7 Durchführung der Unterrichtseinheit:
"Von der Kartoffel zu den Kohlenhydraten"

7.1 Erste Doppelstunde - Erforschung einer Knolle

Da meine erste Doppelstunde nach der großen Pause begann, hatte ich die Möglichkeit den Unterricht vorzubereiten. Der Overheadprojektor wurde angeschlossen, die Kartoffelpflanze wurde auf einem Zusatztisch platziert und die mitgebrachten Kartoffeln abgedeckt, damit die Kinder keine Rückschlüsse auf die Pflanze ziehen konnten. Aufgrund dieser Vorbereitungen wollte ich gewährleisten, dass der Unterricht nicht unnötig gestört wurde.

Zu Beginn der Stunde forderte ich die Schüler auf, sich um den Tisch zu versammeln und die daraufstehende Pflanze zu erforschen.


(Foto: Christin)

Zuerst betrachteten die Kinder das Gewächs und machten Vorschläge, welche Pflanze vor ihnen steht. Aufgrund der Jahreszeit dachten sie zuerst, es handele sich um einen Frühblüher. Maiglöckchen oder Tulpen wurden erwähnt. Gemeinsam traf man aber den Entschluss, dass kein Vorschlag der richtige sein konnte. Obwohl die Pflanze genau beschrieben und ertastet worden ist, konnten die Kinder keine richtige Antwort geben. Ihre Neugier wuchs und sie fragten mich, warum ich das Glas mit Alufolie abgedeckt habe und ob ich so etwas versteckten wollte. Daraufhin löste ich die Folie und die Kartoffel wurde sofort von den Lernenden entdeckt. Teilweise waren die Schüler überrascht, dass die Knolle unterirdisch wächst und das Wurzelwerk so ausgeprägt ist. Die langen Wurzeln, die das gesamten Glas durchzogen, waren sehr faszinierend. Aus diesem Grund beschloss ich, die mitgebrachte Kartoffel im späteren Verlauf nochmals mit einzubringen.

Nach der Identifikation bat ich die Kinder, sich in die von mir eingeteilten Gruppen zu setzten und die ersten Wachstumsphasen eigenständig zu analysieren.


(Foto: Christin)

Sie erhielten die drei unterschiedlich alten Kartoffeln und ein Arbeitsblatt. Sofort machte sich jeder an die Lösung der Aufgabe. Die Kartoffeln wurden intensiv ertastet, betrachtet und gerochen.


(Foto: Christin)

Ihnen fielen dabei die wesentlichen Merkmale, wie die Augen und der entstandene Trieb, sofort auf. Um diese genauer zu entdecken, erhielten die Schüler eine Lupe und ein zusätzliches Arbeitsblatt, auf dem die Merkmale der einzelnen Knollen gemalt werden sollten. Nach einer längeren Erforschungsphase, die für einige Schüler noch länger hätte dauern können, klärte ich die Fragen (z. B. "Wie alt sind die Kartoffeln?"), die während der Untersuchung an der Knolle entstanden sind.

Im Sitzkreis um die Tafel sollten die Kinder nun gemeinsam erörtern, wie sich die Kartoffel weiterentwickelt. Zu Beginn war ihnen nicht bewusst, dass aus den Augen der Trieb entsteht. Als ich sie aber aufforderte, die Augen und den Trieb zu beschreiben, fiel den Schülern auf, dass die Farbe der beiden Merkmale an einigen Stellen gleich ist. Außerdem sollten die Kinder ihre älteste Kartoffel mit der im Glas eingepflanzten vergleichen. Dabei erkannten die Lernenden, dass ihre Knolle bereits einen Trieb gebildet hat, der eine Vorstufe des eingepflanzten Triebes im Glas ist. Überraschend war für mich, dass die Lernenden keine Vorerfahrung in das Gespräch miteingebracht haben. Da die Kartoffel ein sehr bekanntes Produkt ist, nahm ich an, dass die Kinder die ersten Entwicklungsphasen bereits Zuhause beobachtet hätten. Im Gespräch wurde jedoch deutlich, dass die Schüler erstmals während des Unterrichts die Phasen bewusst wahrgenommen haben.

Nach diesen Ergebnissen sollten die Kinder gemeinsam überlegen, wie die kommenden Wachstumsphasen ihrer Kartoffel aussehen. Dazu sollten sie die von mir mitgebrachten Bilder in die richtige Reihenfolge bringen.


