Was ist Glas?

Experimente:
Versuch: Schmelzen und Bearbeiten von Glas
Versuch: Borax- und Phosphorsalzperlen in der Analytik
Versuch: Tiefkühlen von Gummi
Versuch: Schmelzen von Kaliumnitrat
Versuch: Vergleich der Härte von Glas und Quarz


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Bild 1: Ein Stück Glas und ein Kalkspatkristall (Höhe 10 cm)
(Foto: Blume)


Definition:
Glas ist ein stofflich einheitliches Schmelzprodukt, das abgekühlt und erstarrt ist, ohne merklich zu kristallisieren. Gläser schmelzen nicht bei einer bestimmten Temperatur, sondern werden über einen weiten Temperaturbereich weich (siehe Experimente, V 4). Man nennt diese Substanzen auch amorph (griech. a: nicht, morphe: Gestalt; also formlos, gestaltlos). Treffend spricht man auch von einer unterkühlten Schmelze oder vom plastischen Zustand.

Glas-Eigenschaften haben viele anorganische Stoffe wie z. B. Schmelzen von Boraten oder Phosphaten, die in der klassischen Analytik eine wichtige Rolle spielten (siehe Experimente, V 1). Natürlich ist das Glas selbst zu nennen. Hierzu gehört aber auch der aufgeschmolzene Quarz, der rasch abkühlt. Sogar unter den organischen Stoffen findet man Gläser: Das sind vor allem Kunststoffe wie das Plexiglas oder PVC ohne Weichmacherzusatz. Sogar tiefgekühltes Gummi hat glasartige Eigenschaften (siehe Experimente, V 2).

Typisch für Gläser ist der plastische Zustand in gewissen Temperaturbereichen. Dieser liegt energetisch zwischen den Aggregatzuständen Fest und Flüssig.

Bild 2: Energiediagramm der Aggregatzustände


Die Eigenschaften von kristallinen Festkörpern und Gläsern lassen sich wie folgt unterscheiden:

Nicht plastische Stoffe:

Plastische Stoffe:

Zum Verständnis der Eigenschaften von Glas wollen wir den molekularen Aufbau von zwei Feststoffen vergleichen:

Natriumchlorid NaCl ist einheitlich aus Na+- und Cl¯-Ionen aufgebaut (Ionengitter; im Versuch 3 nehmen wir aus Gründen der Schmelzbarkeit das analoge Kaliumnitrat). Jedes Ion hat räumlich und energetisch exakt die gleiche Umgebung. Alle Ionen werden deshalb beim Erreichen eines bestimmten Energiegehaltes (charakterisiert durch eine präzise Temperatur) schlagartig aus der Bindung gelöst. Folglich beobachtet man einen scharfen Schmelzpunkt von 801 °C (bzw. 339 °C im Versuch 3). Der Vorgang ist reversibel.

Bild 3: NaCl-Gitter (© Cornelsen)


Einen scharfen Schmelzpunkt beobachtet man auch beim natürlichen Quarz SiO2, der völlig symmetrisch aus Si- und O-Atomen aufgebaut ist (siehe Bild). Man kennt die kristalline Form als Bergkristall. Hier handelt es sich nicht um ein Ionengitter, sondern um ein Makromolekülgitter. Auch hier hat jeder Bausteintyp räumlich und energetisch exakt eine gleiche Umgebung. Quarz schmilzt deshalb scharf bei 1705 °C. Lässt man die Quarzschmelze abkühlen, können sich die kovalent gebundenen Bausteine nicht mehr regelmäßig zusammenfügen. Es existieren keine gleichen Umgebungen bzw. Bindungswinkel/Bindungslängen mehr (siehe Bild). Deshalb brechen beim erneuten Schmelzen einzelne Bindungen nacheinander auf. Man beobachtet folglich keinen scharfen Schmelzpunkt mehr, sondern das für Gläser typische Erweichen. Ein chemisch einfacher Glastyp, Quarzglas, ist entstanden.

Bild 4: Quarzgitter (Tridymit), Quarzglas und Normalglas
(Aus Übersichtsgründen wurden nur drei Bindungen des Siliciums gezeichnet.)


Grundsätzlich ähnelt der Aufbau von Glas dem ungeregelten Bau von Quarzglas. Das Normalglas stellt man aus Quarz, Kalk und Soda bzw. Pottasche her. Mischungen dieser drei Stoffe werden gesintert und dann zusammengeschmolzen.
Quarz stellt auch hier das Netzwerk als Grundmatrix (Quarz ist Netzwerkbildner). Die Alkali- und Erdalkaliverbindungen brechen das Gitter vollkommen ungeregelt auf (Bild; sie sind Netzwerkstörer). Dabei bilden sich nichtkristalline Silicate. Jeder Baustein hat nun Umgebungen mit unterschiedlichen Bindungsbedingungen aufzuweisen. Die Folge ist, dass die Bindungen bei Energiezufuhr nicht mehr simultan, sondern nacheinander aufbrechen. Dies ist der Grund für den weiten Erweichungsbereich von Glas.

Die chemischen Unterschiede zwischen Quarz und Glas wirken sich auch in der mechanischen Stabilität aus. Glas ist "weicher" als Quarz. So kann man Glas mit einem Bergkristall, also reinem Quarz, anritzen (siehe Experimente, V 20). Gleiches gelingt auch mit Feuerstein, der ebenfalls aus reinem, allerdings fein verteiltem Quarz besteht.

(Kunststoffgläser bestehen aus polymeren Makromolekülen. Hier wird die glasartige Eigenschaft durch verschieden starke van der Waals-Bindungen erreicht. Allerdings hat die Bearbeitbarkeit von organischen Gläsern ihre Grenzen: Beim Aufschmelzen von Kunststoffgläsern besteht Zersetzungsgefahr. PMMA zersetzt sich sogar völlig - das bringt natürlich Vorteile beim Recyceln (siehe Experimente, V 17).)


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Letzte Überarbeitung: 28. Mai 2015, Dagmar Wiechoczek