
F1: Ich darf es kaum sagen, aber ich habe seit einigen Unterrichtsstunden gepredigt, dass Iod sublimiert und somit die flüssige Phase überspringt. Nun gucke ich ins Chemiebuch zum Thema "Halogene" und sehe dort Siede- UND Schmelztemperatur angegeben. Das macht mich stutzig - sowie meine SchülerInnen demnächst vermutlich auch. Ich habe mir zwar schon immer gedacht, dass man Jod unter bestimmten Umständen, wie z.B. Erhöhung des Drucks, verflüssigen kann, aber sind die Angaben zu den Schmelztemperaturen nicht bei "Normaldruck"?
Ich habe bereits im Server-Inhalt recherchiert und leider nichts gefunden
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen und bedanke mich bereits im Voraus! Außerdem bin ich immer wieder aufs Neue sehr begeistert von dieser umfassenden Homepage!


A1: Wie fast jeder andere Festkörper hat auch Jod einen Schmelzpunkt (113,6 °C) und einen Siedepunkt (185,24 °C) - alle Angaben unter Normaldruckbedingungen.

Sie denken sicherlich an die Sublimation: Das heißt, Iod hat die Tendenz, schon bei Raumtemperatur ohne Verflüssigung merklich zu verdampfen, ohne sich zu verflüssigen: Jod sublimiert. Es resublimiert auch gleich wieder an kälteren Stellen, wobei sich unter Umgehung des flüssigen Zustands sofort Kristalle bilden.

Wenn Sie Iod zum Sieden erhitzen, beobachten Sie nur das Verdampfen und weniger die Sublimation. Sie erleben aber wenigstens die dem Verdampfen anschließende Resublimation unter Bildung schöner Kristalle, aber auch – wenn Sie mit der Wärmezufuhr aufhören - die Wiederverfestigung der Schmelze. Sublimation und Schmelzen/Verdampfen darf man also nicht voneinander trennen.

Auch andere Substanzen verhalten sich so - z. B. Wassereis, Schwefel oder auch Naphthalin. Bei Schwefel ist die Sublimation unterhalb des Schmelz- bzw. des Siedepunkts nicht so ausgeprägt - anders als bei Eis oder Naphthalin.

Es gibt natürlich auch Ausnahmen wie das CO2. Dessen Siedepunkt liegt bei -56,7 °C, allerdings bei 5,3 bar. Der Sublimationsdruck von festem CO2 ist so hoch, dass es schon unter Normaldruck völlig sublimiert, das allerdings bei -78,5 °C. Das liegt an der merkwürdigen Form des p,T-Diagramms: Die Dampfdruckkurven von festem und flüssigem CO2 schneiden sich erst bei 5,3 bar, so dass der Siedepunkt bei Normaldruck schon beim festen CO2 erreicht wird. Das heißt, der Festkörper sublimiert eher vollständig weg, als dass er sich verflüssigt.


F2: Vielen Dank für die schnelle Info. Bisher hatte ich immer so wenig Jod erhitzt, so dass ich das Verflüssigen auch nie beobachten konnte. Es ist zwar fast unvorstellbar, aber in unserer Schule gibt es KEINEN Abzug...


A2: Zum Demonstrieren der Verflüssigung von Iod benötigen Sie keinen Abzug. Nehmen Sie ein kleines Reagenzglas, geben Sie genügend Iod hinein und verschließen Sie es mit einem Kunststoffbeutelchen zum Druckausgleich. Dann schmelzen Sie das Iod mit heißer Flamme, um das Phänomen den Schülern zu zeigen.


1804
F: Die einfache Frage, die ich Ihnen stellen möchte, beschäftigt mich schon längere Zeit und ich zweifle an mir selbst, weil ich sie nicht beantworten kann.
Warum werden Rasierklingen so schnell stumpf? Der Stahl ist doch viel härter als das, was üblicherweise damit geschnitten wird. Jedes Küchenmesser hat schwierigere Aufgaben zu erledigen und bleibt viel länger scharf.
Zusatzfrage: Kennen Sie eine einfache Methode, um stumpfe Rasierklingen nachzuschärfen?


A: Auch wenn beide aus Stahl sind: Sie können ein Küchenmesser nicht mit einer Rasierklinge vergleichen. Letztere ist derartig fein geschliffen, dass ein Küchenmesser dagegen regelrecht stumpf zu nennen ist. Versuchen Sie z. B. mal, sich mit einem Küchenmesser zu rasieren…
Gleiches wie für die Rasierklingen gilt auch für die medizinischen Skalpelle: Vergleichen Sie die Schärfe eines Skalpells mit der eines Küchenmessers, indem Sie mit beiden z. B. einen frischen Fisch aufzuschneiden versuchen…

Je feiner der Schliff ist, desto eher kann die Klinge stumpf werden. Machen Sie sich dazu bewusst, dass die Schneide bei der Rasierklinge nur wenige Atomschichten dick ist. Bei einer Messerklinge sind das schon ein paar Zehnerpotenzen mehr.
Unterschätzen Sie in diesem Zusammenhang auch nicht, wie hart und dick Haare sind - auch wenn man sie mit Rasierschaum anweicht. Haare bestehen aus dem besonders zähen Protein Keratin, aus dem auch die Haut besteht. Aus Haut macht man Leder.

Wie hart das Keratin ist, erkennen Sie daran, dass Großvaters Rasiermesser mit einem Lederriemen nachgeschliffen wurde. In diesem Zusammenhang komme ich zu Ihrer zweiten Frage:

Sie können Rasierklingen nicht nachschleifen, da die Schneide nur hergestellt werden kann, wenn Sie mit entsprechenden feinen Geräten arbeiten. Rasierklingen sind High-Tech-Produkte.

Zur Untersuchung einer Rasierklinge klicke hier.


1805
F: Bei der anorganischen Analyse heißt es immer: Typisch für Kalium- und Ammonium-Ionen. Nun ist das Ammonium-Ion doch kein Metall-Ion und hat ganz andere stoffliche Eigenschaften. Es sollte doch eher eine Ähnlichkeit zwischen den Ionen von Kalium und Natrium bestehen.


A: Hier geht es nicht um stofflich abgestufte Ähnlichkeiten, die sich aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe im PSE ergeben, also Flammenfärbung, Bildung vieler löslicher Salze wie der Chloride, Sulfate und so weiter. Daneben gibt es Verbindungen, in denen sich Kalium und Ammonium gegenseitig vertreten können und Salze mit gleichen stofflichen Eigenschaften bilden - anders als mit Natrium.

Perchlorat nutzt man zum Nachweis von Kalium-Ionen, da sich schwerlösliches Kaliumperchlorat (KClO4) bildet. Natriumperchlorat (NaClO4) dagegen ist leichtlöslich. Erstaunlicherweise ist auch das Ammoniumperchlorat (NH4ClO4) schwerlöslich und stört deshalb beim Nachweis von Kalium-Ionen. Gleiches gilt auch für das Rubidium.

Die Ursache liegt ausschließlich in den Ionengrößen. Das zeigt die folgende Tabelle:

Na+ 1,16 Å
K+ 1,52 Å
NH4+ 1,64 Å
Rb+ 1,66 Å

Der Tabelle entnimmt man, dass das für das Paar Kalium und Ammonium Gesagte noch eher auf das Paar Ammonium und Rubidium zutreffen sollte - was auch tatsächlich der Fall ist.

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Letzte Überarbeitung: 11. November 2012, Dagmar Wiechoczek