(Foto: Christin)

Diese Aufgabe fiel den Schülern schwerer als ich vermutet hatte. Die ersten Phasen, die bereits erörtert wurden, konnten sofort an die Tafel geheftet werden. Die folgenden hingegen waren schwieriger. Die Lernenden waren sich nicht einig, ob die Pflanze zuerst die Blüte und dann die Frucht oder zuerst die Frucht und dann die Blüte trägt. Ohne ihnen einen Hinweis zugeben, entdeckte eine Schülerin einen wichtigen Anhaltspunkt. Sie betrachtete den unterirdischen Teil des Gewächses und stellte fest, dass die Mutterknolle kleiner wird. Sie warf ein, dass die Kartoffel aus dem Supermarkt auch größer seien als die, die einige Zeit gelagert wurden. Diese Idee wurde sofort von den anderen Kindern aufgenommen und weiterentwickelt. Eine andere Schülerin meinte: "Es kann ja nicht sein, dass die Kartoffel immer kleiner wird und dann auf einmal wieder größer!" Aufgrund dieser wichtigen Entdeckung waren sich die Lernenden zum Schluss einig, in welcher Reihenfolge die Bilder aufzuhängen sind.

Diese Sequenz des Unterrichts empfand ich in meiner Planung eher als sehr trocken, aber dennoch wichtig. Als ich den Kindern diese Aufgabe stellte, war ich überrascht, mit welcher Hingabe sie die Lösung fanden und welche Rückschlüsse sie eigenständig zogen. Alle Schüler waren motiviert und engagiert. Sie hatten die Möglichkeit, ihre Meinungen in den Unterricht einzubringen und waren sehr angeregt, die richtige Lösung zu finden. Ich hatte nicht geglaubt, dass diese Aufgabe eine solche Herausforderung darstellt. Zudem wurde mir bewusst, dass der Lehrer die Antworten nicht vorgreifen muss, sondern die Kinder die Aufgabe eigenständig erarbeiten lassen soll.

Anhand des oberirdischen Teils des Gewächses waren sich die Kinder nicht einig, welche Reihenfolge die richtige ist. Ich dachte, dass ihnen Beispiele aus ihrer Erfahrungswelt weiter helfen würden. Doch die Schüler waren nicht in der Lage eine Verbindung zwischen beispielsweise der Wachstumsphase eines Apfelbaumes und die der Kartoffelpflanze zu ziehen. Hätten sie überlegt, wie ein Apfel entsteht (erst Blüte dann Frucht), wäre ihnen das Ergebnis leichter gefallen.

Anschließend zeigte ich den Lernenden eine Folie, auf der Fotos der Blüte und der Frucht des Gewächses abgebildet waren. Die Lernenden sollten nun die Fotografien genau beschreiben. Ein Schüler warf bei der Betrachtung ein, dass die grüne Frucht der unreifen Tomate gleichen würde. Diese Aussage nahm ich zum Anlass den Kindern zu erklären, dass die Tomaten- und die Kartoffelnpflanzen Nachtschattengewächse und somit miteinander verwandt sind. Meiner Meinung nach sind solche Entdeckungen der Kinder besonders wichtig. Sie versuchen sich damit größere Sinnzusammenhänge zu erschließen. Zudem zeigt es dem Lehrer, dass die Kinder aufgeschlossen ihrer Umwelt gegenüber stehen und aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligt sind. Entscheidend ist, dass der Lehrer auf solche zufälligen Ideen der Kinder reagiert. Man fördert das Verständnis der naturwissenschaftlichen Phänomene und die ständige Auffassungsbereitschaft der Schüler. Indirekt ermuntert man sie, auf im ersten Moment unwichtige Naturerscheinungen zu achten. Sie sollen lernen, ihre Umwelt intensiv zu wahrzunehmen, um somit ein weitreichendes Verständnis aufzubauen.

Im weiteren Verlauf erhielten die Schüler ein Arbeitsblatt, auf dem die einzelnen Pflanzenteile zu bestimmen waren. Diese Aufgabenstellung hatte ich zudem auf Folie kopiert, damit das Thema gemeinsam besprochen werden konnte. Einzelne Schüler trugen auf der Folie die zu benennenden Teile ein, während die anderen Kinder die Lösung auf ihr Arbeitsblatt schrieben. Die Bearbeitung fiel den Lernenden sehr leicht, da die einzutragenden Fachwörter schon aufgeführt waren. Besonders reizvoll fanden die Kinder die Aufforderung, an die giftigen Pflanzenteile ein Warnschild zu malen. Hierbei waren sie sehr kreativ.

Zum Schluss der Doppelstunde habe ich gemeinsam mit den Kindern die wesentlichen Aspekte des Unterricht mündlich zusammengefasst und überlegt, welche Forschungen wir in der nächsten Stunde durchführen können. Da das Äußere der Knolle nun entdeckt worden war, beschlossen wir, das Innere der Kartoffel zu erforschen. Als Hausaufgabe sollten die Schüler das Merkblatt, auf dem die einzelnen Wachstumsphasen in der richtigen Reihenfolge abgebildet sind, ausmalen. Somit setzten sie sich noch mal intensiv mit den Phasen auseinander. Zusätzlich wird ihnen bewusst, welche Farben sie für die Bearbeitung nutzen sollen und wie die einzelnen Pflanzenteile ausgemalt werden sollten.


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Letzte Überarbeitung: 24. August 2010, Dagmar Wiechoczek