2.1.10. Glas

2.1.10.1. Definition
Glas lässt sich am besten als geronnene (d. h. beim Auskühlen verhärtete) Flüssigkeit beschreiben. Ein echter Feststoff hat einen ganz bestimmten Schmelzpunkt, an dem er sich verflüssigt. Aber wenn man Glas erhitzt, wird es nur weicher und weicher, ohne einen richtigen Schmelzpunkt zu haben.
Glas ist ein stofflich einheitliches Schmelzprodukt, das abgekühlt und erstarrt ist, ohne merklich zu kristallisieren. Gläser schmelzen nicht bei einer bestimmten Temperatur, sondern werden über einen weiten Temperaturbereich weich. Man nennt diese substanzen auch amorph (griech. a: nicht, morphe: Gestalt; also formlos, gestaltlos). Treffend spricht man auch von einer unterkühlten Schmelze oder vom plastischen Zustand.
Typisch für Gläser ist der plastische Zustand in gewissen Temperaturbereichen. Dieser liegt energetisch zwischen den Aggregatzuständen Fest und Flüssig.
Zur Glasherstellung Temperaturen um 1600 - 1800 °C benötigt, da die reinen Ausgangssubstanzen erst bei sehr hohen Temperaturen schmelzen. Ihr Schmelzpunkt sinkt allerdings mit zunehmender Sinterung, die bereits bei 600 - 800 °C einsetzt (Schmelzpunkterniedrigung bei zunehmender Durchmischung der Schmelze an den Phasengrenzen). Hierbei setzen sich Kalk, Soda etc. unter beträchtlicher CO2-Freisetzung mit Quarz zu Silikaten um:

CaCO3 + SiO2 ———> CaSiO3 + CO2

Wegen des großen Erweichungsbereichs lässt sich Glas hervorragend bearbeiten. Damit kann man auch die Tätigkeit des Gasbläsers verstehen. Eine Glasscheibe ist durchsichtig: Die Lichtstrahlen können Glas ungehindert passieren (anders als etwa Holz oder Metall, die das Licht blockieren), deshalb können auch unsere Augen hindurchschauen.

2.1.10.2. Glasherstellung
Das Glas ist heute ein nicht wegzudenkender Werkstoff. Durch seine optimalen Eigenschaften ist Glas vielseitig einsetzbar:

Die Rohstoffe für die Herstellung von Glas sind Quarzsand (Siliziumdioxid, SiO2), Soda (Natriumcarbonat, Na2CO3) und Kalk (Calciumcarbonat, CaCO3). Diese Mischung wird auf ca. 1500 °C erhitzt, wobei die Carbonate in die entsprechenden Metalloxide zerfallen und der dabei freiwerdende Kohlenstoff sich mit dem Luftsauerstoff zu Kohlenstoffdioxid (CO2) verbindet.
Das Mischungsverhältnis beträgt bei Fensterglas etwa 75 % Quarzsand, 13 % Soda und 12 % Kalk.
Beim Abkühlen entstehen im Glas winzige Kristallgitter. Während Quarzsand normalerweise große Makromoleküle bilden würde, wird das Gitter hier durch einwertige Kationen, wie z. B. Na+, gestört, und die Anordnung der Ionen bleibt weitgehend auch im festen Zustand erhalten. Glas wird daher auch als erstarrte, unterkühlte Schmelze bezeichnet.

Der heute wohl wichtigste Verwendungszweck des Glases ist als Baustoff, genauer gesagt als Flachglas. Dieses wird heute nach dem sog. Floatverfahren hergestellt. In diesem Schwimmverfahren (Floatverfahren) finden wir die geniale Auswertung längst bekannter physikalischer Tatsachen für die Flachglasherstellung:

1) Es gibt einige Metalle, deren Schmelzpunkt sehr viel tiefer liegt, als der Erweichungspunkt des Glases (z. B. Zinn: 238 °C)
2) Glas ist spezifisch nur etwa ein Drittel so schwer, wie z. B. Zinn, d. h. Glas schwimmt auf flüssigem Zinn.
3) Auch Metalle bilden in flüssigem Zustand, wie jede Flüssigkeit, an der Oberfläche durch Oberflächenspannung eine völlig glatte Ebene.

Die glastechnische Auswertung dieser 3 physikalischen Gegebenheiten finden wir als Grundprinzip der in England entwickelten Floatglasherstellung. Das Floatverfahren ist eines der wichtigsten Entwicklungen in der Glasherstellung. Nach über siebenjähriger Entwicklungsarbeit gelang es der Firma Pilkington Brothers 1966 mit dem Floatverfahren in die Glasproduktion einzusteigen.

Wenn man flüssiges Glas auf flüssiges Zinn gießt, bildet das Glas an seiner freien Oberfläche eine einwandfreie Spiegelglasfläche. Beim Floatglasverfahren liegt nun das flüssige Glas, statt auf einem festen Gießtisch auf der ideal glatten Oberfläche des flüssigen Zinns auf, und wird dadurch auch auf seiner zweiten Seite zu einwandfreier Spiegelglasoberflächenqualität geformt. Auf diesem flüssigen Zinn schwimmt das Glas dann in Form eines endlosen Bandes. Auf seinem Weg auf dem Zinn kühlt das Glas von 1200 °C auf ca. 600 °C ab. Das endgültige Abkühlen auf Raumtemperatur erfolgt dann in Kühlöfen und auf einem offenen Rollengang. Am Ende wird das Glas zerschnitten und für den Versand verpackt. Die gesamte Anlage ist Tag und Nacht in Betrieb. Dadurch ist es möglich, das Glas immer von einer gleichbleibenden Dicke zu erzeugen, und es hat eine hohe Qualität. So kann das Glas als fertiges Spiegelglas erstarren, während das Zinn mit seinem weit niedrigeren Schmelzpunkt flüssig bleibt.

Bei veredeltem Flachglas handelt es sich um spezielle Gläser die erhöhten Ansprüchen genügen müssen. Beispiele sind zum Beispiel Verbundglas. Dies ist Glas, das aus mindestens 2 Scheiben Sicherheitsglas besteht, welche durch eine reißfeste Kunststofffolie miteinander verklebt sind. Bei der Zerstörung bleiben die Bruchstücke an der Folie haften. Außerdem bleibt die Scheibe durchsichtig. Verbundglas wird bei Windschutzscheiben, als Schutzglas bei Maschinen oder bei Fernsehbildröhren verwendet. Es kann weiterhin auch zu mehr als 25 mm dickem Panzerglas oder durch Einfügen von Heizdrähten zu Pkw-Heckscheiben weiterverarbeitet werden. Panzerglas besteht aus mindestens 4 Scheiben und ist ab 60 mm durchschußfest.
Sicherheitsgläser werden hergestellt um die Bruchgefahr und damit die Verletzungsgefahr bei Flachgläsern zu verringern. Die Gläser werden dabei bei der Herstellung thermisch vorgespannt und gehärtet. Dabei wird die Oberfläche des Glases rasch erhitzt und sofort wieder abgekühlt. Das so entstandene Sicherheitsglas zerfällt bei Schlag oder Stoß in viele kleine Bruchstücke ohne scharfe Ränder.
Zu den veredelten Gläsern gehören auch die Isoliergläser. Sie bestehen aus 2 oder mehr Scheiben, die einen Zwischenraum von 9 - 12 mm aufweisen. Darin befindet sich entweder Luft oder ein Gas. Die Luft oder das Gas trägt dazu bei, dass weniger Wärme vom Innenraum nach aussen gelangt.
Eine weitere Methode Fensterscheiben herzustellen, ist es zu gießen. Es entsteht sogenanntes Gußglas. Es ist nicht durchsichtig und wird vor allem für Badezimmer- bzw. Toilettenfenster verwendet. Bei diesem Verfahren fließt das Glas auf eine Bank aus feuerfestem Stein. Von dort aus gelangt es zwischen 2 Formwalzen. Je nach Abstand der Walzen wird das Glas mehr oder weniger dick. Soll die Oberfläche des Glases eine Musterung enthalten, verwendet man entsprechende Formwalzen mit entsprechender Musterung. Wenn Drahtglas hergestellt werden soll, liegt vor der Formwalze eine Rolle mit Drahtnetz. Dieses wird im Laufe der Verarbeitung leicht in die Oberfläche des Glases eingedrückt. Diese Art von Glas wird zum Beispiel in Bahnhofshallen, Haustüren... verwendet.

Glas ist sehr umweltfreundlich, da es nach dem Gebrauch durch Wiederverwertung nochmals genutzt werden kann. (Es ist jedoch wesentlich umweltfreundlicher Pfandflaschen als Einwegflaschen zu nutzten.)

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Letzte Überarbeitung: 09. November 2000